• Tag 13 - Çatalhöyük

    July 8 in Turkey ⋅ ☀️ 36 °C

    Arnd:
    Heute wie geplant zur Ausgrabung Çatalhöyük gefahren. Das liegt etwa 40km südostlich von Konya. Deshalb braucht man jemanden, der einen dahin fährt. Es gibt einen täglichen Bus, der aber nur fährt, solange genügend Kunden da sind. Vor Ort wartet er 1 1/2 Std. Und fährt dann wieder zurück. Wir hätten gern etwas mehr Zeit gehabt, aber es war trotzdem gut. Ich hatte das vorher online (tripadvisor) gebucht. Es gibt aber nur den einen Anbieter und überlaufen ist es nicht, man hätte es auch spontan vor Ort kaufen können - aber man will ja seine Sicherheit haben und da sind diese Internetdienste wirklich hilfreich. Sie sind aber auch voll mit Nepp, also aufpassen.

    Im Stadtzentrum von Konya sind die Häuser eher weniger hoch, 2-3 Stockwerke, aber wenn man aus der Stadt herausfährt, dann kommt man an sehr sehr vielen neuen 6-stöckigen Wohngebäuden vorbei. Hier wird massiv Wohnraum geschaffen. Aber da gibt es auch Platz ohne Ende, weil etwas weiter außerhalb ist nur noch Ödnis, während in Deutschland und anderen Ländern mit Wohnraumproblemen kommen da die freistehenden Einfamilienhäuser.

    Çatalhöyük ist die bedeutenste Neolithische Ausgrabung aus dem späteren Neolithikum. Die Menschen waren bereits sesshaft und haben hier erstmals in einer großen Gemeinschaft zusammengelebt. Deshalb mussten sie nicht nur Häuser bauen, sondern eine Stadt, was viel schwieriger ist. Die Siedlung war bewohnt zwischen 7100 und 5950 BC.

    In der Wikipedia ist ein Animationskurzfilm abgelegt, der mal vom deutschen öffentlichen Fernsehsender ZDF ausgestrahlt worden ist. Es gibt da auch eine Version mit englischem Text:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Catalhöyük,…

    Vor Ort gibt es die eigentliche Grabung unter einem transparenten Tunneldach, ein paar rekonstruierte Gebäude mit Inneneinrichtung und ein Museum. Unter dem Tunneldach herrschten bestimmt 50°C (außen waren es 36°C). Aber Sauna mit noch höheren Temperaturen kann man eine gewisse Zeit ja aushalten.

    Hea-Jee hatte natürlich sofort wieder ihren Detektivblick aktiviert und konnte mir Dinge zeigen. So hat sie z.B. gleich gesehen, dass die Gebäude unten auf Naturstein gebaut waren, aber oben aus Ziegeln. Der Zeitraum ist aber noch akeramisch, die Menschen kannten noch nicht das Brennen von Ton. Es müssen also reine Lehmziegel gewesen sein. Dann gab es da auch noch eine „Wand“ mit vielen dünnen horizontalen Linien, offensichtlich nichts von Menschen gebautes. Das haben die Archäologen vermutlich stehen lassen, weil man an diesen Linien die Zeiten ablesen kann. Je weiter unten, desto früher.

    Sehr schön konnte man überall die Gruben erkennen, in denen die Menschen damals ihre Toten begraben haben, mitten in der Wohnung.

    Die rekonstruierten Gebäude machten das Ganze dann sehr lebendig. Da ist z.B. der Ofen mit einer Mulde davor, in der Lehmkugeln liegen. Sie hatten zwar Töpfe, wie auch im Bild zu sehen, aber die waren ja nicht gebrannt und deshalb konnte man die nicht übers Feuer hängen. Statt dessen hat man die Kugeln ins Feuer gelegt und erhitzt und hat sie dann um den Topf herum angeordnet und ein paar wohl auch in den Topf zum Essen dazugegeben und dadurch die Speisen erwärmt.

    Besonders fasziniert hat mich die Kunst an den Wänden. Bei den rekonstruierten Gebäuden hatte ich mich gefragt, woher man das weiß, denn in der Ausgrabung selbst habe ich nichts von Wandmalereien gesehen. Im Museum wurden aber auf einer Videotafel Beispiele gezeigt, Nachzeichnungen oder Abpausungen. Diese Bilder würden ja mit Leichtigkeit als frühe abstrakte Bilder des 20. Jhdts. Durchgehen - unglaublich!

    Im Museum gab es dann noch einige interessante Erklärungen. Z.B, das von den mehreren 100 großen Säugetieren weltweit sich nur 16 haben vom Menschen zähmen lassen. 4 davon, und das sind die bedeutendsten, Ziege, Schaf, Schwein und Rind, wurden im Gebiet des fruchtbaren Halbmonds (Mesopotamien) domestiziert und kamen mit den die Donau hinaufwandernden Völkern nach Europa. Früher dachte man ja, das Rind sei aus dem europäischen Auerochsen gezüchtet worden. Das konnte man mittels DNA-Analysen mittlerweile ausschließen.

    Die etwas merkwürdig aussehende hockende Figur zeigt auf der Vorderseite eine gebärende Frau und auf der Rückseite vielleicht ein Gerippe und zeigt damit in einer Figur den Zyklus des Lebens.

    Nach der Rückkehr beim Hotel um die Ecke noch eine pürierte Linsensuppe gegessen, in der Hoffnung, dass das darmfreundlich ist. Der winzige Straßenverkauf war in einer schmalen Straße. Der Betreiber und sein helfender Sohn haben sich unheimlich gefreut und uns später immer wieder freundlich gegrüßt, wenn wir vorbeikamen. Wahrscheinlich haben Hea-Jees Türkischkenntnisse wieder geholfen.

    Hea-Jee:
    Heute war ein wirklich schöner Tag. Die Sonne brannte stark, und das erinnerte mich auf angenehme Weise an das Wetter vor 38 Jahren, als ich an einer Ausgrabung in Mesopotamien teilnahm. Damals gab es viele Tage, an denen es im Schatten 50 Grad heiß war. Auf dem Hügel von Çayönü, wo wir arbeiteten, gab es weder Bäume noch Schatten. Und trotzdem war ich glücklich – obwohl ich den ganzen Tag unter der prallen Sonne arbeitete.

    Von dieser Ausgrabung in Çatalhöyük hatte ich durch einen Kollegen aus dem Institut für Baugeschichte erfahren, der an diesem Projekt beteiligt war. Jetzt, wo ich tatsächlich selbst hier bin, habe ich das Gefühl, als hätte ich damals auch hier mitgearbeitet. Und ich vermisse diese Zeit.

    Arnd hat heute so ausführlich und anschaulich erklärt, dass ich dem eigentlich nichts mehr hinzufügen kann. Ach doch, eine Kleinigkeit vielleicht: Die Hose, die ich heute trug, ist dieselbe, die ich damals bei der Ausgrabung in Çayönü anhatte. Sie war ursprünglich violett, aber nach der Ausgrabung – vielleicht war ihr auch zu heiß – ist sie zu einem Rosa verblasst.
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