• In Chinas Grand Canyon

    September 23, 2023 in China ⋅ ☁️ 14 °C

    Heute mussten wir die psychische Belastbarkeit unserer Begleiterin Miau erstmals hart an ihre Grenze bringen. Dass sie es nicht mit einer pflegeleichten Rentergruppe des VdK Bochum zu tun haben wird, sondern mit einer bunten Horde von Individualisten, sprich: Dickschädeln, darauf hatte sie offenbar niemand vorbereitet.

    Kaum auf der Autobahn, modifizierten wir Frau Miaus Konzept. Denn wir wollen mehr von China sehen als türkisfarbene Leitplanken (so schön sie auch sind). Also ab auf die (noch dazu mautfreie) Landstraße. Was allerdings das straff getaktete Besichtigungsprogramm, das die junge Dame mit uns abzuhandeln hat, in Gefahr bringt. Nervosität kommt auf. Was, wenn die Planerfüllung scheitert?

    Zunächst einmal geht es durch kilometerlange Pappelalleen. Mehrreihig und akurat gepflanzt, säumen die Bäume die Straßen inner- und außerorts. Die Dörfer ziehen sich entlang der Hauptstraße, bisweilen zweigen Querstraßen rechtwinklig ab und verlieren sich in weiter Ferne. Auf den Straßen liegt Mais, zum Trocknen ausgebreitet. Die gleichförmig wirkenden Häuser verschanzen sich hinter hohen Mauern, die mit chinesischen Parolen verziert sind. Von dörflicher Idylle keine Spur. Traditionelles Wohnen am Land, oder Relikte sozialistischer Planwirtschaft? Wir wissen es nicht.

    Nach einem Abstecher in eine Dorfstraße - Frau Miau, die im Vario mitfährt, hat sich inzwischen ihrem Schicksal ergeben - peilen wir dann doch den Programm-Höhepunkt des Tages an: Eine Felswand mit hunderten Höhlen, die vor ca. 2000 Jahren als buddhistische Kultstätte genutzt wurden. Die Kizil-Höhlentempel sind reich verziert mit spektakulären, bunten Malereien, die allerdings zum Teil geplündert wurden. Entsprechend groß ist die Angst der Chinesen um dieses Monument von nationalem Rang. Der Registrierungsprozess zum Ticket-Kauf dauert fast so lang wie die Besichtigung. Und wer - Fotos von den Gemälden sind streng verboten - die Kamera zückt, bekommt umgehend eine persönliche "Betreuerin" zur Seite gestellt.

    Im Licht der untergehenden Sonne durchqueren wir einen Bergzug, der viel Ähnlichkeit hat mit dem Grand Canyon: Rot leuchten zerklüftete Felsformationen und tiefe Flusseinschnitte. Im Hintergrund qualmen Fabrikschlote: Vorboten des Etappenziels Kuqa, das uns mit einem der gigantischen Industrie- und Gewerbegebiete empfängt, die wir nun auch schon ein paar mal staunend durchqueren durften.
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