Tag 22 - Reise

Arnd:
Heute geht es nach Ordu am schwarzen Meer. Aber das ist nur eine Zwischenstation. Wir fahren morgen weiter in Richtung Georgien. Zunächst über Nacht nach Batumi und dann gleich weiter nachRead more
Arnd:
Heute geht es nach Ordu am schwarzen Meer. Aber das ist nur eine Zwischenstation. Wir fahren morgen weiter in Richtung Georgien. Zunächst über Nacht nach Batumi und dann gleich weiter nach Tiflis.
Hea-Jee
Der Strand von Ordu am Abend war wunderschön. Auf der Wiese saßen Familien im Kreis und genossen ein Picknick, Kinder und Jugendliche fuhren fröhlich mit dem Fahrrad umher, und Kinder schrien ausgelassen auf dem Spielplatz – es wirkte alles friedlich und fröhlich.
In einem Strandcafé haben wir Pide mit Käse und lecker aussehende Desserts gegessen und dabei die wechselnden Farben des Meeres während des Sonnenuntergangs beobachtet.Read more
Arnd:
Heute gibt es viel zu sagen. Es sind 3 Themen: Ein bisschen Erklärungen zu den Bildern, die wirtschaftliche Situation in dem Ort bei Ḫattuša, Boğazkale, und das große Thema, das einen hier verfolgt: Der Zusammenbruch von Zivilisationen.
Fotos:
Wenn man zu dem Gelände der ehemaligen Stadt Ḫattuša kommt, sieht man als erstes einen rekonstruierten Abschnitt der alten Stadtmauer. Dies ist ein Stück experimentelle Archäologie, es wurde nur mit den alten Techniken gebaut. Die Form ist teilweise nach auf Keramiken gefundenen Bildern gewählt.
Hinter dem Eingang kommt der große Tempel, von dem, wie bei den meisten Gebäuden, nur die Grundmauern aus Naturstein erhalten sind. Darauf befand sich früher eine Konstruktion aus Holz und Lehm. Das Holz wurde in Löchern befestigt, die man in die Steine mit dem zur Verfügung stehenden Kupferwerkzeug gebohrt hat. In diesem Tempel findet man auch den grünen Stein, der doch recht besonders aussieht. Ihm wurden diverse Dinge zugeschrieben, er soll z.B. aus Ägypten stammen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine lokale Steinart und man weiß nicht um irgendeine besondere Bedeutung des Steins.
Das Gelände steigt im Laufe des Weges immer weiter an, wir mussten auf einem 6km langen Rundkurs knapp 300m Höhe erwandern. Wir waren etwas über 5 Stunden unterwegs. Zum Glück lag die Temperatur nur bei 30°C, aber leider ohne Schatten.
Es ging auf diesem Weg vorbei an Grundmauerresten der Stadtmauer und etlichen Stadttoren, von denen die Bögen mit den Hochachtung einflößenden Statuen noch teilweise vorhanden waren, u.a. das Löwentor, das Sphinxtor und das Königstor. Beim Sphinxtor standen außen und innen je 2 Sphingen (das scheint der Plural von Sphinx zu sein).
Die inneren waren bei einer großen Ausgrabung 1907 noch vorhanden, aber stark beschädigt. Eine wurde nach Istanbul gebracht, die andere zur Reparatur nach Berlin. Und da stand sie dann. Es kam der erste Weltkrieg, der zweite Weltkrieg, dann waren sie in der DDR und erst nach 1990 hat die Türkei stark auf Rückgabe gedrängt. Es dauerte dann noch bis 2011, bis sie endlich wieder zurückkam. Heute stehen beide im Museum in Boğazkale. Im Gelände hat man weiße Kopien angebracht.
Der obere Teil der Anlage ist erst später errichtet worden und bekam eine eigene Stadtmauer. Ganz oben wurde die noch durch eine Wallanlage erhöht. Am höchsten Punkt gibt es einen Tunnel nach draußen. Diese Tunnel heißen Poternen, es gab etliche davon, aber nur die Poterne ganz oben ist noch begehbar und ziemlich eindrucksvoll.
Wir kamen dann noch an zwei künstlichen Grotten vorbei. Eine davon ist wieder hergestellt worden, die Steine mit Hieroglyphen darauf fanden sich alle in der Umgebung wieder.
Abends sind wir noch ins Museum von Boğazkale gegangen, ein kleines aber feines Museum. Dort gibt es etliches über die Hethiter zu lernen.
Boğazkale:
Ḫattuša ist seit 1986 Unesco Weltkulturerbe. Eine Zeit lang gab es einen regen Tourismus und die lokale Bevölkerung konnte davon sicher gut leben. Zu der Zeit hätten uns unten sicher etliche Taxifahrer eine geführte Tour aufgedrängt. Heute ist davon nicht mehr viel geblieben. Als wir nach längerer Wanderung eine Pause unter einem Baum einlegten, sprach uns ein älterer Mann an. Er hütete die dort oben grasenden Rinder - und sprach etwas Englisch. In den guten Zeiten hat er ausländische Touristen geführt, jetzt gibt es keine Arbeit mehr. Er sagte auch, dass vor nicht allzu langer Zeit die ganze Gegend noch grün war mit offenem Wasser. Durch den Klimawandel ist jetzt aber alles sehr trocken geworden.
Wir waren in dem einzigen übers Internet buchbaren Hotel und auch das war eine eher traurige Geschichte. Wir waren fast die einzigen Gäste. Es gibt im Ort aber wohl noch andere Gasthäuser und die graben sich gegenseitig die Kunden ab, so dass keiner richtig davon leben kann. Als wir ankamen war dort z.B. ein französisches Filmteam mit einer jungen türkischen Reiseleiterin. Die hat sich im Restaurant nebenan, das von einem Cousin unseres Hotelbesitzer geführt wird, abwerben lassen und ist mit der ganzen Filmcrew umgezogen. Ohne dieses Hotel hätten wir diesen Ort aber wohl nicht besucht, oder zumindest nicht so gründlich anschauen können. Und der Hotelbesitzer sprach Englisch und hat uns sehr geholfen, uns zurechtzufinden. Er betreibt das Hotel allein.
Der bronzezeitliche Zusammenbruch der Zivilisation:
Die imperiale Periode des Hethitischen Reiches war zwischen 1380 und 1200 BC. Zur Zeit der größten Ausdehnung nach Süden grenzte das Reich in der Mitte des heutigen Syriens an Ägypten. Die beiden Länder haben 1259 BC einen schriftlichen Friedensvertrag geschlossen, der erhalten ist und heute als der älteste derartige Vertrag gilt und im Gebäude der UNO ausgestellt ist. Etwa um 1200 BC gab es einen plötzlichen und recht schnellen Zusammenbruch des Reiches.
Genau zu der Zeit ist aber nicht nur das Hethitische Großreich zusammengebrochen, sondern fast alle großen Zivilisationen des östlichen Mittelmeers und bis weit nach Osten. Nur die Assyrer und die Agypter haben diese Zeit überlebt, wenn auch stark geschwächt. Die große, bis heute nicht geklärte Frage ist, wie es zu diesem allgemeinen Zusammenbruch der Zivilisation kommen konnte. Und die andere Frage ist, ob wir heute gegen so etwas gefeit sind, oder ob es uns nicht ganz genauso treffen kann.
Die vielen großen und kleinen Reiche zu dieser Zeit waren eng miteinander verflochten. Sie trieben regen Handel und es gab auch kulturellen und Bevölkerungsaustausch. Der vielleicht wichtigste Stoff seinerzeit war das Zinn. Es hatte vielleicht eine mit dem heutigen Rohöl vergleichbare Bedeutung. Man braucht es um Bronze herzustellen und davon waren diese Völker vollkommen abhängig. Die nächste große Zinn-Förderstelle befand sich in Afghanistan. Das Material wurde über diese weite Entfernung gehandelt. Es lief wie heute. Alle haben mitgehandelt und mitverdient. Aus der Bronze wurden vor allem Waffen hergestellt, mit denen man sich dann bekriegt hat.
Wer sich für den Untergang von Zivilisationen interessiert, dem sei der Podcast und gleichnamige Youtube-Kanal „The Fall of Civilizations“ ans Herz gelegt. Der Brite Paul M. Cooper erzählt dort auf wunderbare Art und Weise den Aufstieg und Fall großer Zivilisationen rund um die Welt. Eine Folge ist „The Bronze Age Collapse“. Für die eiligeren hier eine Kurzform davon.
Man kennt drei große Kräfte, die die Zivilisationen zu dieser Zeit bedrängt haben. Da werden zunächst die sagenhaften „Seevölker“ genannt. Eine wohl wild zusammengewürfelte Horde von Seefahrern, die über eine beträchtliche Flotte im Mittelmeer verfügten und dort große Handelsstädte wie aus heiterem Himmel überfallen und weitgehend zerstört haben. Wer sie waren und woher sie kamen, ist nicht ganz klar. Als Herkunft genannt wird das westlichere Mittelmeer, u.a. z.B. Sardinien. Für die Städte und Staaten an der Küste war dies wohl der Hauptgrund ihres Untergangs. Aber für die Städte im Landesinneren, wie z.B. Ḫattuša kann das nicht sein.
Genau zu dieser Zeit ist der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit. Das hat mich zunächst verwirrt. Wie kann zu so chaotischen Zeiten etwas so bedeutendes wie die Erfindung der Stahlherstellung passieren? Es war aber wohl anders herum. Nachdem die Herstellung von Stahl erfunden worden war, stand nicht nur ein besseres Waffenmaterial zur Verfügung, man war zu seiner Herstellung auch nicht von diesen weiten Handelsbeziehungen abhängig. Dies war die Chance für kleinere unbedeutendere Länder, eine schlagkräftige Armee aufzubauen und gegen die großen anzutreten. Wenn die gleichzeitig aus anderen Gründen geschwächt waren, dann konnte das ihren endgültigen Untergang bedeuten. Und das ist so wohl auch mehrfach passiert.
Der dritte Grund könnten große Dürren gewesen sein, die zu dieser Zeit stattfanden und die große Hungersnöte verursacht haben. Eine mögliche Erklärung dazu liegt ganz weit entfernt. Es ist der isländische Vulkan Hekla, der zu dieser Zeit seinen wohl größten bekannten Ausbruch hatte, genannt Hekla 3. Aus Baumringanalysen weltweit ist bekannt, dass es da eine etwa 20 Jahre lange Periode mit nur sehr wenig Wachstum der Bäume gegeben hat.
Was hier zusammen kam waren hoch entwickelte Zivilisationen, die wirtschaftlich eng miteinander verflochten und voneinander abhängig waren. Diese wurden getroffen von einem Mangel an essentiellen Gütern, hier sogar Nahrung. Durch neuartige Technologien änderte sich das Kriegsspiel grundlegend. Möglicherweise waren auch die Seevölker nur aufgrund des allgemeinen Nahrungsmagels aufgebrochen, bessere Orte zum Leben zu finden.
Eine gewisse Ähnlichkeit zu unserer heutigen Zeit ist wohl gegeben. Wir haben eine global verflochtene Wirtschaft, die immer mehr von Mangel an Rohstoffen und Nahrung und von Naturkatastrophen getroffen wird, was in Zukunft immer weiter zunehmen dürfte, da wir viele Rohstoffe schon weitgehend abgebaut haben und der Klimawandel immer weiter voranschreitet.
Der zivilisatorische Zusammenhalt, der unseren Frieden ermöglicht, bröckelt zusehends, Krieg scheint wieder zum Mittel zu werden, das eigene Wohlergehen zu verbessern. Wir wissen aus der Erforschung komplexer Systeme dass, wenn das alles kritische Grenzen überschreitet, der Zusammenbruch sehr schnell passiert.
Der italienische Physiker, Blogger und Mitglied des Club of Rome Ugo Bardi nennt das den Seneca Effect: „Der Römische Philosoph Lucius Anneaus Seneca (4 BCE-65 CE) war vermutlich der erste, der die universelle Regel bemerkte, Wachstum ist langsam, aber der Ruin ist schnell“
Hea-Jee:
Es war ein sehr dichter Tag – voller Eindrücke, voller Lernen, voller Gefühle.
Obwohl Arnd sich schon im Voraus vorbereitet hatte, kaufte er sich am Eingang der Ausgrabungsstätte von Ḫattuša trotzdem noch ein Buch, las darin und erklärte mir alles ganz genau.
Ich war am Anfang noch müde vom Vortag und nicht besonders neugierig, aber je mehr ich Arnd zuhörte, desto mehr wollte ich selbst wissen.
Später gab es sogar Dinge, die ich gern genauer erforscht hätte – ich wollte an einen Stein kratzen und sogar darunter schauen. Dann fiel mir ein, dass das ja gar nicht meine Ausgrabung ist. Also hab ich schnell den Staub von den Händen geklopft und bin weitergegangen.
Ich war so müde, dass ich eigentlich Arnd allein ins Museum schicken wollte, aber dann packte mich doch die Neugier und ich bin mitgegangen. Gut so – ich hätte es sonst bereut. Dass so schöne Gegenstände aus genau den Ruinen stammen, die wir heute gesehen haben! Ich war richtig neidisch auf das Ausgrabungsteam.
Abends hat uns der Hotelbesitzer auf eine Tasse Tee eingeladen, aber ich war zu müde und habe dankend abgelehnt. Ich sagte zu Arnd, er könnte allein hingehen und sich mit dem Hotelbesitzer unterhalten. Er meinte aber, dass er lieber mit mir redet als mit dem Hotelbesitzer – und ist auch nicht gegangen. So ging ein Tag vorbei, an dem ich meinen Körper überfordert, aber meinen Kopf erfreut habe.
Ich habe mir vorgenommen: Beim nächsten Mal, wenn wir mit Gepäck unterwegs sind, sollten wir möglichst auf Taxis zurückgreifen und unsere Energie für die Besichtigungen aufsparen.Read more
TravelerHallo Arnd, ich habe über den Stein folgendes gefunden:Beschreibung: Es handelt sich um einen würfelförmigen Block aus Nephrit oder Serpentinit (beides Jademineralformen) mit einer Kantenlänge von etwa 69 Zentimetern und einem Gewicht von rund 1.000 Kilogramm. Standort: Der Stein ist in einem Raum in der Nähe des Haupteingangs des Tempels aufgestellt und ist der einzige grüne Stein in der Region. Zweck: Der genaue Zweck des Steins ist unbekannt, aber es wird angenommen, dass er eine religiöse Bedeutung hatte. Theorien reichen von einer Basis für eine Statue, einem Thron für religiöse Zeremonien oder einem zeremoniellen Altar bis hin zur Nutzung zur Zeitmessung. Herkunft: Es wird vermutet, dass der Stein aus dem Taurusgebirge stammt, das über 300 Meilen südlich von Hattusa liegt.
Arnd:
Unser nächstes Ziel ist Ḫattuša, die alte Hauptstadt des Reiches der Hethiter. Das Hethitische Großreich wurde erst Ende des 19. Jhdts. entdeckt, auch in antiker Zeit war es bereits unbekannt. Fundstücke hatte man den Ägyptern zugeschrieben. Das Großreich begann etwa 1350 BC, der Untergang geschah im frühen 12. Jhdt. BC. In seiner Blütezeit überdeckte es fast die gesamte heutige Türkei und den Norden Syriens und grenzte dort an das antike Ägypten. Die Hethiter sprachen eine Indogermanische Sprache und verwendeten die Keilschrift. Man hat in Ḫattuša etwa 30000 Keilschrifttafeln gefunden. Auch in Ägypten wurden solche Tafeln gefunden. Hethitisch ist damit die erste geschriebene indogermanische Sprache.
Ach ja, indogermanisch. Hört man immer wieder, aber es sagte mir bis vor kurzem nicht viel. Es war eine der größten Entdeckungen der Sprachwissenschaften, festzustellen, dass es zwischen dem indischen Sanskrit (genauer den meisten Sprachen in der nördlichen Hälfte Indiens) und europäischen Sprachen, u.a. auch Latein und Griechisch, eine große strukturelle Verwandschaft gibt, die nicht zufällig sein kann. Erste Entdeckungen in diese Richtung geschahen bereits im späten 16. Jhdt. Irgendwo muss sich die Mutter all dieser Sprachen entwickelt und sich dann mit den Völkerwanderungen in prähistorischer Zeit in alle Richtungen verbreitet haben. Wie das genau ablief, ist bis heute Gegenstand aktiver Forschung.
Hea-Jee:
Heute ist ein nationaler Feiertag in der Türkei: Der Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit. Er wurde eingeführt, um an den 15. Juli 2016 zu erinnern, als Bürger sich dem versuchten Militärputsch entgegenstellten und die Demokratie verteidigten. Es ist ein freudiger Gedenktag – deshalb war heute die Metro in Ankara kostenlos.
Wir haben Ankara verlassen und sind in die Kleinstadt Boğazkale weitergereist, wo sich die Ruinen der antiken Stadt Hattuša befinden. Nach dem Aussteigen aus dem Fernbus mussten wir erst einmal eine Weile zu Fuß laufen, um einen Minibus zu finden – aber es hieß, dass heute wegen des Feiertags keine Minibusse fahren. Die Türkei ist wirklich ein lustiges Land.
Am Ende nahmen wir ein Taxi zum Hotel, das wir im Voraus gebucht hatten. Es ist das einzige Hotel hier, das wir reservieren konnten – offenbar ist das ein sehr selten besuchtes Reiseziel.
Der Preis ist derselbe wie das Hotel gestern in Ankara, aber das Gebäude ist ein ganz normales, schlichtes Haus, was irgendwie angenehm war. Es gibt keine Klimaanlage, aber das Zimmer war nicht heiß. Der Wind war kühl. Vielleicht liegt es daran, dass es hier auf dem Land weniger aufgeheizten Beton gibt und viel mehr Grünflächen?
Der Hotelbesitzer rät uns ab, ins Restaurant nebenan zu gehen – das werde von seinem Cousin geführt, und sie verstehen sich nicht gut. Stattdessen empfahl er uns, im Hotel zu essen. Seine Mutter hatte ein einfaches, aber bekömmliches Hausessen gekocht. Den Preis wissen wir nicht – wir sollen einfach alles beim Auschecken bezahlen.
Die Menschen in der Türkei sind wirklich friedlich im Wesen. Wir haben bisher nie jemanden streiten oder laut werden sehen. Alle sind höflich und hilfsbereit. Sie beobachten uns nicht aufdringlich, aber wenn wir Hilfe brauchen, taucht plötzlich jemand auf und hilft ohne zu zögern. Mit solchen Menschen zusammenzuleben – das könnte ich mir in diesem Land durchaus vorstellen.Read more
Arnd:
Meine erste Orientierung, wenn ich wissen will, was irgendwo sehenswert ist, ist die Wikipedia. Da haben alle Orte ihren Platz (eine immer gleich strukturierte Seite) und dort gibt es meist den Abschnitt Tourismus. Zu Ankara ist dort nicht viel im Angebot. Im Museum für Anatolische Zivilisationen waren wir ja bereits. Bleibt als Highlight noch Ankara Kalesi, die Zitadelle von Ankara. Das war unser Hauptziel für heute. Nach dem reichhaltigen Frühstück sind wir diesmal mit dem Bus in die Gegend der Zitadelle gefahren. Die liegt in der Nähe des Museums für Anatolische Zivilisationen und da hatte uns letztes Mal ein Foto des Gebäudes gefehlt. Das wird hier nachgeliefert.
Bus fahren ist eigentlich auch ganz einfach, man muss nur herausfinden, welchen Bus man nehmen muss, und das ist meist nicht so einfach, weil es so viele davon gibt und die offiziellen Informationen nicht gut zugänglich sind. Für Ankara war tatsächlich Google Maps eine gute Informationsquelle. Bezahlt wird in Ankara für Metro und Busse einheitlich mit der Ankara Card, die man z.B. in Metrostationen kaufen und aufladen kann.
Die Zitadelle ist ein Teil eines Wohngebiets, das noch von einer alten Stadtmauer eingeschlossen ist. Die Häuser dort sehen neu und sehr einheitlich aus, sind aber in einem alten Stil gebaut. Interessant ist vor allem eine Festung in der Stadtmauer, die man besteigen kann. In den Mauern der Festung wurden auch Bruchstücke von älteren Gebäuden verbaut, was man an vielen Orten zu sehen bekommt und was ganz lustig aussieht.
Von der Festung aus hat man eine fantastische Aussicht über die Stadt. Die Hochhäuser im Zentrum gehören meist irgendwelchen Firmen und haben eine sehr individuelle Gestaltung. Die Hochhäuser am Stadtrand sind dagegen Wohngebäude, teilweise bis zu 20 Stockwerke hoch und meist in Gruppen stehend. Das ist uns aus Korea nur allzu bekannt. In diesen Hochhäusern wohnt eine neue Mittelschicht und diese Wohnform ist in Korea sehr beliebt. Das dürfte in der Türkei auch so sein. Diese Wohnform ist also nicht, wie in Deutschland, unbeliebt und gilt als minderwertig. Es sind eher gesellschaftliche Stimmungen, die da eine Rolle spielen. Bei uns hat man sowas auch gebaut, um damit preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Dann wurden diese Viertel von den sozial schwächeren Menschen erobert und hatten damit ihren Ruf weg. Wenn man aber ein Wohnraumproblem hat, wie die Großstädte in Deutschland und nicht mehr genügend Baugrund hat, dann sollte man vielleicht doch nochmal darüber nachdenken. Baut doch mal kompakte, aber hochwertige hoch gestapelte Wohnungen. Diese Häuser in der Türkei sind ziemlich neu und ein Zeichen der zunehmenden Verstädterung.
Rund um die Zitadelle gibt es Verkaufsstände für die meist türkischen Touristen. Etliche alte Frauen bieten dort handgemachte Sachen an. Auf dem Weg zurück hatte Hea-Jee noch ihren Spaß beim stöbern in einem Kleidermarkt, ich habe derweil ein paar Katzenfotos gemacht.
Nachmittags wollten wir noch ein Highlight des öffentlichen Verkehrs ausprobieren. Es gibt im Norden von Ankara Neubaugebiete, die auf höheren Hügeln errichtet wurden. Und dorthin hat man 2014 eine Seilbahn mit 4 Stationen als städtisches Nahverkehrsmittel errichtet. Sowas ist mittlerweile ein globaler Trend. Auch München hat das schon überlegt, aber leider verworfen. Ich wollte das gern mal in Aktion erleben. Also sind wir mit der Metro zur Talstation gefahren und mussten dann enttäuscht feststellen, dass die Seilbahn nicht fährt. Zurück im Hotel zeigte eine Recherche, dass die Ankaraer Architekten die Stadt wegen dem Bebauungsplan verklagt und Recht bekommen hatten. Daraufhin wurde die Seilbahn erstmal still gelegt.
Hea-Jee:
Im Vergleich zu dem Hotel, in dem wir letztes Mal in Ankara übernachtet haben, ist dieses hier richtig luxuriös. Das Zimmer, das wir über Expedia für 59 Euro gebucht hatten, kostet normalerweise 100 Euro. Wegen der schlechten Wirtschaftslage scheinen viele Zimmer leer zu stehen – also senkt man wohl inoffiziell ein wenig den Preis, um sie trotzdem zu vermieten.
Die Einrichtung ist auffällig edel, und das Frühstück war luxuriöser als in allen Hotels, in denen wir bisher übernachtet haben. Es ist erstaunlich, wie viel komfortabler das Leben wird, wenn man nur ein bisschen mehr Geld ausgibt. Arnd und ich haben über unseren Lebensstandard gesprochen. Wollen wir künftig etwas mehr Geld ausgeben, um bequemer und luxuriöser zu leben?
Wir waren uns beide sofort einig: „Nein.“
Arnd meinte, er fühle sich in diesem Ambiente einfach nicht wohl. Er fand es unangenehm, dass vor dem Hotel eine Reihe protziger, spritfressender Luxusautos geparkt war – ich musste fast lachen (er ist wirklich konsequent!). Wahrscheinlich, so meinte er, habe das Hotel die Autos zur Schau dort abgestellt.
Mir gefiel es nicht, dass ein Page unser Gepäck ins Zimmer trug – obwohl es sogar zwei Aufzüge gab. Es ging mir dabei nicht ums Trinkgeld. Wir packen unsere Taschen so, dass wir sie selbst tragen können, und hatten bislang nie ein Problem damit, auch in Hotels ohne Aufzug alles selbst zu schleppen. Wenn jemand eine Aufgabe übernimmt, die wir problemlos selbst erledigen könnten, ist das für uns kein Vorteil – und kein Grund, mehr Geld auszugeben.
Für mich lohnt es sich, etwas mehr Geld auszugeben, wenn das Zimmer und das Bad sauber sind und Klimaanlage sowie Dusche gut funktionieren. Aber nur weil Marmor und teure Materialien verwendet wurden, verbessert sich meine Lebensqualität nicht. Ich habe natürlich auch meinen Geschmack – aber der hängt nicht vom Preis der Materialien ab.
Ein vielfältiges und reichhaltiges Frühstück ist zwar schön, aber ich bin mit einfachem Essen schnell zufrieden. Das Frühstücksangebot der Hotels, die wir bisher für etwa 50 Euro gebucht haben, reicht mir völlig. Außerdem bin ich ein Gefühlsmensch: Wenn ich in einem einfachen Hotel das Gefühl habe, dass die Leute sich ehrlich Mühe geben, dann ist das für mich der beste Service.
Wir haben im Laufe unseres Lebens erfahren, dass man umso freier lebt, je weniger Geld man für den selbst festgelegten Lebensstandard braucht. Als wir als Studenten unser erstes Kind bekamen, beschlossen wir, Eltern zu sein, die ihrem Kind mehr Zeit als Geld schenken. Damit stellten wir damals die Weichen für unsere Zukunft: ein Leben mit weniger Geld.
Seitdem achten wir darauf, dass sich unser Lebensstandard nicht unbemerkt immer weiter erhöht. Wenn man dasselbe Geld ausgibt und sich dabei schlechter fühlt – ist das nicht ein Verlust? Deshalb führen wir ab und zu solche Gespräche, um uns selbst zu überprüfen.
Arnd hat heute unsere Erlebnisse mit viel Details erzählt – deshalb beende ich heutigen Eintrag mit ein paar Gedanken über Hotels und das Leben.Read more
Arnd:
Zum Abschied von Göreme nochmal ein schönes Frühstück auf dem Dachgarten mit der phantastischen Aussicht. Das Personal, insbesondere die Frauen, hatten Hea-Jee wieder ins Herz geschlossen und uns alles Gute gewünscht.
Um 12:15 ging unser Bus zurück nach Ankara. Eigentlich ist unser nächstes richtiges Ziel nur etwa 200km entfernt, aber es ist nicht einfach, von Göreme aus direkt dahin zu fahren. Wir haben keine Eile. Wie schon früher erwähnt, müssen wir von Tiflis in Georgien aus ein Stück weit fliegen. Den Flug haben wir für den 26.7. gebucht. Wir können uns also nur aussuchen, wo wir die Zeit bis dahin verbringen wollen.
Wir bleiben jetzt nochmal einen Tag in Ankara und schauen uns die Stadt noch etwas an. Das erste Mal war ich krank und wir haben fast nichts gesehen.
Hea-Jee:
Wie gut, dass wir wieder nach Ankara gekommen sind. Beim letzten Mal war Arnd krank, und wir hatten auch sonst keine große Sympathie für die Stadt. Damals dachten wir, Ankara sei nur ein Verkehrsknotenpunkt – ein Zwischenstopp auf dem Weg, vielleicht mit einem Besuch im weltberühmten archäologischen Museum.
Außerdem hegten wir Vorurteile gegenüber der Stadt: Als Hochburg des autoritären Präsidenten erwarteten wir eher konservative und verschlossene Menschen. Doch schon in der ersten Nacht sahen wir eine völlig andere Welt.
Im Gegensatz zum letzten Mal wohnten wir diesmal mitten im Stadtzentrum. Kaum war die Sonne untergegangen und wir verließen unser Hotel, begrüßte uns eine lebendige, junge Abendstimmung. Überall waren junge Männer und Frauen zu sehen, die ihr Leben genossen – mit all der Leichtigkeit eines Feierabends. Auch die Frauen zeigten sich selbstbewusst und modern, viele trugen Minirock oder bauchfreie Tops, ganz wie junge Frauen im Westen – und das ohne Kopftuch.
Auffällig waren die vielen mobilen Lottostände auf der Straße. Menschen versammelten sich um die Tische, um Lose zu kaufen und zu rubbeln. Arnd meinte, dass Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eher zum Glücksspiel greifen. Ob das wirklich der Grund ist oder ob die Türken einfach eine traditionelle Vorliebe für solche Spiele haben, kann ich nicht sagen. Fest steht jedoch: Die Inflation ist enorm, und das Leben für die einfachen Leute ist hart geworden.
Da Ankara kaum ausländische Touristen anzieht, sind die Preise noch stark auf Einheimische zugeschnitten – und entsprechend günstig. Ein Menü aus zwei Lahmacun (eine Art türkischer Flammkuchen) und ein Ayran kostet nur 99 Lira. Umgerechnet haben wir etwa 2,50 Euro für ein richtig leckeres Abendessen zu zweit bezahlt.
Besonders auffällig günstig waren die öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Fahrt mit der Metro kostete nur 12,5 Lira – also etwa 27 Cent. Im Vergleich zu München, wo ein Einzelticket stolze 4,10 Euro kostet, ist das geradezu 15-mal günstiger. Vermutlich wird der Nahverkehr stark subventioniert. Man fragt sich, wie der Staat das finanziert – aber immerhin ermöglicht es so auch Menschen mit wenig Einkommen, mobil zu bleiben und am Wirtschaftsleben teilzunehmen.
Arnd hatte das öffentliche Verkehrsnetz von Ankara im Handumdrehen durchschaut. Mit echter Begeisterung lernte er alles, als wolle er künftig als Reiseleiter in der Türkei arbeiten.Read more
Arnd:
Schon bei der Hinfahrt nach Göreme kamen wir an einem recht spektakulären Felsen im Nachbarort von Göreme vorbei, dem Burgfelsen von Uçhisar. Den wollten wir uns gern noch genauer anschauen. Am Göremer Busbahnhof haben wir erfahren, dass alle 30 Minuten ein Bus dorthin fährt. Meine Karten-App, die ich auch für Planungen von z.B. Bergwanderungen verwende, hat mir dann noch gesagt, dass es da zurück einen ganz schönen Fußweg von etwa 3km Länge gibt. Unser Plan: Am späten Nachmittag, nach der größten Hitze, fahren wir per Bus nach Uçhisar und schauen uns das an.
Die „Burg“ ist natürlich eine Touristenattraktion. Man kann hinein und bis oben hinauf klettern, wo es eine tolle Aussicht gibt. Der Felsen ist die höchste Erhebung weit und breit. Natürlich haben wir auch schöne Fotos gemacht.
Der Fußweg zurück war wunderschön. Wir haben nochmal interessante Felsformationen aus nächster Nähe gesehen. Wir mussten dabei etwa 300m absteigen und das war für Hea-Jee etwas schwierig. Der Weg war teilweise steil und von einer Art Sand, abgeriebenem Tuff, bedeckt und deshalb rutschig. Und Hea-Jee hatte nicht die besten Schuhe für diesen Zweck. Aber mit meiner Hilfe sind wir heil heruntergekommen.
Übrigens schönen Dank an Monika für die hier sehr praktische Mondrian-Tasche!
Hea-Jee:
Vor ein paar Tagen war ich innerlich ein bisschen genervt. Bei der brütenden Hitze hatte Arnd vorgeschlagen, einen Spaziergang auf einen Hügel zu machen – was für mich eher eine kleine Wanderung war. Arnd, der nichts von meiner schlechten Laune merkte, erzählte auch noch begeistert, dass es eine mehrstündige „geführte Wanderung“ gebe, die in Touristenführern empfohlen werde – mit sehr guten Bewertungen.
Ich meinte schroff, solche Touren seien nichts für den Hochsommer, sondern eher für kühlere Tage gedacht. Während ich das sagte, dachte ich insgeheim: Wer macht denn bitte bei dieser Hitze so was?
Heute standen wir oben auf dem Burgfelsen von Uçhisar und blickten auf die atemberaubende Landschaft hinunter. Plötzlich fiel mein Blick auf ein besonders schönes Dorf, eingebettet zwischen weißen Felsformationen. Und das war tatsächlich Göreme, der Ort, in dem wir übernachten. Man könnte durch die bizarr geschwungenen Felsen dorthin zurückwandern. Was, das ist der Weg, den wir heute gehen wollen?
Vielleicht lag es daran, dass die Sonne langsam an Kraft verlor, oder daran, dass ich mir kurz vorher am Straßenrand einen Becher voll gesalzenem Mais gegönnt hatte – auf jeden Fall fühlte ich mich plötzlich voller Energie und Vorfreude. Ich schnürte meine Lieblingslaufschuhe fest und machte mich bereit.
Der Weg war noch schöner, als ich ihn mir von oben vorgestellt hatte. Nur, wenn es steil wurde, war es ziemlich rutschig. Ich sehnte mich nach meinen Wanderschuhen, die zu Hause geblieben waren. Ich rutschte aus, fiel auf den Po und schürfte mir dabei auch noch die Hand auf. Zum Glück konnte ich mich an Arnds Hand festhalten und kam so halbwegs heil unten an.
Normalerweise hätte ich Arnd vielleicht unfreundlich gefragt, warum er mich über so einen gefährlichen Weg geschleppt hat – aber heute war ich einfach zufrieden. Es war ein tolles Erlebnis, fast noch schöner als die Ballonfahrt gestern.
Und jetzt frage ich mich plötzlich: War dieser Wanderweg heute nicht genau die Tour, die Arnd vor ein paar Tagen erwähnt hatte – die ich damals so schnippisch abgelehnt habe?Read more
Arnd:
In Göreme werden Ausflugstouren angeboten, auf denen man eine Reihe von Attraktionen gezeigt bekommt. Sie dauern 6 Stunden, der Transport im Kleinbus und ein Mittagessen sind enthalten. Der Preis dafür ist 60€ pro Person. Auf einen so langen Ausflug hatten wir allerdings bei der Hitze keine Lust und wir befürchten auch, dass die Zeit bei jeder Attraktion sehr knapp bemessen ist. Was uns noch interessierte, war eine der unterirdischen „Städte“ zu sehen. Das haben wir uns privat organisiert und hatten dann 1 1/2 Stunden Zeit, um es gründlich anzuschauen.
Der Boden hier in der Gegend besteht überall aus diesem weichen Tuff-Gestein, in das man leicht Hohlräume graben kann. Es ist wohl nicht ganz sicher, wann es begann, hier eine ganze Stadt zu errichten. Es gibt Vermutungen, dass die Anfänge schon auf die Hethiter zurückgehen, die vor etwa 3000 Jahren diese Gegend besiedelten. Diese Städte waren nicht dauerhaft besiedelt, sondern dienten als kurzfristiger Rückzugsort, wenn mal wieder feindliches Militär die Gegend unsicher machte. Ab dem 2. Jahrhundert lebten hier Christen. Zur Erinnerung, das römische Reich war zu der Zeit noch nicht in West und Ost geteilt und auch noch nicht christianisiert.
Der erste Laden, bei dem wir nach einer Exkursion nur nach so einer unterirdischen Stadt gefragt haben, meinte, wir sollten einfach ein Taxi nehmen, was wir am Ende auch getan haben. Wir sind am Tag vorher zum Taxistand gegangen und haben gefragt. Der Preis war gut 50€. Dafür wurden wir zum vereinbarten Termin beim Hotel abgeholt, die 30km zu unserem Ziel gefahren. Der Taxifahrer hat 1 1/2 Stunden auf uns gewartet und uns wieder nach Hause gebracht. Ein typischer Job hier.
Unser Ziel hieß Kaymaklı. Wir haben hier ein paar Bilder eingestellt, die Erklärungen findet man besser in der Wikipedia:
Deutsch: https://de.wikipedia.org/wiki/Kaymaklı
Englisch: https://en.wikipedia.org/wiki/Kaymakli_undergro…
Da gab es auch noch einen Link auf ein (deutsches) pdf mit mehr Informationen und vor allem einigen Illustrationen, die zeigen, wie das Leben dort ausgesehen haben mag:
http://www.mineral-exploration.com/mepub/kaymak…
Hea-Jee:
Die unterirdische Stadt ist dafür bekannt, dass frühe Christen sich hier zeitweise versteckten, um den Verfolgungen durch das Römische Reich zu entkommen und als Glaubensgemeinschaft zusammenzuleben. Auch danach diente sie bis ins 19. Jahrhundert hinein bei feindlichen Überfällen immer wieder als Schutzraum für die Bewohner. In friedlicheren Zeiten wurde sie als kühles Lager für Wein oder sogar als Stall genutzt.
Der Teil, den wir besichtigt haben – also der für Touristen freigelegte Bereich – macht laut Angaben nur ein Zehntel der ursprünglich existierenden Stadt aus. Die tatsächliche Größe verdient also mit Recht die Bezeichnung „Stadt“. Laut unserem Guide lebten hier einst mehr als 5000 Menschen.
Vom Eingang, der in den Felsen gehauen ist, geht es zunächst hinab zu Stallungen, etwas tiefer befinden sich Kapellen und Priesterzimmer, dann folgen Wohnräume. Wieder ein Tunnel, dann erneut Wohnräume – so geht es immer weiter, bis man schließlich eine Tiefe von etwa 60 Metern erreicht.
Einige Gebrauchsgegenstände wie Mühlsteine wurden zur Veranschaulichung aufgestellt, doch ohne die Beschriftungen an den Wänden und die Erklärungen des Guides wäre es schwer gewesen, sich das damalige Leben vorzustellen.
Besonders faszinierend war zu sehen, wie grundlegende Bedürfnisse wie Wasser, Luft und Licht in dieser unterirdischen Stadt gedeckt wurden. Das Wasser stammte aus tiefen Brunnen, die bis ins Grundwasser reichten. Die Luft wurde durch ein ausgeklügeltes Belüftungssystem, das wie riesige Kamine gebaut war, bis in die tiefsten Bereiche geleitet. Für Licht sorgten kleine Nischen in den Wänden, in die man Leinsamenöl-Lampen stellte.
Es gab sogar eine Küche. Im Boden war ein großes, fassähnliches Loch gegraben, in dem Feuer gemacht wurde – an dessen Wand klebte man Teigfladen, ähnlich einem Tandoori-Ofen. Wegen des Rauchs und der Gefahr entdeckt zu werden, wurde nur nachts gekocht – und das auch nur ein- bis zweimal pro Woche. Lebensmittel wurden so weit wie möglich in getrockneter Form für lange Zeit gelagert.
Gelegentlich stießen wir auf enge, lange Tunnel, durch die gerade einmal eine Person gebückt hindurch passte. Diese engen Durchgänge dienten der Verteidigung – damit im Ernstfall die Feinde nur einzeln eindringen und leichter abgewehrt werden konnten.
Erstaunlicherweise stellte sich mir nicht die Frage, wie die Menschen mit Konflikten umgingen, die durch das lange Zusammenleben in engen Verstecken entstanden sein könnten. Ich stelle mir vor: In einer Umgebung, in der das bloße Überleben im Mittelpunkt stand, schienen zwischenmenschliche Spannungen kaum Raum zu haben – fast wie ein Luxus. Vielleicht mussten unsere Vorfahren sich notgedrungen aufeinander verlassen, einander unterstützen – einfach, um als Gemeinschaft überleben zu können.Read more
Arnd:
Nachdem das Hauptereignis des Tages schon vor dem Frühstück zu Ende war, haben wir noch eine zweite Unternehmung gemacht. Etwas außerhalb des Ortes gibt es ein Freilichtmuseum mit Höhlenbauten, das zum Unesco Weltkulturerbe gehört.
Das sind alles Kirchen und ein Männer- und ein Frauenkloster. Die ältesten Höhlen stammen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Spätere waren aus dem 11. Jhdt. Die Räume waren ziemlich klein, heute würde man das eher Kapellen nennen. Die Struktur der Räume mit Bögen, Säulen und sogar Kuppeln (in die Decken gehauene Halbkugeln) und die Bemahlung mit biblischen Geschichten war aber durchaus aufwändig.
Aber es haben auch nicht viele Menschen dort gelebt. Leider war es nicht erlaubt, in den Kirchen zu fotografieren, nur in undekorierten Räumen, z.B. in einem Speisesaal mir einer interessanten Konstruktion eines langen Tisches mit Sitzgelegenheit.
Hea-Jee:
Am Nachmittag fuhren wir mit dem Taxi zum Freilichtmuseum. Wir dachten zunächst, es handle sich um ein geologisches Museum, aber es war ein Ort mit in den Fels gehauenen Kirchen, Kapellen und Klöstern. Da religiöse Gebäude oft auch Grabstätten enthalten, gab es dort auch Höhlen, in deren Felsboden lange Gruben gehauen waren – gerade groß genug, dass ein Mensch hineinpasst. (Früher glaubte man, wer neben der Kirche beerdigt wird, komme in den Himmel – deshalb gab es fast immer einen Friedhof neben der Kirche.)
Viele Wandmalereien wurden mühsam restauriert. Bei nicht restaurierten Fresken konnte man erkennen, dass sie zum Teil durch natürliche Erosion, aber auch durch menschliche Einwirkung beschädigt worden waren – viele hatten einfach hineingekratzt oder ihren Namen eingeritzt. Der Mensch ist manchmal wirklich gedankenlos.
Mit Hilfe des Audioguides versuchten wir uns vorzustellen, wie die Menschen damals hier gelebt haben könnten.
Es war unglaublich heiß – gefühlt bestimmt 38 Grad. Wir sind mit einem Sonnenschirm herumgelaufen. Für das am besten restaurierte Gebäude hätte man noch einen zusätzlichen Eintritt zahlen müssen, aber es war nicht das Geld, sondern die Hitze, die uns davon abgehalten hat. Also fuhren wir einfach wieder mit dem Taxi zurück ins Hotel.Read more
Arnd:
Es sind wohl etwa 160 Ballone, die bei einem Flugtag abheben. Es gibt also ein riesiges Angebot. Allgemein ist es in der Türkei aber auch noch so, dass es hier viele geschäftstüchtige Leute gibt, die sich gern als Zwischenhändler etwas dazu verdienen. Auf die Weise kann man hier auch mal viel zu viel bezahlen. Schwierig!
Ich hatte länger im Internet gesucht und auch da gibt es eine große Preisspanne, ohne dass ein bedeutender Unterschied erkennbar wäre (zw. 120€ und 250€). Nachdem ich ein günstiges Angebot gefunden hatte, sind wir zu dem im Angebot angegebenen Treffpunkt gegangen. Treffpunkt ist ungewöhnlich, da man bei fast allen Angeboten vom Hotel abgeholt wird. Aber der Treffpunkt war auch nur 3 Minuten zu Fuß von unserem Hotel entfernt, also warum für etwas zahlen, was man nicht braucht? Am Treffpunkt gab es einen Shop eines Ballontourverkäufers, aber der war geschlossen. Und zwar von den Behörden wegen illegalem Devisenhandel - stand so auf einem offiziellen Papier an der Tür.
Also sind wir mal versuchsweise um die Ecke zum nächsten Laden gegangen und haben einfach gefragt. Der Mann sagte uns sofort einen Preis, der weit niedriger als alles war, was ich bis dahin gesehen hatte. Es kann eigentlich nur ein Last Minute Angebot gewesen sein. 60 € pro Person!Zahlung in Cash, per Kreditkarte gegen 15€ Aufpreis, weil angeblich die Banken soviel abzweigen. Aber diesen Cash „Rabatt“ haben alle, also wird das wohl so in Ordnung sein. Deshalb mussten wir nochmal schräg über die Straße zum nächsten Geldautomaten und unseren Bargeldvorat aufstocken und haben die Sache dann fix gemacht. Es wurde dann eine WhatsApp Verbindung hergestellt und darüber erhielten wir, wie angekündigt, Abends den Abholzeitpunkt mitgeteilt: 3:40.
Unser Ballonabenteuer begann also mit dem Abholen um 3:40. Ein Kleinbus holt die Gäste bei ihren Hotels ab. Als wir dann nach einiger Zeit zum Startplatz kamen, lag der Ballon noch am Boden und wurde gerade mit einem großen Ventilator aufgeblasen. Nachdem der Ballon und vor allem die Öffnung unten groß genug war, konnten sie den Flammenwerfer anmachen und die Luft im Inneren erhitzen. Dann ging eigentlich alles ziemlich schnell. Der Ballon ging nach oben, der auf der Seite liegende Korb kippte in die aufrechte Lage und unser Guide, der uns abgeholt hatte, rief sofort zum einsteigen. Dazu musste man über die Brüstung des Korbes klettern, was vor allem für ältere nicht ganz einfach war, aber es wurde geholfen. Der Korb war unterteilt in 8 Gästeabteile und das zentrale Abteil für den Ballonführer und seine Assistentin. Durch die Unterteilungen ist er stabiler, aber vor allem laufen die Gäste nicht kreuz und quer herum, was ganz schlecht für die Flugstabilität wäre. Wir wurden sogar ermahnt, uns nicht innerhalb unseres Teilkorbes zu bewegen.
Dann dauerte es nicht mehr lange und wir hoben so gegen 4:30 fast unmerkbar ab. Man merkt keine Beschleunigung, aber es ging dann doch ziemlich schnell nach oben, erstmal bis auf 500m. Der Ballonführer meinte, in Bodennähe sei es aber eigentlich viel schöner. Also schwebten wir noch einige Zeit zwischen den bizarren Felsformationen und auch knapp über die Häuser hinweg. Ich hatte meinen GPS Tracker mitlaufen lassen und der zeigte mir nachher, dass wir eigentlich einmal über den Ort geflogen sind und dabei einen Abstecher in ein Tal und wieder zurück gemacht haben. Also kann man so einen Ballon wohl doch etwas steuern. Der Flug dauerte ungefähr eine Stunde.
Für die Landung hatte der Ballonführer Funkkontakt mit der Bodentruppe. Die kamen irgendwann mit dem Auto und einem langen Anhänger am Boden angebraust. Als wir in der Nähe waren, wurden Leinen heruntergeworfen und drei Männer am Boden konnten den noch schwebenden Ballon zum Anhänger ziehen und den Korb präzise darauf absetzen. Dann wurde der Ballon entlüftet und wir durften aussteigen. Es gab noch eine Abschiedszeremonie mit Sektumtrunk (Alkohohlfrei) und wir wurden wieder ins Hotel gebracht, immer noch zwei Stunden vor der Frühstückszeit.
Es war ein tolles Erlebnis, unbedingt zu empfehlen. Es gibt aber wohl nicht viele Orte auf diesem Planeten, wo das derartig effizient durchorganisiert und deshalb eigentlich recht preisgünstig ist, selbst wenn man den vollen Preis bezahlt.
Hea-Jee:
Der Preis, den wir vereinbart hatten, war so günstig, dass ich mich fragte, ob es sich vielleicht um ein schlechtes Billigprodukt handeln könnte – aber das war nicht der Fall.
Und es war wirklich großartig. Die einzigartige Landschaft, die man von oben betrachten konnte, war beeindruckend, aber noch schöner war, dass ich nicht allein war – überall um mich herum stiegen unzählige Heißluftballons gleichzeitig auf und schwebten gemeinsam durch die Luft.
Die runden Ballons, die nur ab und zu beim Entzünden des Feuers in hellem Licht aufleuchteten, schwebten mit mir durch den noch dunklen Morgendämmerungshimmel. Es war echt ein ganz besonderes Erlebnis.Read more
Arnd:
4:50 aufgestanden zum Ballonschauen. Um 5:00 waren wir auf dem Dach und die Ballone waren schon da, aber noch niedrig. Außerdem ging die Sonne erst um 5:40 auf, es herrschte also Dämmerung. Es war spektakulär. Leider kann man das in den Fotos nicht so gut einfangen, da die Ballone nur dann schön leuchten, wenn sie den Gasbrenner anmachen und das tun sie nur wenig und niemals viele gleichzeitig. Später kam ein Mann mit einer Drohne aufs Dach und hat auch für uns einen Film gedreht und per WhatsApp geschickt.
Nach dem Frühstück auf eine Anhöhe spaziert, von der man tolle Ausblicke in verschiedene Richtungen hatte. Obwohl noch vormittag war es schon extrem heiß und wir waren die meiste Zeit in der Sonne. Unten dann noch ein Mittagessen. Hea-Jee ist ein großer Fan von Ayran und den bekommt man hier mit Schaumkrone aus der Ayranmaschine.
Später noch einen Ballonflug für uns für morgen organisiert. Wir werden vom Hotel abgeholt - um 3:40. Gute Nacht!
Hea-Jee:
Arnd hat geschrieben, dass wir morgens einen Spaziergang auf eine Anhöhe gemacht haben. Aber ich finde, es war eher eine kleine Bergwanderung. Ehrlich gesagt war das Wetter viel zu heiß.
Aber oben angekommen war die Landschaft einfach mystisch – die Formen der Felsen und die Aussicht waren atemberaubend. Es hat richtig Spaß gemacht, die Felsen und Gesteinsschichten zu beobachten und geologisch ein bisschen Detektiv zu spielen.
Wir haben begeistert miteinander diskutiert. Wir haben anhand der Oberfläche unsere eigene Theorie entwickelt, wie die Gesteine auf diese Weise erodiert sein könnten. Auf einem Foto sieht es so aus, als ob gerade ein Babykegel entsteht.
Bei der Hitze sind wir, glaube ich, beide ein bisschen durchgedreht. Am Nachmittag haben wir uns dann einfach im kühlen Hotelzimmer ausgeruht und entspannt.
Morgen früh fahren wir mit dem Heißluftballon und am Vormittag wollen wir ins geologische Museum fahren. Mal sehen, ob unsere Theorie stimmt!Read more