Panglao
29 mars 2024, Philippines ⋅ ☁️ 31 °C
Ich habe es endlich nach Cebu geschafft ... aber was nun? Welche Sehenswürdigkeiten gibt es hier zu entdecken, welche Route soll ich einschlagen? Die Zeit für ausgiebige Recherchen fehlt, also wird spontan entschieden: Ein Fährticket muss her. Die freundliche Dame vom Hostel organisiert mir ein Rollertaxi, das mich zum Hafen bringt. Während wir durch das Industriegebiet fahren, fällt mir auf, wie ärmlich viele Teile der Bevölkerung leben. Am Hafen angekommen, werde ich von einer Gruppe bettelnder Kinder umringt. Ihre Kleidung ist abgefetzt, ihre Augen groß, dunkel und flehend. Einige Münzen wechseln die Hosentasche. Es macht mich betroffen, diese Kinder zu sehen. Der Gedanke verfolgt mich schon seit Indien bei Mensch und Tier: Wie kann ich sinnvoll und nachhaltig helfen? Und wo liegt die Balance zwischen hin- und wegschauen?
Die Fähre verspätet sich, und die unerbittliche Hitze im unklimatisierten Wartebereich ist lähmend. Ich fächere mir erschöpft Luft zu. Endlich an Bord der Fähre, wird die Atmosphäre angenehmer, und ich nutze die Zeit, um mich aktiv zu entspannen und den Stress hinter mir zu lassen. Oooohhhmmm!Pünktlich zum Sonnenuntergang, tuckert die Fähre nach einigen Stunden in den Hafen ein. Der Himmel erstrahlt in einem spektakulären Orange, dass in ein tiefes Dunkelrot übergeht. Der Anblick weckt, wie schon viele Male zuvor auf dieser Reise, ein Gefühl der Demut und Dankbarkeit. Ich beobachte in der Reihe quer vor mir ein sabberndes Baby, dass an der Schulter seiner erschöpften Mutter schläft, dahinter sitzt ein Reisender, der versucht das Farbenspiel der Wellen und Wolken durch die schmutzigen Fährfenster auf einem Foto festzuhalten. Es liegt eine erschöpfte Trägheit und ein ruhiger Optimismus über uns. Die Hitze und das gleichmäßige Röhren des Motors haben uns müde werden lassen, die Augenlider hängen tief aber die Mundwinkel schieben trotzdem noch Richtung Ohrläppchen.
Die Touristen werden beim Aussteigen von aufdringlichen Taxifahrern abgefangen und es wird schlagartig laut und hektisch. Ich lasse die Anfragen vorerst an mir abprallen, stelle mich an den Randbereich und warte auf ein Abebben des Touristenstroms, um einen besseren Preis zu verhandeln. Derweil beobachte ich einen 2 m-großen Europäer, der sich beinahe hälftig zusammenfalten muss, um in den winzigen Beiwagen des Mopeds zu passen. Die lustigen Gefährte sind individuell gestaltet und sehr kreativ zusammengezimmert- keines gleicht dem anderen. Leider kann ich durch meine ausländsiche Telefonummer keine Taxisapp verwenden, was eine weitaus günstigere Alternative zu den bereitstehenden Taxen wäre. Ich greife zum bewährten Trick 17: „Sei schlau, stell dich dumm.“ Denn oft reicht ein höfliches, naives Nachfragen bei Einheimischen, um Situationen zu meinen Gunsten zu wenden. Ich spreche einen schüchternen Wartenden an und prompt ruft er mir über seine App einen Rollerfahrer, glücklich darüber mir helfen zu können. Win-Win!
Über eine lange Brücke brause ich auf dem Sozius eines Mopeds auf die Insel Panglao. Das Meer glitzert in der Finsternis zu beiden Seiten und die Lichter der Insel vor uns locken. Man hört nur das Rauschen des Meeres und des Fahrtwindes. Eine filmreife Szene die ruhigen Optimismus und Abenteuerlust verströmt. Ein junger Mopedfahrer an den sich ein Mädchen klammert, fährt dicht heran und ruft etwas herüber: Er findet mich hübsch. Sein breites, unbefangenes Lächeln ist so offen und ehrlich, dass ich nicht anders kann, als laut zu lachen und zurückzurufen, dass er auch hübsch sei. Die beiden auf dem Moped, mein Fahrer und ich brechen in schallendes Gelächter aus – diese spontane, ulkige Situation löst jegliche Skepsis und Vorbehalte.
Das Bett im Dorm entpuppt sich leider als wahre Zumutung. Die Nacht ist heiß, stickig und beengt. Am frühen Morgen werde ich von einem lauten Telefongespräch geweckt, das aus dem unteren Bett rechts schallt. „Dein scheiß Ernst, muss das sein?“ denke ich. Nunja, zugegeben, so ist das eben manchmal in Hostels. Genervt und beinahe gewaltbereit klettere ich die steile, halsbrecherische Leiter hinunter und rüttele am Bettgestell des Störenfrieds: „Geh raus zum Telefonieren!“
Miesepetrig und widerwillig starte ich in den selbst auferlegten „Homeoffice Planungstag“. Das Abenteuer neigt sich langsam seinem Ende zu, ich muss die Rückreise inklusive Zwischenstopps planen. Kein Spiel, Spaß und Sonne für mich – nur Handy, Notizbuch und ein rauchender Kopf. Zwischenzeitlich wird meine Willensstärke von einer jungen Neuseeländerin getestet, die mich auf mein Tattoo am Unterarm anspricht (sie hat den Silver Fern sofort erkannt!) und mich zum Schwimmen in einer versteckten Bucht einlädt. Wir führen ein lustiges, aufheiterndes Gespräch, und wieder einmal werde ich davon überzeugt, dass Kiwis die nettesten und entspanntesten Menschen auf der Welt sind.
Am nächsten Morgen durchquere ich die Insel in der brütenden Mittagshitze auf dem Roller. Im Schlafraum des neuen Hostels lockt die Klimaanlage, und es kostet mich einige Überwindung, nicht einfach im Bett zu versickern. Stattdessen gehe ich in den Gemeinschaftsraum, wo ich auf einen Israeli treffe, der gedankenverloren Luftlöcher starrt. Er ist Jude und weil gerade Sabbat ist, darf er keine elektronischen Geräte benutzen. Beim Mittagessen leistet er mir Gesellschaft, und ich nutze die Gelegenheit, ihm neugierige Fragen zu stellen. Er erzählt mir von seiner Zeit in einer Spezialeinheit im Norden Israels, wo er an der Grenze zum Libanon die Hisbollah ausspioniert hat. Viele seiner Schulkameraden sind bereits im Einsatz gefallen. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub wird er für einen weiteren Einsatz an die Front müssen, danach plant er, sein Studium abzuschließen. Seine Erzählungen hinterlassen einen tiefen Eindruck bei mir. Unsere Leben erscheinen auf den ersten Blick so ähnlich – wir teilen ähnliche Werte, Träume und Lebensziele. Doch seine Sichtweise ist durch den Krieg völlig anders geprägt. Ich höre zwischen den Zeilen das Gefühl, in die Enge getrieben zu sein, eine Spur Verzweiflung und auch eine große Portion Patriotismus. Übrigens, in Israel herrscht Wehrpflicht – Männer dienen zweieinhalb Jahre, Frauen zwei Jahre. Der Wehrdienst ist Teil der israelischen DNA, ein Land, das immer wieder in der Vergangenheit von seinen Nachbarn angegriffen wurde. Skurril, dass der Name des jungen Mannes „Schalom“ auf Hebräisch „Frieden“ bedeutet.
Am nächsten Morgen steht ein Ausflug zu den mysteriösen Nachbarinseln auf dem Programm. Schon zum Sonnenaufgang stehe ich ausgecheckt und abmarschbereit im Gemeinschaftsraum. Zusammen mit einer Gruppe Spanier geht es zu Fuß zum Hafen, wo uns eine Überraschung erwartet: Eine regelrechte Meute an Touristen tummelt sich bereits auf dem schmalen Strand. Ohne ersichtliche Logik werden die Leute wahllos auf die Boote verteilt. Unser Guide verliert den Überblick und so kommt es, dass wir als Letztes am Strand stehen und uns unverhofft eine Mutprobe erwartet: Um das letzte klapprige Boot zu erreichen, müssen wir über teils rutschige, teils scharfkantigen Felsen, hüfthoch durch schleimige, stinkende (!) Algenberge waten. Der Trip beginnt mit einer ordentlichen Portion schlechter Laune... Da wir erst so spät losfahren, verpassen wir die Delfinschule, die am frühen Morgen in der Bucht ihre Kreise zieht. Stattdessen steuern wir eine winzige Insel an, die sich schnell als absoluter Touristen-Hotspot entpuppt. Hier läuft alles wie am Fließband: Flossen und Taucherbrillen werden uns in die Hand gedrückt, hier bitte noch Souvenirs kaufen und dann der Reihe nach auf kleine Katamarane, zack zack! In der Bucht springen wir aufs Kommando „Turtle over there!“ schnell vom Boot und schwimmen dem Schatten im tiefen Blau hinterher. Doch auch die Schildkröte hat heute keine Lust auf Gesellschaft und taucht ab. Wir bewundern knatschige Seeschnecken, leuchtend-blaue Seesterne die überall am Meeresgrund verteilt liegen und diverse bunte Fische die sich an den Korallen aufhalten.
In der Bucht tummeln sich viele Schnorchler und nach der zweiten Flosse die mich streift, ziehe ich mich an den Randbereich im tiefen Wasser zurück. Das Wasser wird kühler, die Sonnenstrahlen durchdringen es in scharfen, flackernden Streifen, während sich unter mir die unheimliche, dunkle Weite des Ozeans erstreckt. Ich weiche hektisch einem Katamaran aus, der mir zu nah kommt. Als ich den Kopf wieder unter die Wasseroberfläche stecke, traue ich meinen Augen kaum: Überall um mich herum glitzert es! Ich bin umringt von unzähligen kleinen, silbernen Fischen, die so nah an mir vorbeischwimmen, dass ich sie fast berühren kann. Was für ein unglaublicher Moment! Mitten in einem Fischschwarm zu schwimmen – das ist definitiv das Highlight des Ausflugs!
Nach einem weiteren Stopp auf einer einsamen, versunkenen Insel bin ich zwar von der „Touri-Abfertigung“ des Veranstalters enttäuscht, aber immerhin habe ich mich gut mit den Spaniern angefreundet, und wir haben zusammen einiges zu lachen.En savoir plus





Voyageur
😂
VoyageurDu beschreibst das in tollen Farben …
VoyageurUnd wenn ich mir die Bilder betrachte, denke ich, diese Reise war das Beste, was du für dich tun konntest 😄