• Fliegerei-ei-ei

    27. marts 2024, Malaysia ⋅ ☁️ 27 °C

    Nach den Tagen im Dschungel geht es mit dem Van zurück nach Sepilok. Die Zeit in der Abgeschiedenheit verging wie im Flug, doch gleichzeitig war sie so ereignisreich, dass es sich im Rückblick anfühlt, als wäre ich zwei Wochen dort gewesen. Jetzt hat die Reiseplanung oberste Priorität, denn bereits am nächsten Tag steht der Gabelflug auf die Philippinen an. Bislang ist nur die Reise bis nach Manila organisiert, doch jeder, mit dem ich darüber gesprochen habe, hat mir dringend davon abgeraten, länger als nötig in Manila zu bleiben. Die Stadt sei der Inbegriff einer Metropole der Dritten Welt: heruntergekommen, schmutzig, übervölkert, mit überquellenden Elendsvierteln und regem Menschenhandel.

    Ich habe keine Ahnung, wohin es danach gehen soll... Palawan? Cebu? Beides? Wieder einmal stehe ich vor einer Entscheidung, die ich völlig unvorbereitet treffen muss. Das Unbehagen und die Überforderung erreichen einen Hochpunkt. Ich hasse diese ständigen Entscheidungen unter Zeitdruck, wenn man noch nicht das Gefühl hat, alle Optionen oder Risiken zu kennen. Aber gut, jetzt heißt es ins kalte Wasser springen: Beim Frühstück buche ich also einen Weiterflug nach Cebu und muss wenige Minuten später bereits zum Flughafen aufbrechen. Eng getaktet! Ich schlucke meine Angst vor dem Ungewissen herunter und versuche, der Spontaneität eine Chance zu geben. Es fühlt sich an wie das erste Mal Motorradfahren: „Zu schnell! Zu gefährlich!“ denkt man sich, während man sich angsterfüllt am Lenker festklammert. Gleichzeitig beginnt man schon fast den Reiz der Geschwindigkeit zu spüren, fast zu verstehen, wie wunderbar dieses Gefühl sein kann, wenn die Angst nicht mehr im Weg steht.

    Der erste Kurzstreckenflug verläuft reibungslos, und durch die Wolken erhasche ich einen tollen Blick auf den Mount Kinabalu, den höchsten Berg Borneos, dessen Gipfel wie eine einsame Insel im dichten Wolkenmeer thront. Auch der Regenwald wirkt von hier oben beeindruckend, obwohl er immer wieder von Palmölplantagen unterbrochen wird.

    In Kota Kinabalu angekommen, werde ich durch den Transitbereich zum Gate geschleust. Nach fünf Stunden Wartezeit beginnt das Boarding. Ungewöhnlich für mich (als hätte ich es geahnt): Ich stelle mich direkt nach Gate-Öffnung in die Warteschlange. Bei der anschließenden Endkontrolle werde ich prompt abgewiesen, da ich nicht die notwendigen Visa-Dokumente vorzeigen kann. Eigentlich war ich gut über die Visabestimmungen informiert, aber durch die Abkürzung über den Transitbereich habe ich nicht mitbekommen, dass ich das Visum online im Voraus hätte beantragen müssen. Aaah... jetzt muss es schnell gehen: Ich spreche einen anderen Reisenden an und bitte um Hilfe. Er unterstützt mich mit Internet, und ich beschaffe mir online ein Fake-Ausreiseticket, um den Visa-Antrag zu vervollständigen. Zu allem Überfluss gerate ich dabei auf eine Fake-Visa-Seite, die mir neben meinen Daten, beinahe noch 50 € abknöpft. Im Raum haben sich bewaffnete Soldaten strategisch positioniert und befragen, aus mir unbekannten Gründen, einzelne Reisende. Gruselig. Beunruhigend. Das hebt das Stresslevel zusätzlich. Schnell, schnell, schnelllllll... Gleich schließt das Gate!

    Zu meinem Glück haben auch andere Reisende Probleme mit ihren Visa-Unterlagen, und aus Kulanz wird noch einige Minuten auf uns gewartet. Doch genau das ist auch mein großes Pech: Zwar schaffe ich es noch ins Flugzeug, aber durch die Verzögerung landen wir in Manila nur 40 Minuten bevor mein Anschlussflug abhebt. Ich weiß: Wenn der nächste Flug nicht vom selben Terminal startet, habe ich ein Problem. Der Flieger rollt in die Parkposition, und die Durchsage bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen: Wir sind am falschen Terminal. Was nun?

    Ich habe es bis hierher geschafft, jetzt kann ich nicht kampflos aufgeben! Die Panik fällt schlagartig von mir ab, meine Ellenbogen fahren aus, die Beine sind wie Bogensehnen gespannt. Aufs Stichwort stürme ich in den Flur, drücke mich unter Protestrufen und bösen Blicken an der wartenden Schlange vorbei, hüpfe als Erste aus dem Flieger, flitze durch eeeendloooose Flure und Hallen, bis der Flughafen mich schließlich in eine dunkle, laute Großstadtnacht ausspuckt. Trubel! Ich steuere auf den erstbesten Taxifahrer zu: "Terminal 2 in 20 minutes. Can you make it happen?" rufe ich ihm im Laufschritt zu. Ich sehe ihm sofort an, dass er dem Vorhaben keine Chance gibt. Eine ganze Traube Taxifahrer schart sich um mich, hört sich meine Anfrage an, guckt nachdenklich, diskutiert, fuchtelt herum... Das Terminal ist weit entfernt, im Berufsverkehr ist das nicht zu schaffen, lautet das Urteil. Im Nachhinein weiß ich ihr Handeln sehr zu schätzen, denn sie hätten mich auch anlügen und das Geld kassieren können – es hätte ihnen ja egal sein können, ob ich es noch zum Flieger schaffe. Einer der Umstehenden schiebt einen Mann heran, präsentiert ihn mir stolz und erklärt in gebrochenem Englisch, dass dieser feine Herr einen Scooter hat. Er ist der Einzige, der es schaffen kann. "I don't have cash yet." "Pay me in other currency." "I have 20 pounds. Let's go." Das ist alles, was es braucht. Ich frage mich immer noch, ob der Typ nicht einfach ein Passant war, der zur rechten Zeit am rechten Ort war.
    (Lustiger Fun Fact am Rande: Die 20 Pfund hatten Max und ich Wochen zuvor in Thailand auf Ko Samui in einem Schließfach gefunden, und ich hatte bei jeder Gelegenheit vergessen, die Währung zu tauschen. Was für ein Glück!)

    Ab geht’s in den dichten Verkehr, wo alles hupt, leuchtet und nach Abgasen stinkt. Der Fahrer drückt sich im Zickzack zwischen den Fahrzeugen hindurch, schlüpft in schmale Lücken, braust durch die winzige Mittelspur und schneidet rücksichtslos andere Verkehrsteilnehmer. Ich habe Angst um meine Knie, die immer wieder nur knapp an einer Stoßstange vorbeistreifen. Der Kerl macht einen großartigen Job und nimmt dabei sogar das eine oder andere Risiko in Kauf. Die 20 Pfund hat er sich wirklich verdient, keine Frage.

    20 Minuten vor Abflug renne ich also zur Sicherheitskontrolle in Terminal 2. Ich rufe den Menschen in der Schlange irgendetwas zu, jeder macht mir bereitwillig Platz, auch die Beamten beeilen sich und schleusen mich so schnell wie möglich durch. „This way! Go, go, go!“ ruft mir eine freundliche Sicherheitsbeamtin zu, und ich sause dankbar für das Verständnis durch die Halle. Beinahe laufe ich an der Endkontrolle vorbei, direkt zum Flugzeug, das noch angestöpselt ist. Die Dame am Schalter stoppt mich schroff und sagt eiskalt, dass sie mich acht Mal ausgerufen habe und ich nun Pech hätte – gerade wird die Tür geschlossen. Ich bitte sie verzweifelt, das Flugzeug steht doch noch da! Doch sie bleibt stur und weist mich unfreundlich ab. „No! No discussions. Go to the counter. Buy a new ticket. Byeeeeee!“ Das darf nicht wahr sein, scheitert es wirklich an der finalen Hürde? Kurz spiele ich mit dem Gedanken, einfach an ihr vorbeizurennen und das Flugpersonal stattdessen anzuflehen, mich mitzunehmen. Ich erinnere mich jedoch an die leider wahren Horrorgeschichten über das Gefängnis in Manila, die mir erzählt wurden, und gebe mich kleinlaut geschlagen... hier sollte man besser kein Querulant sein. Nun gut. Uff. So knapp. So verdammt knapp. Ich trotte verknittert und mit hängendem Kopf zurück zur Eingangshalle. Mitleidige Blicke und leises Flüstern folgen mir, offenbar wurde schon von anderen Reisenden in der Halle mitgefiebert. Bei der Gepäckkontrolle höre ich die Beamten tuscheln: „Oh nooo, she didn’t make it?“ Walk of shame! Jaha, I didn’t make it!

    Niedergeschlagen warte ich am Counter auf einen Mitarbeiter der Airline. Neben mir am Schalter hat ein älterer Herr einen Wutausbruch und schimpft und zetert lautstark – so lange, bis die Security anrückt. Ich empfinde Abneigung, aber gleichzeitig auch tiefes Verständnis für den Mann. Ich würde meiner Wut und Enttäuschung auch gerne eine Stimme geben. „What happened, why were you late for the flight?“ fragt mich später die freundliche Airline-Mitarbeiterin, doch ich bekomme kein Wort heraus. Der Flug hatte Verspätung, ich habe zu knapp kalkuliert, die Kollegin am Gate war eine blöde Kuh? „Shit happens. Bad luck.“ sage ich kurzangebunden und muss fast weinen. Sie blickt mich mitleidig an und bemüht sich, den nächsten Flug für mich zu buchen. Dieses „Hoppala“ wird mich bestimmt teuer zu stehen kommen, denke ich mir. Aber: Nur 20 € Aufpreis, wie sich herausstellt! Das ist doch verkraftbar. Auch die Wartezeit beschränkt sich auf eine Stunde. Ich darf im Flieger sogar in der ersten Reihe mit viel Beinfreiheit und gutem Ausblick Platz nehmen. Die Dame am Schalter hat es offensichtlich sehr gut mit mir gemeint! Wow, Glück im Unglück.

    Ich erreiche Cebu um 2 Uhr nachts. Erstaunlicherweise kann ich trotz der späten Stunde ein Grab-Taxi rufen, und im Hostel angekommen, wartet der Eigentümer bereits auf mich und empfängt mich freundlich. Wer hätte gedacht, dass die Sache doch noch gut ausgeht?

    Alles in allem bin ich überrascht von der Freundlichkeit, die mir bei (fast!) jeder Interaktion entgegengebracht wurde, seit ich in Manila aus dem Flugzeug gestiegen bin.
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