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  • Day 4

    Erster Tag im Krankenhaus

    February 15, 2023 in Ghana ⋅ ⛅ 34 °C

    Das ghanaische Gesundheitssystem. Ich habe wirklich wenig erwartet und habe auch wirklich wenig bekommen, also eigentlich alles gut. Mein Krankenhaus liegt in Atibie, zwei Dörfer von Obomeng entfernt, bzw. 10 Minuten/5 Cedi mit dem Taxi.

    Heute sollte ich Torbens Kontaktperson treffen, Dr. Jonas Ahiabor, nach eigener Aussage familiy doctor und Leitung der Ambulanz. Letztlich ist er Hausarzt, eine richtige Versorgung über Praxen, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es nämlich in Ghana nicht.

    Torben, Uwe und Mila begleiteten mich in das Krankenhaus und für ghanaische Verhältnisse waren wir sogar ziemlich pünktlich, nur eine halbe Stunde zu spät. Nichtsdestotrotz war Jonas nirgends zu finden und wir erfuhren, dass er noch beim Frühstück und in 15 Minuten hier sei. Eine Stunde später tauchte er dann auf, ein sehr freundlicher, gut verständliches Englisch sprechender Ghanaer. Die Formalitäten wie die Lehrgebühr und die Immatrikulationsbescheinigung wollte er irgendwann später klären (Spoiler: Hab wir nicht geklärt, war ihm egal) und nahm mich direkt mit auf die „Notaufnahme“.

    Zunächst muss gesagt werden, dass es in Ghana nicht am Fachpersonal mangelt. Von Krankenschwester bis zum Arzt bildeten Ghana seine Bevölkerung selbst aus, es gilt Schulpflicht, es gibt mehrere Universitäten und letztlich arbeiten sogar viele Ghanaer in den umliegenden Ländern. Der Pflegeschlüssel in Ghana ist offensichtlich deutlich besser als in Deutschland.
    Entsprechend viel war um den Patienten mit hämorrhagischem (für die Nicht-Mediziner: einblutend, also kontinuierlich schlimmer werdend) Schlaganfall los, als wir den Raum betraten. Er hatte keine Spontanatmung mehr, das Krankenhaus allerdings auch keine künstliche Beatmung, ergo musste die Beutelbeatmung reichen. Normalerweise würde jetzt ein CT (Bildgebung) gemacht werden, um anschließend eventuell zu operieren, aber das nächste CT wäre im Universitätsklinikum in Kumasi gewesen. Für die Fahrt über die schlechten Straßen in quasi nicht ausgestatteten Transportfahrzeugen war der Patient viel zu instabil. Fazit der Geschichte: Der Patient wurde manuell zu Tode beatmet und ich erlebte den ersten emotionalen Zusammenbruch einer afrikanischen Ehefrau.

    Als nächstes ging es auf die allgemeine Station, die Jonas betreute. Er erklärte mir alles und ich konnte wirklich etwas lernen. Die fehlenden technischen Möglichkeiten zwingen die Mediziner hier noch mehr dazu, wirklich gründlich zu untersuchen und die Zusammenhänge immer vor Augen zu haben, um dann auch ohne Bildgebung oder Laborwerte zu einer Diagnose zu kommen. Nur helfen können sie am Ende häufig nicht, auch weil die ghanaische Krankenversicherung nur das absolute (ghanaische) Minimum abdeckt und Patienten sich die Therapien meistens einfach nicht leisten können.

    Ab dem späten Vormittag hatte Jonas dann Sprechstunde in seinem zum Glück klimatisierten Arztzimmer in der Ambulanz und zusammen mit Gloria, einer sehr netten Krankenschwester, fingen wir an die Menge an Menschen abzuarbeiten, die draußen in der Hitze wartete. Auch hier durfte ich viel untersuchen, Jonas und Gloria hatten viel Humor und die Fälle waren vielfältig, sodass die Zeit wie im Flug verging.
    Ein besonderes Highlight und tolles Beispiel für die Qualität der Versorgung, war ein Sonografie-Befund einer 68-jährigen Frau, der eine absolute normale und gesunde Gebärmutter bescheinigt wurde - dabei hatte sie diese vor einigen Jahren entfernen lassen.

    Um 14:00 Uhr war dann schon Feierabend, nicht nur für mich, sondern auch für Jonas (wir hatten gegen 09:00 angefangen zu arbeiten) und wir verabschiedeten uns bis zum nächsten Montag, da ich Donnerstag bis Sonntag mit den anderen Volunteers nach Accra in ein Surfresort fahren wollte. War ihm natürlich völlig egal, zumal nächste Woche noch zwei Freiwillige in das Krankenhaus kommen würden und wir dann unsere Einteilung einfach zusammen machen könnten.

    Ich zog mich im Krankenhaus um, der weiße Kasack, den ich mir von der Uni „geliehen“ hatte, war doch sehr auffällig, und stand vor einer kleinen Challenge: Es galt mit dem Taxi zu fahren und dabei zum richtigen Ort zu kommen und den richtigen Betrag zu zahlen. Ersteres gelang, letzteres nicht, wie ich dann in unserer Unterkunft erfuhr als Torben mich auslachte, weil ich mehr als das doppelte des üblichen Preises bezahlt hatte (einen Euro statt 40ct, selbst wenn du abgezogen wirst, zahlst du in Ghana nix). Aber jetzt kannte ich den Preis, also würde mir das nicht nochmal passieren.

    Die Mädels waren aus ihren Kliniken auch schon zurück und bald gab es Mittagessen, einen scharfen Fischeintopf mit gekochter Yam-Wurzel. Den Nachmittag verbrachten die anderen mit einer Waschaktion, aber da ich noch fast nix dreckiges hatte, ließ ich mir von Uwe die Pflanzen im kleinen Garten neben dem Haus zeigen.

    Gerne würde ich den Garten als tropischen Kleinod unter Palmen beschreiben, aber es handelt sich lediglich um eine sandige Fläche auf der alle paar Tage der Plastikmüll der Bewohner des anderen Hauses verbrannt wird. Trotzdem gibt es einiges Interessantes zu sehen: Einen großen Avokadobaum, dessen Ernte ich wohl knapp verpassen werde, einen Orangenbaum mit den für Ghana typischen grünen, maximal leicht gelblichen Orangen, einer Papaya und zwei Ölpalmen in deren Schatten ein Kakaobaum wächst. In dem Gestrüpp und Müll liefen einiger Hühner samt Küken umher und auf jedem warmen Stein saß eine dicke, bunte Echse.

    Uwe zeigte mir, wie man eine Kakaofrucht öffnet und dass man die Kerne auch so frisch essen kann – das weiße Fruchtfleisch um den Kern ist auch süßlich-lecker, das Innere dagegen ziemlich bitter. Die Früchte der Ölpalmen konnte ich so nicht probieren, aber gegart sind sie hier ein typisches Gemüse.

    Abends ging es dann in eine Bar in Obomeng, da Lisa nach unserem Wochenende in Accra bleiben und den Flug zurück nach Deutschland antreten würde. Für mich kein Problem, denn am Samstag würde eine neue Lisa anreisen, also keine neuen Namen.

    Die Bar war direkt an der Hauptstraße, eine Containerkonstruktion wie fast alle Läden in Ghana. Es lief ordentlich Musik, das ghanaische Bier war schön günstig (0,625l für ca. 50ct) und kühl und wir ließen den Tag tanzend ausklingen.
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