• Schock im Niemandsland

    September 10, 2023 in Tajikistan ⋅ ☀️ 8 °C

    Seit Sonntag bin ich einem Yak-Hirten zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet. Ohne ihn wäre für mich diese Reise just am Halbzeit-Tag beendet gewesen.

    Vom Karakul aus setzt sich die Karawane samt Beifang - Wandersmann und Weltenbummler Marc, der uns inzwischen ein Freund geworden ist, und dem jungen Neuseeländer Skye - auf den holprigen Weg Richtung Grenze. Die Spannung steigt: wird man uns passieren lassen? Nach diversen Scharmützeln ist die Grenze seit längerem dicht, aber für Touristen seit ein paar Wochen offen. Dazu bedarf es einer Registrierung beim kirgisischen Außenministerium, die ich schon im Juli erledigt hatte. Doch seither änderte sich ständig etwas. Also viele Fragezeichen.

    Noch einmal geht es über einen 4400-Meter-Pass und durch faszinierende Landschaften, am löchrigen und somit witzlosen chinesischen Grenzzaun entlang. Die Straße kann mit der Grandiosität der Gegend nicht mithalten - sie wird von Meter zu Meter miserabler.

    An der tadschikischen Grenzstation, einem völlig verhauten Konglomerat an Containern und maroden Gebäuden, das erste Problem. Uns fehlt irgendein Papier, das wir bei der Einreise hätten erwerben müssen. Gegen 25 Dollar pro Auto lässt sich der Fehler nach einiger Diskussion beheben.
    Nun sind wir im Niemandsland, einem 20 Kilometer breiten Korridor zwischen den beiden Grenzstationen. Fahrerisch eine Herausforderung, und so schön, dass der Kamera-Auslöser glüht.

    Am Tor zu Kirgistan dann der Schock: Wo ist mein Reisepass? Schnell wird nach hektischer Suche klar: Er muss bei einem Fotostopp aus der Tasche gerutscht sein. Plötzlich ist das Registrierungs-Problem das kleinere.

    Bernhard, Marc und ich machen uns auf den Rückweg, auf die Suche nach der Briefmarke im Altpapiercontainer. Wir wissen in etwa, wo wir angehalten haben, es weht kaum ein Lüftchen, und es ist kein Verkehr. Werden wir Glück haben?

    Wir haben. Ein Yak-Hirte, der uns mit seiner Herde entgegen kommt, zieht ein rotes Heft aus der Jackentasche und winkt. Fotovergleich: Es ist mein Pass! So heftig umarmt wurde der Mann vermutlich noch nie. Ohne den Pass und das China-Visum darin hätte die Reise an dieser Stelle für mich abrupt geendet.

    Zurück an der kirgisischen Grenze werden wir bereits dringend erwartet: Das Personal will Feierabend machen. Das Registrierungsthema wurde zwischenzeitlich erfolgreich geklärt, der Rest ist Formsache. Skye und der Radfahrer Mario aus dem Schwarzwald, denn wir ebenfalls aufgegabelt hatten, bleiben zurück: sie müssen mangels Permit an der Grenze übernachten.

    Das Tagesziel Osh ist nicht mehr zu erreichen, zumal die Druckluftbremse des Vario abermals zickt. Doch im nahen Sarykasch gibt es ein ordentliches Homestay. Mit Dusche und W-LAN. Und mit Freibier für alle.

    Das ist mir mein XXL-Dusel wert.
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