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  • Day 56

    Chado - der "Weg des Tees"

    September 24, 2023 in Japan ⋅ ☀️ 30 °C

    Geschrieben von Maike

    Seitdem ich wieder von Shikoku zurück bin, habe ich mir eine Liste geschrieben mit den Dingen, die ich in meiner letzten Woche in Hiroshima noch erleben möchte. Unter anderem habe ich vorgestern die Urasenke-Teeschule per E-Mail angeschrieben, um zu fragen, ob ich eine Unterrichtsstunde bei der Tee-Meisterin Kaneko (Besitzerin dieser Urasenke-Privatschule) bekommen könnte. Für mich ist es 5 Jahre her, dass ich in Sydney in Australien für ein Jahr lang wöchentliche Unterrichtsstunden in japanischer Tee-Zeremonie ("Chanoyu" oder "Chado", bedeutet soviel wie "Weg des Tees") bekam. Da ich in meiner E-Mail an Kaneko nach einer spezifischen Teezeremonie fragte, die ich gern hier in Japan noch einmal wiederholen wollte, merkte sie sofort, dass ich mich schon gut mit den Grundlagen von Chado auskannte. Sie antwortete mir 30 Minuten später und lud mich gleich für den kommenden Tag zu den "Okeiko", den regulären Tee-Unterrichtsstunden mit japanischen Schülerinnen, ein. Ich war sehr erfreut, so spontan und kurzfristig zum Unterricht eingeladen zu werden. So konnte ich am Sonntag nach meiner Putzschicht für 4 Stunden in die Chado-Urasenke-Schule gehen. Anscheinend hatte Kaneko gleich allen Schülerinnen gesagt, dass ich heute als Gast und Schülerin dabei sein würde, denn alle kannten bereits meinen Namen und dass ich aus Deutschland komme, als ich in der Tee-Schule ankam. Ich fühlte mich zu Beginn etwas unwohl, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, aber da alle so freundlich zu mir waren, legte sich dieses Gefühl schnell. Kaneko sagte zu mir, dass sie und alle anderen sich sehr über meinen Besuch freuten, da es noch nie vorher passiert sei, dass jemand aus dem Ausland bereits Chado-Kenntnisse hatte und nach einer Unterrichtsstunden gefragt habe. Normalerweise mache sie wohl außerhalb der Unterrichtsstunden nur Tee-Zeremonie-Einheiten für Touristen, wobei diese nur die Gast-Position einnehmen und nicht selbst Tee machen.

    In den ersten 3 Stunden des Nachmittags habe ich drei japanischen Schülerinnen aus der Gast-Position heraus beobachtet, wie sie ihren Unterricht bekamen: Auf dem Unterrichtsplan stand die Zubereitung von "Koicha" (= dicker Tee, also Matcha mit wenig Wasser zubereitet, der am Ende sehr bitter schmeckt und eine breiige Konsistenz hat) auf dem "Furo" (= erhöhter Tee-Kessel auf Kohlen, steht auf den Tatami-Matten; wird im Sommer verwendet, da das Wasser nicht so heiß werden soll im Gegensatz zum Winter, wo ein Ro = in den Tatami-Matten eingelassener Wasserkessel verwendet wird). Ich habe mich sehr gefreut, diese Zubereitungsschritte zu sehen, da auch ich damals diesen etwas komplizierteren Chado-Style mit Koicha gelehrt wurde.

    Zum Tee werden verschiedene "Okashi" (japanische Süßigkeiten) gereicht, da der Matcha-Tee selbst eher bitter schmeckt. Die Tee-Utensilien (z.B. Tee-Schale = Chawan, Tee-Bambuslöffel = Chashaku, Matchapuder-Behältnis = Natusme oder Chaire), die Okashi (= Süßigkeiten), die im Tokanoma aufgehangene Schriftrolle und die in der Vase aufgestellten Blumen sind immer entsprechend an die Jahreszeiten und an den Chado-Stil angepasst und symbolisieren verschiedene Bedeutungen. Beispielsweise war das Natusme mit Ahornblättern verziert, was den Charakter des Frühherbstes verdeutlichte. Als Okashi gab es sogenannte selbstgemachte „Ohagi“, japanische Reiskuchen mit Soja- und roten Bohnen, welche vor allem oftmals im Herbst zubereitet werden. Außerdem gab es ein weißes, rundes Gebäck mit dem Abdruck eines Hasen "Hakuto" in der Mitte. Nach der japanischen Mythologie bedeutet "Hakuto", dass ein weißer Hase auf dem Mond lebt, welcher vor allem zum Vollmond eine große Rolle spielt. Da bald Vollmond ist, sollte Hakuto auch in dieser Tee-Zeremonie gewürdigt werden.

    Ich war als vierte und letzte Schülerin an der Reihe und übte den von mir erbetenen Chado-Style "Hakobi Usucha Temae Furo", also die Zubereitung von Usucha-Tee (= dünner Matcha-Tee mit mehr Wasser) auf dem Furo-Teekessel, wobei ich alle Tee-Utensilien in der Raum tragen muss (= Hakobi). Ich war ziemlich aufgeregt, da alle Schülerinnen dablieben, um mir zuzuschauen und als Gast Tee serviert zu bekommen. Insgesamt habe ich somit fünf Teeschalen Usucha-Tee zubereitet und serviert. Außerdem hatte ich die Ehre, von der Teemeisterin Kaneko höchstpersönlich eine Schale Tee zubereitet zu bekommen, was normalerweise unüblich ist. Ich habe mich sehr gefreut, dass diese Teegemeinschaft mich trotz der Sprachbarrieren so herzlich aufgenommen hat. Der Unterricht war hauptsächlich auf Japanisch, aber da Kaneko auch etwas Englisch sprach, konnte sie mir während meines Unterrichtsteils auch einige Korrekturen und Hinweise auf Englisch geben.

    Chado ist eine ganze Welt für sich, die ich in diesem Blogeintrag nur kurz anreißen kann. Ich bin vor allem von der Philosophie des Tee-Wegs, welche dem Zen-Buddhismus sehr nahesteht, fasziniert. Die Grundprinzipien des Chado sind Harmonie (wa), Respekt (kei), Reinheit (sei) und Stille (jaku), und verdeutlichen diese Philosophie ganz gut. Vielleicht mag euch Chado nach dem Lesen dieses Eintrags trotzdem fremd vorkommen. Das ist meiner Meinung nach für einen Europäer der westlichen Kultur völlig normal. Falls euch das Thema interessiert, kann ich euch nur ans Herz legen, mehr dazu zu lesen!
    (Wie sieht so eine Tee-Zeremonie aus? - siehe unten, dort habe ich Youtube-Videos als Beispiel vorgeschlagen)
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    English version

    For my last week in Hiroshima I prepared a list of things I still want to experience here. One of those things was participating in a tea ceremony. I emailed the Urasenke Tea School the day before yesterday to ask if I could get a lesson from tea master Kaneko (owner of this Urasenke private school). It is now 5 years ago that I received weekly lessons in Japanese tea ceremony ("Chanoyu" or "Chado", means "Way of Tea") for a year in Sydney, Australia. Since I asked for a specific tea ceremony style in my email to Kaneko, she noticed that I already knew the basics of Chado. She answered me 30 minutes later and immediately invited me to the "okeiko", the regular tea lessons with Japanese students, for the next day. I was very pleased to be invited to the lessons so spontaneously and on such short notice. In the end, I went to Chado-Urasenke School for 4 hours on Sunday after my cleaning shift. Apparently, Kaneko had told all the students right away that I would be there on that day as a guest and student because everyone already knew my name and that I was from Germany when I arrived at the tea school. I felt somewhat uncomfortable at the beginning to be in such a spotlight of attention, but since everyone was so friendly to me this feeling quickly faded. Kaneko said that she and all the others were happy about my visit because it had never happened before that someone from abroad already knew Chado and asked for a lesson. Additionally to the tea lessons, she normally does tea ceremony sessions for tourists where they only participate in the guest position (and do not make tea themselves).

    In the first 3 hours, I watched three Japanese students from the guest position as they took their lessons: On the teaching schedule was the preparation of "Koicha" (= thick tea, so Matcha prepared with little water, which tastes very bitter at the end and has a mushy consistency) on the "Furo" (= raised tea kettle on coals, stands on the tatami mats; is used in summer because the water should not get so hot in contrast to winter, where a Ro = water kettle embedded in the tatami mats is used). I was very happy to see the Koicha-making as I was taught this slightly more complicated chado style in Sydney as well.

    Various "Okashi" (Japanese sweets) are served with the tea as the Matcha itself tastes rather bitter. The tea utensils (e.g. tea bowl = chawan, tea bamboo spoon = chashaku, matcha powder container = natusme or chaire), the okashi (= sweets), the scroll hung in the tokanoma and the flowers placed in the vase are always appropriately adapted to the seasons and to the chado style and symbolize different meanings. For example, the natusme was decorated with maple leaves indicating the character of early autumn. As okashi, we had so-called homemade "ohagi", Japanese rice cakes with soy and red beans which are especially often prepared in autumn. There was also a white round pastry with the imprint of a rabbit "Hakuto" in the middle. According to Japanese mythology, "Hakuto" means that a white rabbit lives in the moon which is especially important at the time of full moon. Since we are heading towards full moon, Hakuto was also addressed in that tea ceremony.

    It was my turn as the fourth and last student and I practiced the easier Chado style "Hakobi Usucha Temae Furo", i.e. the preparation of Usucha tea (= thin matcha tea with more water) on the Furo tea kettle, carrying all the tea utensils into the tea room by hand (= Hakobi). I was quite nervous as all the students stayed to watch me and be served tea as a guest. In the end, I prepared and served a total of five tea bowls of usucha tea. I also had the honor of having a bowl of tea prepared by tea master Kaneko herself, which is rather unusual. I was very pleased that this tea community welcomed me so warmly despite the language barriers. The lessons were mainly in Japanese but since Kaneko also spoke some English, she gave me corrections and hints in English during my part of the lesson.

    Chado is a whole world for itself which I can only briefly touch in this short blog entry. I am especially fascinated by the philosophy of the way of tea which originates from Zen Buddhism. The basic principles of Chado are harmony (wa), respect (kei), purity (sei) and silence (jaku), and represent this philosophy quite well. Perhaps Chado may still seem unknown or distant to you after reading this entry. In my opinion, this is normal for a European of Western culture. If you are interested in this topic I can only recommend warmly to read more about it!

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    (How does the tea ceremony look like? - Here are some recommended youtube videos)

    1) Hakobi Usucha Temae Furo (with Usucha - thin matcha tea)
    https://www.youtube.com/watch?v=HD_eSZ4i9-U&amp…

    2) Hakobi Koicho Temae Furo (with koicha - thick matcha tea)
    https://www.youtube.com/watch?v=YuZyuiH_Ux8&amp…

    3) Recipe for ohagi (autumn style Japanese sweets):
    https://www.justonecookbook.com/ohagi-botamochi/
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