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- Day 21
- Wednesday, July 16, 2025
- ☀️ 30 °C
- Altitude: 1,192 m
TurkeyBoğazkale40°0’42” N 34°36’56” E
Tag 21 - Ḫattuša

Arnd:
Heute gibt es viel zu sagen. Es sind 3 Themen: Ein bisschen Erklärungen zu den Bildern, die wirtschaftliche Situation in dem Ort bei Ḫattuša, Boğazkale, und das große Thema, das einen hier verfolgt: Der Zusammenbruch von Zivilisationen.
Fotos:
Wenn man zu dem Gelände der ehemaligen Stadt Ḫattuša kommt, sieht man als erstes einen rekonstruierten Abschnitt der alten Stadtmauer. Dies ist ein Stück experimentelle Archäologie, es wurde nur mit den alten Techniken gebaut. Die Form ist teilweise nach auf Keramiken gefundenen Bildern gewählt.
Hinter dem Eingang kommt der große Tempel, von dem, wie bei den meisten Gebäuden, nur die Grundmauern aus Naturstein erhalten sind. Darauf befand sich früher eine Konstruktion aus Holz und Lehm. Das Holz wurde in Löchern befestigt, die man in die Steine mit dem zur Verfügung stehenden Kupferwerkzeug gebohrt hat. In diesem Tempel findet man auch den grünen Stein, der doch recht besonders aussieht. Ihm wurden diverse Dinge zugeschrieben, er soll z.B. aus Ägypten stammen. Tatsächlich handelt es sich aber um eine lokale Steinart und man weiß nicht um irgendeine besondere Bedeutung des Steins.
Das Gelände steigt im Laufe des Weges immer weiter an, wir mussten auf einem 6km langen Rundkurs knapp 300m Höhe erwandern. Wir waren etwas über 5 Stunden unterwegs. Zum Glück lag die Temperatur nur bei 30°C, aber leider ohne Schatten.
Es ging auf diesem Weg vorbei an Grundmauerresten der Stadtmauer und etlichen Stadttoren, von denen die Bögen mit den Hochachtung einflößenden Statuen noch teilweise vorhanden waren, u.a. das Löwentor, das Sphinxtor und das Königstor. Beim Sphinxtor standen außen und innen je 2 Sphingen (das scheint der Plural von Sphinx zu sein).
Die inneren waren bei einer großen Ausgrabung 1907 noch vorhanden, aber stark beschädigt. Eine wurde nach Istanbul gebracht, die andere zur Reparatur nach Berlin. Und da stand sie dann. Es kam der erste Weltkrieg, der zweite Weltkrieg, dann waren sie in der DDR und erst nach 1990 hat die Türkei stark auf Rückgabe gedrängt. Es dauerte dann noch bis 2011, bis sie endlich wieder zurückkam. Heute stehen beide im Museum in Boğazkale. Im Gelände hat man weiße Kopien angebracht.
Der obere Teil der Anlage ist erst später errichtet worden und bekam eine eigene Stadtmauer. Ganz oben wurde die noch durch eine Wallanlage erhöht. Am höchsten Punkt gibt es einen Tunnel nach draußen. Diese Tunnel heißen Poternen, es gab etliche davon, aber nur die Poterne ganz oben ist noch begehbar und ziemlich eindrucksvoll.
Wir kamen dann noch an zwei künstlichen Grotten vorbei. Eine davon ist wieder hergestellt worden, die Steine mit Hieroglyphen darauf fanden sich alle in der Umgebung wieder.
Abends sind wir noch ins Museum von Boğazkale gegangen, ein kleines aber feines Museum. Dort gibt es etliches über die Hethiter zu lernen.
Boğazkale:
Ḫattuša ist seit 1986 Unesco Weltkulturerbe. Eine Zeit lang gab es einen regen Tourismus und die lokale Bevölkerung konnte davon sicher gut leben. Zu der Zeit hätten uns unten sicher etliche Taxifahrer eine geführte Tour aufgedrängt. Heute ist davon nicht mehr viel geblieben. Als wir nach längerer Wanderung eine Pause unter einem Baum einlegten, sprach uns ein älterer Mann an. Er hütete die dort oben grasenden Rinder - und sprach etwas Englisch. In den guten Zeiten hat er ausländische Touristen geführt, jetzt gibt es keine Arbeit mehr. Er sagte auch, dass vor nicht allzu langer Zeit die ganze Gegend noch grün war mit offenem Wasser. Durch den Klimawandel ist jetzt aber alles sehr trocken geworden.
Wir waren in dem einzigen übers Internet buchbaren Hotel und auch das war eine eher traurige Geschichte. Wir waren fast die einzigen Gäste. Es gibt im Ort aber wohl noch andere Gasthäuser und die graben sich gegenseitig die Kunden ab, so dass keiner richtig davon leben kann. Als wir ankamen war dort z.B. ein französisches Filmteam mit einer jungen türkischen Reiseleiterin. Die hat sich im Restaurant nebenan, das von einem Cousin unseres Hotelbesitzer geführt wird, abwerben lassen und ist mit der ganzen Filmcrew umgezogen. Ohne dieses Hotel hätten wir diesen Ort aber wohl nicht besucht, oder zumindest nicht so gründlich anschauen können. Und der Hotelbesitzer sprach Englisch und hat uns sehr geholfen, uns zurechtzufinden. Er betreibt das Hotel allein.
Der bronzezeitliche Zusammenbruch der Zivilisation:
Die imperiale Periode des Hethitischen Reiches war zwischen 1380 und 1200 BC. Zur Zeit der größten Ausdehnung nach Süden grenzte das Reich in der Mitte des heutigen Syriens an Ägypten. Die beiden Länder haben 1259 BC einen schriftlichen Friedensvertrag geschlossen, der erhalten ist und heute als der älteste derartige Vertrag gilt und im Gebäude der UNO ausgestellt ist. Etwa um 1200 BC gab es einen plötzlichen und recht schnellen Zusammenbruch des Reiches.
Genau zu der Zeit ist aber nicht nur das Hethitische Großreich zusammengebrochen, sondern fast alle großen Zivilisationen des östlichen Mittelmeers und bis weit nach Osten. Nur die Assyrer und die Agypter haben diese Zeit überlebt, wenn auch stark geschwächt. Die große, bis heute nicht geklärte Frage ist, wie es zu diesem allgemeinen Zusammenbruch der Zivilisation kommen konnte. Und die andere Frage ist, ob wir heute gegen so etwas gefeit sind, oder ob es uns nicht ganz genauso treffen kann.
Die vielen großen und kleinen Reiche zu dieser Zeit waren eng miteinander verflochten. Sie trieben regen Handel und es gab auch kulturellen und Bevölkerungsaustausch. Der vielleicht wichtigste Stoff seinerzeit war das Zinn. Es hatte vielleicht eine mit dem heutigen Rohöl vergleichbare Bedeutung. Man braucht es um Bronze herzustellen und davon waren diese Völker vollkommen abhängig. Die nächste große Zinn-Förderstelle befand sich in Afghanistan. Das Material wurde über diese weite Entfernung gehandelt. Es lief wie heute. Alle haben mitgehandelt und mitverdient. Aus der Bronze wurden vor allem Waffen hergestellt, mit denen man sich dann bekriegt hat.
Wer sich für den Untergang von Zivilisationen interessiert, dem sei der Podcast und gleichnamige Youtube-Kanal „The Fall of Civilizations“ ans Herz gelegt. Der Brite Paul M. Cooper erzählt dort auf wunderbare Art und Weise den Aufstieg und Fall großer Zivilisationen rund um die Welt. Eine Folge ist „The Bronze Age Collapse“. Für die eiligeren hier eine Kurzform davon.
Man kennt drei große Kräfte, die die Zivilisationen zu dieser Zeit bedrängt haben. Da werden zunächst die sagenhaften „Seevölker“ genannt. Eine wohl wild zusammengewürfelte Horde von Seefahrern, die über eine beträchtliche Flotte im Mittelmeer verfügten und dort große Handelsstädte wie aus heiterem Himmel überfallen und weitgehend zerstört haben. Wer sie waren und woher sie kamen, ist nicht ganz klar. Als Herkunft genannt wird das westlichere Mittelmeer, u.a. z.B. Sardinien. Für die Städte und Staaten an der Küste war dies wohl der Hauptgrund ihres Untergangs. Aber für die Städte im Landesinneren, wie z.B. Ḫattuša kann das nicht sein.
Genau zu dieser Zeit ist der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit. Das hat mich zunächst verwirrt. Wie kann zu so chaotischen Zeiten etwas so bedeutendes wie die Erfindung der Stahlherstellung passieren? Es war aber wohl anders herum. Nachdem die Herstellung von Stahl erfunden worden war, stand nicht nur ein besseres Waffenmaterial zur Verfügung, man war zu seiner Herstellung auch nicht von diesen weiten Handelsbeziehungen abhängig. Dies war die Chance für kleinere unbedeutendere Länder, eine schlagkräftige Armee aufzubauen und gegen die großen anzutreten. Wenn die gleichzeitig aus anderen Gründen geschwächt waren, dann konnte das ihren endgültigen Untergang bedeuten. Und das ist so wohl auch mehrfach passiert.
Der dritte Grund könnten große Dürren gewesen sein, die zu dieser Zeit stattfanden und die große Hungersnöte verursacht haben. Eine mögliche Erklärung dazu liegt ganz weit entfernt. Es ist der isländische Vulkan Hekla, der zu dieser Zeit seinen wohl größten bekannten Ausbruch hatte, genannt Hekla 3. Aus Baumringanalysen weltweit ist bekannt, dass es da eine etwa 20 Jahre lange Periode mit nur sehr wenig Wachstum der Bäume gegeben hat.
Was hier zusammen kam waren hoch entwickelte Zivilisationen, die wirtschaftlich eng miteinander verflochten und voneinander abhängig waren. Diese wurden getroffen von einem Mangel an essentiellen Gütern, hier sogar Nahrung. Durch neuartige Technologien änderte sich das Kriegsspiel grundlegend. Möglicherweise waren auch die Seevölker nur aufgrund des allgemeinen Nahrungsmagels aufgebrochen, bessere Orte zum Leben zu finden.
Eine gewisse Ähnlichkeit zu unserer heutigen Zeit ist wohl gegeben. Wir haben eine global verflochtene Wirtschaft, die immer mehr von Mangel an Rohstoffen und Nahrung und von Naturkatastrophen getroffen wird, was in Zukunft immer weiter zunehmen dürfte, da wir viele Rohstoffe schon weitgehend abgebaut haben und der Klimawandel immer weiter voranschreitet.
Der zivilisatorische Zusammenhalt, der unseren Frieden ermöglicht, bröckelt zusehends, Krieg scheint wieder zum Mittel zu werden, das eigene Wohlergehen zu verbessern. Wir wissen aus der Erforschung komplexer Systeme dass, wenn das alles kritische Grenzen überschreitet, der Zusammenbruch sehr schnell passiert.
Der italienische Physiker, Blogger und Mitglied des Club of Rome Ugo Bardi nennt das den Seneca Effect: „Der Römische Philosoph Lucius Anneaus Seneca (4 BCE-65 CE) war vermutlich der erste, der die universelle Regel bemerkte, Wachstum ist langsam, aber der Ruin ist schnell“
Hea-Jee:
Es war ein sehr dichter Tag – voller Eindrücke, voller Lernen, voller Gefühle.
Obwohl Arnd sich schon im Voraus vorbereitet hatte, kaufte er sich am Eingang der Ausgrabungsstätte von Ḫattuša trotzdem noch ein Buch, las darin und erklärte mir alles ganz genau.
Ich war am Anfang noch müde vom Vortag und nicht besonders neugierig, aber je mehr ich Arnd zuhörte, desto mehr wollte ich selbst wissen.
Später gab es sogar Dinge, die ich gern genauer erforscht hätte – ich wollte an einen Stein kratzen und sogar darunter schauen. Dann fiel mir ein, dass das ja gar nicht meine Ausgrabung ist. Also hab ich schnell den Staub von den Händen geklopft und bin weitergegangen.
Ich war so müde, dass ich eigentlich Arnd allein ins Museum schicken wollte, aber dann packte mich doch die Neugier und ich bin mitgegangen. Gut so – ich hätte es sonst bereut. Dass so schöne Gegenstände aus genau den Ruinen stammen, die wir heute gesehen haben! Ich war richtig neidisch auf das Ausgrabungsteam.
Abends hat uns der Hotelbesitzer auf eine Tasse Tee eingeladen, aber ich war zu müde und habe dankend abgelehnt. Ich sagte zu Arnd, er könnte allein hingehen und sich mit dem Hotelbesitzer unterhalten. Er meinte aber, dass er lieber mit mir redet als mit dem Hotelbesitzer – und ist auch nicht gegangen. So ging ein Tag vorbei, an dem ich meinen Körper überfordert, aber meinen Kopf erfreut habe.
Ich habe mir vorgenommen: Beim nächsten Mal, wenn wir mit Gepäck unterwegs sind, sollten wir möglichst auf Taxis zurückgreifen und unsere Energie für die Besichtigungen aufsparen.Read more
Traveler
Hallo Arnd, ich habe über den Stein folgendes gefunden:Beschreibung: Es handelt sich um einen würfelförmigen Block aus Nephrit oder Serpentinit (beides Jademineralformen) mit einer Kantenlänge von etwa 69 Zentimetern und einem Gewicht von rund 1.000 Kilogramm. Standort: Der Stein ist in einem Raum in der Nähe des Haupteingangs des Tempels aufgestellt und ist der einzige grüne Stein in der Region. Zweck: Der genaue Zweck des Steins ist unbekannt, aber es wird angenommen, dass er eine religiöse Bedeutung hatte. Theorien reichen von einer Basis für eine Statue, einem Thron für religiöse Zeremonien oder einem zeremoniellen Altar bis hin zur Nutzung zur Zeitmessung. Herkunft: Es wird vermutet, dass der Stein aus dem Taurusgebirge stammt, das über 300 Meilen südlich von Hattusa liegt.