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  • Day 59

    San Diego: Punkrock unter Palmen 🤘🏼🌴

    July 31, 2023 in the United States ⋅ ☁️ 23 °C

    Südkalifornien, kurz vor der mexikanischen Grenze: San Diego.

    Die Empfehlung kam von Leuten sowohl aus Anchorage als auch aus Portland. Die Stadt soll einen besonderen Vibe haben und die Strände am Pazifik sollen zum Baden einladen. Genau das was wir suchen.

    Gegen Nachmittag kommen wir in Ocean Beach an. Ocean Beach ist ein Stadtteil San Diegos der direkt an der Küste liegt. Die Häuser sind flach, höchsten zwei Geschosse. Die Sonne scheint. Die Leute schlendern durch die Straßen…in Badehosen und Bikinis. In Badehosen und Bikinis! Schlendernd! Darauf haben wir uns schon so lange gefreut. Hier sind wir genau richtig! Wir checken im Hostel SameSun ein. Ein ehemaliges kleines Strandhotel von 1900, das heutzutage ein Anlaufpunkt für Hippies, Surfer und Weltenbummler ist. Die Fassade ist farbenfroh bemalt mit Blumen, Regenbögen und Fischen und auf dem Dach steht ein riesiges Peace-Zeichen. Wir sind im Hippi-Paradies angekommen.

    Jetzt aber erstmal die Badehose an und ab an den Strand, die letzten zwei Sonnenstunden genießen. Fünf Minuten und wir sind da. Auf der Promenade bieten Händler allerlei handgefertigte Waren an, einer dreht sich einen Joint, im Wasser 40 Surfer die sich an den 1,5m hohen Wellen versuchen. Eine Gruppe stößt euphorisch mit Drinks - ganz klassisch in roten Plastikbechern - an, andere liegen platt da und sind schon derart braun dass man meinen könnte sie machen seit 3 Monaten nichts anderes. Wir lieben es. Von den Wellen lassen wir uns immer wieder an Land spülen. Wir machen wilde Hebefiguren oder tauchen unter den brechenden Wassermassen durch. Der Ekel vor dem Seegras und den meterlangen Algen kommt nur bei besonders prächtigen Exemplaren kurz durch, „es sind ja auch wirklich einfach nur Pflanzen“, sagen wir uns.

    Nach dem Abendbrot wollen wir auf der Hostelterrasse mit Blick auf die kleine Straße den Abend ruhig ausklingen lassen, doch es kommt anders. Tara aus den Staaten, Sam aus Neuseeland und Daniel aus Deutschland verwickeln uns in ein Gespräch, der Supermarkt auf der anderen Straßenseite versorgt uns mit IPA und Weißwein aus der Dose. Es wird ein feuchtfröhlicher Abend mit tollen Gesprächen und wundervollen Menschen. Wenn das der Vibe San Diego‘s ist, dann kanns gern so weitergehen.

    Samstag ist Strandtag. Nach dem Frühstück gehts mit Daniel und Tara nach La Jolla (spanisch ausgesprochen als La Choja), ein Stadtteil San Diegos, etwa 30min entfernt von Ocean Beach. Buchten mit weiße Sandstränden prägen diesen Bezirk. Auf den Felsen der Steilküste sitzen Seelöwen und Robben und über die Badenden fliegen die Pelikane. Wir breiten unsere Handtücher aus und stürzen uns erstmal in den Ozean. Es ist wieder seegrasig, aber das sind wir ja schon gewöhnt. Danach gibts ein paar Sandwiches, die wir vorher im Supermarkt gekauft haben, wir quatschen, lachen, schießen Fotos und haben eine gute Zeit.

    Zu 18 Uhr ist ein Skate-Contest in Ocean Beach angekündigt, keine 3 Minuten vom Hostel entfernt. Also Strandsachen zusammenpacken, ab zum Van und zurück in unseren Kiez. Wir zwei ziehen uns noch schnell ne riesige Käsepizza am Strand rein (diesmal landet nichts von der Pizza auf irgendwelchen T-Shirts!), die anderen Beiden gehen direkt zum Event. Das Skate Event ist auf der Rückseite eines Skate Shops. In Amerika liegen die Rückseiten von Gebäuden häufig in engen, schmucklosen Gassen, in denen unter anderem auch die Mülltonnen stehen oder die Mitarbeiter zum rauchen die Laderampe nutzen. Man kennt diese Gassen auch aus Filmen: Hier enden Verfolgungsjagden entweder indem der Verfolgte über eine Seitentür verschwindet um sich in Sicherheit zu bringt oder der Verfolgte steht plötzlich vor einem Zaun, der ihm den Weg versperrt, weshalb er dann vom Verfolger gemeuchelt wird. In so einer Seitenstraße ist also besagter Contest. Und der ist in vollem Gange. Rocker, Punker, Hippies und Skater zwischen 5 und 70 Jahren, bestimmt 100 Leute. Die Skater nehmen ordentlich Anlauf, fahren über einen Kicker, springen über einen Zaun und grinden schließlich über die Kante eines Müllcontainers. Die biertrinkende Menge quittiert die Tricks entweder mit Applaus oder auch mit einem mitfühlenden „ouuuhh“. Gleichzeitig spielt eine Band. Psychodelic Rock. Geht schön sphärisch nach vorn. Das Bier ist auf Spendenbasis, die Burger sind ‚for free‘ (haben wir zu spät mitbekommen, wir hatten ja nun schon ne Pizza). Nach Sonnenuntergang ist der Contest zu Ende, aber die Livemusik geht weiter. Diesmal eine Punkband. Die Menge tobt. Es wird gepogt. Wir holen uns im Supermarkt noch mehr Bier. Es fetzt einfach. Mit einem betrunkenen Amerikaner reden wir über „Schnurrbärte“, er will alles über Bärte wissen und wie sie im Deutschen genannt werden. Der ganze Abend fühlt sich an als wären wir in Kreuzberg, nur unter Palmen. Selig und beschwipst schlendern wir irgendwann richtig Hostel und fallen ins Bett. „California dreaming“, heute Abend haben wir es gefühlt.

    Am nächsten Morgen sitzen wir auf der Hostelterrasse und telefonieren erstmal ausgiebig bei etlichen Kaffee’s nach Deutschland. Dann drehen wir eine Runde durch Ocean Beach auf der Suche nach der ein oder anderen coolen Klamotte, letztlich ohne Erfolg. Aber allein durch die Straßen San Diegos zu schlendern fühlt sich gut an. Reggae hier, Rockmucke da. In der Bar trinken sie schon Bier und spielen Billard, im Café wird ein Fair Trade Cappuccino mit Hafermilch bestellt. Man fährt Longboard, Rollschuh oder Fahrrad, Hauptsache lässig. Alles sehr vertraut. Hier ist es auf eine angenehme Art amerikanisch ohne zu amerikanisch zu sein.

    Genug gelaufen. Ab zum Strand, diesmal mit Boogi Boards (kleine Surfboards) vom Hostel. Wir haben richtig Spaß. Auch das Seegras ändert daran nichts (hats ja noch nie). Danach in der Sonne brutzeln bei einem Kreuzworträtsel bzw. wahlweise einem kleinen Schläfchen. Dann kommt von Daniel ein Anruf: ob wir ein Thermometer haben, er hat nen Sonnenstich. Haben wir. Ist im Van. Der steht in der Nachbarschaft, drei Blöcke vom Hostel entfernt, da ist das Parken kostenlos. Wir gehen also zum Auto. „Das hat doch ne Beule!”. Und Kratzer. Je näher wir kommen desto deutlicher werden die Spuren hinten links am Heck. Das gibts doch nicht: Uns hat ein anderes Auto gestreift. Es ist ein Lackschaden, nicht gravierend aber doch wertmindernd. Und eine Autoversicherung haben wir ja, und die ist nicht gerade billig. Also rufen wir das SDPD (San Diego Police Department) an um den Schaden anzuzeigen. 50 Minuten Warteschleifen in der Non-Emergency Hotline. Und immer wieder die gleichen Bandansagen. Gehirnwäsche. Dann endlich die Erlösung: eine Mitarbeiterin nimmt ab. Wir schildern den Sachverhalt. Sie verweist uns auf ein Onlineformular, das sollen wir ausfüllen und dann wird es von einem Beamten bearbeitet und gilt dann als Schadensnachweis für die Versicherung. 30 Sekunden hat das insgesamt gedauert. Wow. Heute machen wir nichts mehr, morgen ist ein neuer Tag.

    In unserem 8ter Gemeinschaftssaal steht die Luft. Locker 28 Grad. Alles klebt. Zusätzlich wird geschnarcht, was das Zeug hält. Johannes hat fast kein Auge zugemacht. Wir sprechen mit Eric von der Rezeption und schildern ihm die Situation. Mit Eric haben wir in den letzten Tagen immer wieder mal geschnackt. Er ist entspannt. Ohne zu zögern bietet er uns ein anderes 8ter Zimmer an, dass - so versichert er uns - deutlich besser klimatisiert ist und gleichzeitig die kommenden Tage nicht voll ausgebucht ist. Wir ziehen sofort um. Danke Eric!

    Beim Frühstück kümmern wir uns um den Schaden beim Auto. Der Polizeibericht ist schnell ausgefüllt, der Anruf bei der Versicherung ist hingegen etwas ernüchternd, da ein Schaden durch Fahrerflucht nicht versichert ist. Bedeutet, wir müssen selber für den Schaden aufkommen. Wir sind sauer! Das ist einfach nicht gerecht, wir haben ja nichts falsch gemacht oder den Schaden aktiv verursacht. Jetzt wollen wir es aber auch genau wissen und fahren zum Nächsten Body Shop (diese Werkstätten sind auf Karosseriearbeiten spezialisiert) um den Schaden schätzen zu lassen. Nach einer kurzen Inspektion und ein paar erklärenden Worten sagt der Mechaniker: “Well, you should plan with around 3000 Dollar”. Das Launelevel sackt nochmals ab. Wir entscheiden die Entscheidung erstmal zu vertagen. Später kommen wir zu dem Entschluss die Ausbesserungsarbeiten - wenn überhaupt - am Ende unserer Reise durchführen zu lassen. Letztlich ist unser Van noch immer in erstklassigem Zustand im Vergleich zur Mehrzahl der Rostlauben, die hier sonst durch die Straßen cruisen.

    Nach einer kurzen Kochsession mit Daniel in der Hostelküche überwinden wir das Mittagstief direkt, schwingen uns zu viert in die Karre von Tara und fahren in den Nachbarbezirk Pacific Beach, denn da gibts einen kleinen Freizeitpark mit einer Hand voll Fahrgeschäften..allesamt etwas in die Jahre gekommen. Es klappert und quietscht, die Leute schreien. Ob vor Freude oder aus purer Angst bleibt unklar. Wir sind wegen der Achterbahn hier. Die ist komplett aus Holz gebaut und den Blick über den Pazifik und San Diego wollen wir uns nicht entgehen lassen. Acht Dollar pro Person kostet der Spaß. Machen wir also. Beim Anstehen beobachten wir die Leute die aus der Achterbahn aussteigen. Irgendwie traumatisiert. Aber trotzdem nicht unglücklich. Also los. Den Sicherheitsbügel schön eng anpressen und dann gehts schon klackernd nach oben. Neben dem Klackern noch das Ächzen der alten Holzbalken. Wir sitzen ganz hinten, “da ist man am schnellsten”. Der Zug passiert mit dem ersten Wagon den oberen Kipppunkt. Die ersten Schreie sind zu vernehmen. Wir genießen die Aussicht. Wirklich ein nettes Städtchen. Der Zug nimmt fahrt auf, es geht bergab. Alle schreien. Wie am Spieß. Der erste Dipp, die Wirbelsäule wird schmerzhaft zusammen gestaucht. In der Linkskurve, die sich eher wie eine Linksecke anfühlt, wird der Kopf nach links geschleudert. Dann bergauf, ein kurzer Moment der Schwerelosigkeit, gefolgt vom nächsten Dipp. Diesmal fühlt es sich nach Hirnblutung an. In mittelschwerer Benommenheit bringen wir die nächsten Kurven und Dipps hinter uns und steigen schließlich aus. Traumatisiert. Aber nicht unglücklich.

    Zurück in Ocean Beach gehen wir vier noch zu einer Jazz Jam Session zwei Blocks weiter. Die Bar ist schräg. Verrückte Möbel - ein Stilmix aus verschiedenen Epochen - surreale Kunst und Installationen und eine interessante Mischung aus Menschen lassen uns die Aufregungen des Tages vergessen.

    Dienstag. Wir wollen Jetski fahren. Die Karten haben wir schon die Tage vorher rabattiert gekauft. Bevor es richtig los geht bringen wir das Auto zum Ölwechsel und fahren dann direkt von der Werkstatt mit Tara und Daniel zum Hafen. Nach kurzer Instruktion dürfen wir auf unsere Jetskis, immer pärchenweise (heißt nicht das Tara und Daniel ein Pärchen sind, die beiden haben sich im Hostel kennengelernt). Ich (Rico) sitze auf dem Fahrersitz, Johannes dahinter. Im Hafenbereich sind die Jetskis automatisch gedrosselt auf 5mph, ab der grünen Boje wird die Drosselung aufgehoben, sagt uns der Instruktor. Wir also los im Schneckentemp, ist vielleicht auch gar nicht schlecht um erstmal ein Gefühl zu entwickeln. Tara und Daniel überholen uns. Im Affenzahn. Komisch. Wir schleichen weiter. Da hinten ist ja schon die Boje. Sie kommt näher. Wir passieren sie. Nicht passiert. “Gibst du auch richtig Gas?”, “Ja, ist voll auf Anschlag”, “Geh mal in den neutralen Gang und dann wieder zurück in den Vorwärtsgang”, “Warte…klappt nicht. Wir fahren weiter nur 5 Meilen die Stunde”, “Maaaan ej, sollen wir mal Plätze tauschen?”, “Neeein maaan, ich krieg das schon hin”..es wird hitzig, wir keifen uns noch kurz an aber dann auf einmal schießt das Gefährt los. Endlich. Aber es ist nicht einfach auf dem unruhigen Wasser. Nach 10 Minuten tauschen wir in ruhigerem Fahrwasser die Plätze. Jetzt ist Johannes am Steuer und es läuft. Mit bis zu 40 mph (das sind um die 70 km/h!!) preschen wir übers Wasser, vorbei an den Wolkenkratzern Downtowns, an Flugzeugträgern der US Navi, einem alten Piratenschiff und edlen Villen. Es fetzt. Im Fahrwasser anderer Schiffe haben wir kurze Flugphasen, beim Landen kreischen wir vor Freude. Also Jetskis gehen schon richtig ab, vergleichbar mit ner Achterbahnfahrt, die allerdings 90 Minuten geht. Auf dem Rückweg auf Höhe der grünen Boje werden wir wieder gedrosselt. Wäre ja nicht weiter schlimm gewesen, wenn die anderen Beiden nicht schon wieder mit 50 Sachen an uns vorbei geschäppert wären. Johlend und voller Freude. Fies, aber so können wir noch ein bisschen runterkommen nach der aufregenden Fahrt. Auf den Rückweg schmeißt Tara uns dann bei der Werkstatt raus wo unser Auto bereit steht für die Abholung. Easy cruisen wir mit dem frisch geölten Van zurück nach Ocean Beach.

    Den Nachmittag verbringen wir am Strand und reiten noch einmal die Wellen mit den Boards. Die Wellen sind ordentlich groß und wir perfektionieren unsere Surfkünste. Das macht nochmal richtig Spaß. Und das Seegras gehört mittlerweile irgendwie dazu. Wir wollen es schon fast nicht mehr missen, dieses glitschige meterlange Grünzeug. Es wird das letzte Mal sein, dass wir auf unserer Reise in den Pazifik gesprungen sind.

    Am Mittwoch packen wir nach dem Frühstück das Auto, verabschieden uns von Tara (Daniel ist schon am Vorabend abgehauen) und verlassen schweren Herzens San Diego. Bis zum nächsten Mal!

    Aber jetzt geht es erstmal nach San Francisco…
    (R)
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