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  • Day 8

    Eine Kerze

    December 4, 2022 in Chile ⋅ ☀️ 23 °C

    Heute geht es zur Abwechslung nicht an die Küste sondern in eine Region mit Kurven und Off-Road. Ronny hatte mir einen Tipp gegeben. Das ungefähre Ziel auf Google Maps eingegeben und los. Wird sich sicherlich leicht finden lassen. Rauf auf die Autobahn und dann nochmal schnell Tanken. Tankstellensuche per Google Maps. Bis ich die finde liegt mein Smartphone wie ein glühendes Stück Brikett im Tankrucksackkartenfach und sagt Good bye.
    Mal wieder sehr ärgerlich aber was solls. Muss man sich halt durchfragen. An der Kreuzung zur ⛽️ sieht mich ein "Dienstleister",der das Autoscheibenreinigen für ein Trinkgeld anbietet. Er verkündet lauthals lachend im Scherz, daß er gerne meinen Windschutz reinigen würde. Sicherlich überlegt er sich schon wie er an mir paar Pesos verdienen kann.
    TANKEN IN CHILE:
    Hier gibt es moderne Tankwarte mit Kartenlesegeräte direkt an der Zapfsäule.. Man kann einen Betrag angeben oder Volltanken lassen. Und bezahlt anschließend.
    Es ist Sonntag und die Tankstelle ist stark besucht. Eine Schlange bis auf die Straße. Meine Blue ist wendig und schnell ist eine Lücke an einer kurzen Warteschlange gefunden. Hier in Chile fahren, entgegen den Aussagen im Netz viele moderne Motorräder. BMW, Tenere, etc. Aber meine Blue ist ne echte Poserin und zieht magisch so manche Blicke auf sich. Auch diesmal. Gerne verrate ich dann das Baujahr und ernte erstaunte Blicke. Ein Schulterklopfen und ein Lächeln beenden dann das "Gespräch".
    Nach dem Tanken nochmal schnell Reifendruck checken. OK, nicht leicht bei den Temperaturen kalte Reifen zu haben. Dafür meinen Scheibenwaschfreund der unbedingt behilflich sein will. 2 ältere Herren an der Luftdrucksäule verfolgen genüßlich die Szenerie. Reifen gecheckt. In Erwartung eines Trinkgeldes und den Hinweis, dass er und seine Familie kurz vorm Hungertod sind, ruft er seinen Kumpel um sich dies bestätigen zu lassen. Gewonnen, ich drücke jedem 100 Pesos (ca. 10 ct) in die Hand und hab Ruhe. Die beiden Herren zucken mit den Schultern, grinsen und rufen mir zu "Das ist Chile".
    Copec Tankstellen sollen gutes Kartenmaterial haben. Also gehe ich rein in den Shop. Der ist klein und keine Karten oder Bildzeitung zu sehen. Mein spanisch reicht für ein Kaffee Americano aus dem Automat (tatsächlich gut trinkbar) und nen Snack aber trotz Übersetzerhilfeapp nicht um an eine Straßenkarte zu kommen. Eine gerade hereinkommende Kundin fragt ob ich englisch spreche? Ich bejahe und Sie zückt ihr Handy und ruft ihren Mann an. Er ist Kanadier. Es beginnt eine irrwitzige Dreierkonferenz an derem Ende ich trotzdem keine Karte habe dafür aber das Angebot in Valparaiso ein Zimmer zu mieten.
    INSIDER WISSEN
    Chilenen sind sehr freundlich und hilfsbereit. Es gibt auch ein Lied darüber. Chilenen sind auch geschäftstüchtig.
    Während ich den Ölstand meiner Blue checke kommt ein Bediensteter der Tankstelle auf mich zu und empfiehlt mir Algarrobo an der Küste als Ziel. Er zeigt mir die schönen Bilder auf Google Maps. Um 1 Uhr hat er frei und kann mich mit seinem Motorrad begleiten. Mit Torsten waren ich schon dagewesen und lehne dankend ab.
    INSIDER WISSEN
    Der Verkehr in Chile verläuft fast geräuschlos und hupfrei. Nur bei vermeintlichen Fehler anderer Autofahrer oder Zweiradfahrer oder nicht rechtzeitigem starten nach einer Rotphase an der Ampel greift er zu Erziehungsmaßnahmen. Dabei wird ab und zu aufdringlich bis penetrant die Hupe instrumentalisiert. Das wiederum kann häufiger vorkommen.
    Zurück auf der Autobahn erscheint auf der anderen Seite eine große weiße Kirche und eine riesige Menschenschlange davor. Ist heute Feiertag oder einfach nur Sonntag?
    Mit eingeschränktem Navi kehre ich um und komme wieder an diese Kirche vorbei.
    Direkt am geöffneten Seiteneingang stelle ich meine Blue ab. Und besuche die Messe, die soeben ihr Ende findet.
    Beim verlassen der Kirche frage ich ein älteres Pärchen, mit Hilfe meiner Übersetzerapp, ob man hier eine Kerze anzünden kann. Die Dame nimmt mich ehrfurchtsvoll mit und begleitet mich bis zum Altarbereich. Sie spricht mit einer Nonne und bittet mich mein Anliegen per Übersetzerapp vorzutragen. Der Kerzenbereich liegt außerhalb der Kirche. Während mich die Dame zum Kerzenbereich begleitet hält sie plötzlich an und deutet mir ebenfalls zu warten. Ihr Mann spricht mit dem Aufsichtspersonal. Beide führen mich zum Kerzenbereich. Ihr Mann erinnert mich daran, meine Sachen bei mir zu tragen besonders mein Handy.

    In Gedanken an uns und an unseren Lieben und an den Lieben die nicht mehr bei uns sind, habe ich dann diese Kerze entzündet und für ein paar Minuten inne gehalten.
    Noch ein kurzer Besuch im Inneren der Kirche und ich verlasse diesen Ort.

    Alle Zugänge zum Nationalpark sind verschlossen. Mit dem Gefühl weder Kurvenstrecke noch Off-Road Möglichkeiten zu finden, biege ich nach Bauchgefühl ab. Und tatsächlich, eine Kurve reiht sich an die andere. Und im Augenwinkel sehe ich Motorräder und ein Essgelegenheit. Umdrehen und zurück. Volltreffer.
    MEIN TIPP
    Wie bestellt man Essen in Chile?
    Ich nehme das, was die da haben und deute mit dem Finger auf den Tisch!!!

    Einer der beiden Biker spricht Englisch und es entwickelt sich ein intensives Gespräch. Beide fahren BMW 1200. Meinen Plan nach Patagonien unterstützt er, weil dort die freundlichsten Menschen von Chile wohnen. Freunde hat er auch in Berlin und Stuttgart. Er gibt mir den Hinweis den Küstenbereich bei Temuco zu meiden. Terroristen. Ich werde seinen Ratschlag befolgen.

    Weiter geht's. Ab ins Gelände bis vor einem verschlossenen Tor Schluß ist. Ende im Gelände und wieder zurück.

    Genug für heute. Zwischenstopp für ein Eis und Wasser und dann zu meiner Unterkunft. Kurz vorm Ziel sehe ich am Straßenrand ein Pantomimenauftritt. Ich halte spontan an und geselle mich dazu. Freundliche Blicke trotz meiner Störung. David stellt sich vor und wir unterhalten uns auf Englisch. Er kommt von den Cayman Inseln. Diese "Versammlung" ist eine Glaubensgemeinschaft und man spricht über Jesus. Nein, man hält mir keine Spendenbüchse unter die Nase. Ein Foto von einem interessanten Ort und ich werde freundlich winkend verabschiedet. Heute ist Sonntag und im Kühlschrank wartet mein Schmutzbier. Gute Nacht Deutschland, ich denk an euch.
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