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  • Day 4

    Religiöse Vielfalt in Jerusalem

    February 18, 2020 in Palestine ⋅ ☁️ 10 °C

    Auch heute trafen wir uns wieder früh mit unserer Stadtführerin Tamar, diesmal am Tempelberg. Im Gegensatz zu gestern konnten wir nicht durch das Lions Gate als Gäste auf das Plateau, sondern mussten wie alle Touristen durch die Sicherheitskontrollen, wo unsere Taschen durchleuchtet wurden. Uns fiel beim Eingang eine Gruppe von orthodoxen Juden auf, die von mehreren Polizisten eskortiert wurden. Tamar erklärte uns, dass die Anwesenheit von Juden auf dem Tempelberg inzwischen toleriert, aber aus Vorsichtsmaßnahmen kontrolliert wird. Hierbei fiel uns noch einmal die starke Polizeikontrolle und Vorsicht vor Anschlägen auf, die hier vorherrscht.
    Heute ist uns noch deutlicher klar geworden, wie problematisch die Situation am Tempelberg wirklich ist. Trotz der vielen Traditionen, die der Islam und das Judentum teilen, wie beispielsweise das der Tempelberg als Zentrum der Welt gesehen wird, kann es zu keiner Einigung kommen, was für uns schwer zu begreifen ist. 
Nach einem Rundgang auf dem Tempelberg, gingen wir anschließend in die Davidszitadelle. Der Ausblick vom höchsten Turm war überweltigend. Wir konnten die gesamte Altstadt betrachten. Beim Rundgang durch das Museum konnten wir die Geschichte der Stadt nachvollziehen. Es wurde beispielsweise dargestellt, wie der herodianische Tempel wahrscheinlich ausgesehen haben soll. Zudem konnte man sich die Davidstadt im Modell ansehen und sehen, wie sich die Stadtmauern von Jerusalem im Verlauf der Zeit geändert haben. Durch die Räume, zu den verschiednen Zeitabschnitten, sind uns wichtige historische Eckdaten noch einmal bewusst geworden. Besonders die Stadtmodelle, zu verschiedenen Zeiten, halfen uns einen Überblick zu der Stadtentwicklung zu bekommen.Nach einer Stunde Mittagspause trafen wir uns im Gästehaus zu einer erneuten inhaltlichen Einheit mit Tamar, dieses Mal zum Thema „christliche Konfessionen”. Sie erklärte uns, wie sich das Christentum aus dem Judentum heraus entwickelte. Nachdem das Urchristentum noch sehr einheitlich geprägt war, wie zum Beispiel durch den Missionar Paulus, entstanden im Laufe der Zeit unterschiedliche Konfessionen innerhalb des Christentums. Die Gemeinden unterscheiden sich dabei in ihren Glaubensvorstellungen und Traditionen. Deshalb lassen sich auch die Ansprüche unterschiedlicher Konfessionen an der Grabeskirche erklären. Zu diesen Konfessionen gehören die armenischen, die griechisch-orthodoxe, die koptische, die äthiopische, die syrische und die katholisch-lateinische. Alle diese Gemeinden feiern zu unterschiedlichen Zeiten ihren Gottesdienst in der Grabeskirche. Evangelische Kirchen kamen sehr viel später nach Jerusalem und haben deshalb dort keinen Anspruch. Ihr Zentrum ist die nahegelegene Erlöserkirche.

    Nachdem wir viel theoretisches über die verschiedenen Konfessionen gehört hatten, machten wir uns auf den Weg, um uns zwei der Kirchen anzugucken.
    Zunächst besichtigten wir die griechisch-katholischen Kirche. Hier fielen uns als erstes die bunten und goldenen Farben an den Wänden und an den Decken auf. Diese Bemalungen sind typisch für orthodoxe Kirchen. Die Gemälde an den Wänden stellen die Geschichte von Jesus dar, angefangen bei der Verkündigung der Geburt Jesu, bis hin zum Pfingst-Ereignis. Auch typisch orthodox ist die golden verzierte Ikonostase, die den heiligen Altar vor der Gemeinde verdeckt. Diese Tradition ist angelehnt an die Verschleierung der Bundeslade im Judentum. Danach ging es endlich in die Grabeskirche, auf die sich viele von uns sehr gefreut hatten. Bei der Ankunft merkten wir schnell, wie überfüllt die Kirche von Touristen war. Im Allgemeinen hatten wir uns diesen Ort anders vorgestellt. Es konnte kaum eine besinnliche Stimmung aufkommen, bei den vielen Menschen, die warteten und drängelten, um den Berg Golgatha (Kreuzigungsort Jesu), die Salbungsstätte und das Grab Jesu zu berühren und zu küssen. Durch die für uns sehr befremdlichen Glaubenspraktiken merkten wir, wie unterschiedlich das Christentum ausgelebt wird und wie die Glaubensvorstellungen sich von unserem westlich geprägtem Glauben unterscheidet. Wir entschlossen uns gemeinsam an einem anderen Tag und zu einer günstigeren Zeit wiederzukommen, um die Grabeskirche noch einmal in einer schöneren Atmosphäre erleben zu können. Insgesamt können wir sagen, dass wir mit jedem Tag und mit jeder neuen Einheit einen tieferen Einblick in die Hintergründe dieser Stadt und der Menschen bekommen, die hier ihren Glauben auf unterschiedliche Weise ausleben.
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