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  • Day 22–24

    Kushiro

    October 13, 2023 in Japan ⋅ ☀️ 17 °C

    Am Vorabend noch realisiert, dass der Bus nur gute 3 Minuten vom Hostel entfernt ist. Traumhafter blauer Himmel und ein 5h lange Busreise nach Kushiro liegt vor mir.
    Busticket hatte ich am Abend vorher gebucht. Super easy.
    Kushiro, eine Stadt im Süd-Westen der Insel. Ich musste mir noch etwas Zeit vertreiben, da die Checkinzeiten strikt eingehalten werden. In der Buchungsbestätigung, in Japanisch - welches ich mir natürlich übersetzt habe, wurde erwähnt, dass kein englisch gesprochen wird.
    Es ist echt schwierig mit der Kommunikation. Nur die wenigsten sprechen mit einem in englisch. Und auch nur das minimum. Die Unterhaltungen sind mehrfach sehr zweckorientiert und ohne Tiefe.

    Das sollte sich heute noch ändern.

    So checkte ich gegen 16:00 im Hostel ein und wurde vor ein neues Problem gestellt. Ich habe versehentlich 2 Nächte in einem Frauenschlafsaal gebucht. Doof. Da es aufs Wochenende zuging, war am Folgetag kein freie Bett mehr für Männer verfügbar. Trotzdem erstmal ein klarer Fall: erstmal Prokrastieren. Aufgabe für den Folgetag. Das Worst Case Szenario ist ein teures Hotel.

    Über Couchsurfing hatte ich vorweg Nanako angeschrieben. Sie wohnt mittlerweile in den USA und ist 27 Jahre alt. Mittlerweile betreut ihr Vater den Account. In jedem Profil gibt es 'Bewertungen', welche es Nutzern ermöglicht die andere Person einzuschätzen. Bei ihr wurde beschrieben wie cool ihr Vater sei, und das er sich sehr bemüht Touristen seine Region näher zu bringen. Genau das was ich immer sehr schätze!

    Während ich später in der 'Hostellobby' am Laptop saß, machte sich ein kleines Erdbeben am Haus zu schaffen. Zweimal schaukelt das ganze Haus spürbar hin und her. Die Dame vom Checkin macht komische Geräusche. Sie kam zu mir rüber und zeigte mir auf ihrem Handy mit der Übersetzungsfunktion, dass dies ein Erdbeben war. Level 3 von 10. Ab 5 rüttels recht arg.

    *BrrrrrrrrBrrrrrrr*, eine Nachricht von Nanako. 'Wo bist du? Ich komme dich in 10min holen.' Sehr erfreut über eine Reaktion von Nanako, bzw. ihrem Vater, war ich kurz überfordert. Gesagt getan...10 Minuten später stand ein schwarzer Kleinstwagen vor dem Hostel und jemand stieg aus.

    Fumio, 75 Jahre alt, 1 Katze namens Lucky, betreibt ein kleines Kaffee in seinem Haus und gibt Englisch-Unterricht in seinen Schulungsräumen im Obergeschoss. Nanako, seine Tochter reiste über eine längere Zeit mit Couchsurfing durch die Welt, und als sie in die USA zog, dachte sie, dass es doch super für ihren ledigen Senior wäre um neue Leute kennen zu lernen, und englisch zu sprechen.

    So war der Plan, erstmal etwas Essen einzukaufen, ich hatte hunger wie ein Bär. Wie fuhren zu einer kleinen Mall mit Supermarkt. So lernte ich dass die Märkte, ab 19:00 alles abgepackte Esse heruntersetzen. Das meiste darf nur 24h verkauft werden.
    Eingedeckt mit Sashimi, Nigiri und sonstigem Zeug zogen wir weiter.
    Fumio erzählte von der Region, seiner Tochter und seinem Leben. Es war sehr schnell eine sehr vertraute Unterhaltung. Er fragte mich, ob ich weiss was 'Pachinko' ist. Ich hatte keinen Plan. Gambling! Viele Leute vor Maschinen, wie bei uns vor den Automaten im Casino. Die Luft gesättigt von Zigarettenrauch und die lauten Geräusche der Madchinen. Pachinko wird mit kleinen Metallkugeln gespielt. die Fallen in de Maschinen nach unten. Das macht einen extremen Lärm. Wir liefen 10 Minuten durch die Gänge. Eindrücklich, aber eine eher unschöne Seite. Die Hoffnung auf das grosse Geld ist überall!

    Es ging weiter zu ihm nach Hause. Sein Kater Lucky wartete schon auf dem Parkplatz. Ich ass mein Essen, und er zeigte mir seine aktuelle japanische Lieblingsmusik. Auf seinem riesigen Bildschirm lief die ganze Zeit Musik über Youtube. Wir redeten fast ununterbrochen. Eine sehr schöne ausgegelichen Unterhaltung. Mittlerweile war es auch schon um 22:00.

    'Till, was hälst du davon ein Bad zu nehmen?', fragte mich Fumio😮🫨
    Eine sehr ungewöhnliche Frage um 22:00 von einem 75 jährigen fremden Japaner. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich war leicht zurückhaltend, aber voller Neugier was ein Japaner um diese Uhrzeit unter einem Bad versteht.
    Er drückte mir zwei Handtücher in die Hand und wir sprangen ins Auto. Ich fragt mich wo er seine Handtücher hat. Nach einer kurzer Fahrt waren wir im 'Sento' angekommen. Bis Mitternacht geöffnet. Er holte aus dem Kofferraum einen kleinen Einkaufskorb mit Tuben, Waschlappen und...Handtüchern. Sehr routiniert dschte ich mir.
    Wir zahlten den Eintritt, gingen durch den Männereingang. Im nächsten Raum gab es Schliessfächer, und natürlich keine Umkleidekabinen! Bevor ich fragen konnte was hier abgeht, stand Fumio schon im Adamskostüm vor mir, in der einen Hand sein Einkaufskorb. So läuft das hier, dachte ich mir. So machte ich dass selbe, schnappte mir das kleinere Handtuch und folgte ihm ins Sento. Ein Raum, ca. 30m tief und ca. 8-10m breit. Auf der linken Seite hatte es Sprudelbäder mit Haltegriffen, ein Mineralienbad und eine Sauna. In der Mitte noch mehr Sprudelbäder und ein Kältebad. Und ganz rechts, ca. 50 Spiegel - ungefähr in einer Höhe von einem Meter - eine Spülgarnitur und ein kleiner Plastikhocker.

    Alles voller nackter Männer im Alter von 20-90. Ein sehr komisches Gefühl. Keiner bedeckt sein bestes Stück, so wie ich das aus Europa kenne, das kleine Handtuch haben die meisten über dem Kopf. Ich denke mal für den Schweiss. Die komischen Blicke kenne ich schon, und es ist nach einer kurzen Zeit schon nicht mehr so komisch. Man schnappt sich einen kleinen Eimer, so gross wie eine sehr grosse Suppenschüssel, und deponiert es bei einem der Spiegel.
    Nach einigen Saunagängen und Sprudelbädern gingen wir in den Bereich mit den vielen Spiegeln. Die feinsten Shampoo's, Conditioner und alles was Mann so benötigt hat Fumio in seinem Körbchen. Der Herr ist vorbereitet! Er lässt mich wissen, dass er jeden Tag hier ist.
    So sitzen wir nackig auf dem Plastikhocker. Er bereiten eine länglichen Waschlappen für mich vor. Er macht den Lappen richtig voller Schaum und gibt ihn mir, so kann man sich herrlich den Rücken waschen. Das Eimerchen - das wir zuvor geholt hatten - steht unter dem Wasserhahn und wir dauerhaft gefüllt. Vorzu kippt man sich das Wasser über den Körper.
    Um uns herum sitzen diverse andere Besucher, einer rasiert sich penibel andere schneiden sich die Fingernägel. Es wirkt auf mich ein bisschen wie ein Pub. Es wird zwar nichts getrunken, aber die Männer unterhalten sich teilweise sehr lange. In der Saune kann man einen Newssender schauen - verpackt hinter einer Glasscheibe. Leider verstehe ich nur selten was die Herren besprechen. Sobald die Herren aber sehen, dass Fumio mit mir unterwegs ist, gehen die Leute auf ihn zu und fragen ihn über mich aus. Immer wieder ein 'ooooooh, suiss' staunende Gesichter schauen mich an und fangen an mit mir zu sprechen, auf japanisch. Fumio übersetzte natürlich einiges, oder vertrat mich gänlich komplett. So wie ein Mediensprecher. Wir hatten ja schon so viel besprochen, er wusste viel über meine Reise oder meinen Beruf. Eine lustige Situation.
    Ich lernte noch Fumios drei Jahre jüngeren Bruder kennen. In der 70gern Jahren ist er durch Europa getrampt. Er war so erfreut jemanden kennenzulernen aus der Schweiz.
    Es war mittlweile kurz vor Mitternacht. Wir machten uns auf nach draussen. Im Eingangsbereich kann man sich hinsetzen. Es scheint verbreitet zu sein, sich nach dem Sento ein Gläschen Milch zu gönnen. So taten wir dies, Fumio quatschte noch kurz mit Freunden, und dann fuhren wir zurück zu meinem Hostel. Fumio fragte schon was ich morgen mache. Er hätte Zeit und Lust was zu unternehmen. Da ich nichts geplant hatte, war ich natürlich sofort begeistert von dem Vorschlag.
    Ich erklärte ihm noch kurz mein Problem vom morgigen Tag und fragte ihn ob es möglich wäre bei ihm zu übernachten. Er willigte nach kurzem Nachdenken ein. Thema abgehakt! So einfach kann es sein.

    Wir machten aus, dass er mich um 13:00 im Hostel abholt.

    Am nächsten Tag gegen 08:00 schaute Fumio durch den Vorhang meines Betts im Hostel. Er hatte sich im Hostel dirchgefragt wo denn der grosse Europäer liegt. Er hat mich gefunden. 'Ich habe um 3 Uhr einen Termin, ich dachte ich hole dich einfach ab und wir fahren ins Grüne. Pack deine Sachen, ich warte unten'. Lachend lief er Richtung Treppe. Der Befehl wurde umgesetzt, ich packte kurz meine Sachen, putzte meine Zähne und saß auch schon im Auto.
    Wir fuhren ca. 2h durch die schöne Natur von Kushiro. Ein grosser Nationalpark liegt ausserhalb von Kushiro. 'Kushiro-Shitsugen-Nationalpark'. Wir fuhren durch schöne Wälder, der Indian-Summer, oder auch 'Momiji' genannt, hat schon begonnen. Mega schön anzuschauen.
    Der Tag verlief ein bisschen wie der eines Local. Einkaufen, quatschen, Kaffee trinken...
    Abends kochten wir zusammen typisches japanisches Curry und schauten uns das Feuerwerk in der Stadt an. Es ging 'nur' eine Stunde lang! Feuerwerk ist ein grosses Ding in Japan.
    Danach nochmal kurz ins Sento, Eis aus dem 7eleven gegessen und dann ging Fumio auch schon ins Bett.

    Am nächsten Tag fuhr mein Zug gegen 13:00 weiter in den Norden. So lud mich Fumio gegen 10:00 am Bahnhof aus. Auf dem Weg dort hin sagte er: Till, es fühlt sich an als ob wir viel länger zusammen waren wie nur diese 'paar' Stunden. Wir umarmten uns kurz, was absolut untypisch ist, und so gingen wir unsere eigene Wege weiter.

    Eine absolut schönes und prägendes Wochenende.

    Liebe Grüsse, mittlerweile schon weit im Süden von Japan.

    Till
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