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  • Day 68

    In der Mausefalle

    February 5, 2019 in Chile ⋅ ☁️ 9 °C

    Oder ist nur das Wetter gegen mich?
    Gestern sah es ganz gut aus. Vom Flugzeug auf dem Rückflug von Santiago sah man zwar dicke Wolken, aber keinen Regen. Die ganze Woche hingen hier dicke Wolken und es regnete ungewöhnlich viel. Der wie immer unzuverlässige Wetterbericht brachte Wetterbesserung. Auch heute morgen sah es gut aus.
    Voll getankt und los. 200 km hinauf nach Ollagüe. Gestern abend um 10 Uhr nach der Rückkehr von Santiago habe ich noch das Federbein eingebaut. Jetzt vorbei an Vulkanen auf guter Straße zu dem gottverlassenen Grenzort in knapp 4000 m Höhe.
    Von hier sind es nochmals 250 km Piste bis Uyuni.
    Die Grenzabfertigung geht schnell, auch wenn sich der bolivianische Zöllner das Motorrad anschaut. Er steht direkt davor und sucht nach dem Kennzeichen. Ich zeige ihm das hintere, er ist zufrieden. Fahrgestellnummer, Marke - sieht man eigentlich und dann fragt er nach der Farbe. Ist er vielleicht farbenblind? Ich zeige auf das rote am Tank und sage roja und dann auf das weisse und sage blanca. Er ist zufrieden, sagt roja, blanca und trägt alles in ein Formular an. Überflüssig der Zoll.
    Die Piste ist in einem grausamen Zustand. Der Regen hat viel Material hereingeschwemmt, Teile weggerissen, tiefe Gräben gezogen und riesige unberechenbare Pfützen hinterlassen. Böses Wellblech, schmierige nasse Passagen und Rüttelpiste bringen schlechten Schnitt. Umdrehen? Zeit müsste reichen, sonst kann ich noch Zelten. Schöne Landschaften ziehen vorbei. Nach 50 km wird die Piste etwas besser, ich gebe Gas. Wasserdurchfahrten werden häufiger, dann nach 80 km kommt mir nach einer Kuppe eine schwarze Gewitterfront entgegen. Ich sehe schon dass es ein paar km voraus regnet. Hier ist alles flach, kein Dorf, kein Gewitterschutz. Noch ein Stück, vielleicht biegt die Piste ja vorher ab. Dann sehe ich das Problem schon. Da vorn regnet es stark, die Piste scheint blockiert, ein Lkw kommt mir rückwärts entgegen. Er kann nirgends wenden.
    Guter Rat ist teuer. Zelten wenig verlockend, weiter ins Gewitter fahren keine Option, ausserdem scheint nichts mehr zu gehen. 170 km liegen noch vor mir.
    Mir bleibt keine Wahl, ich muss umdrehen. Ich bin jetzt eingekreist von dunklen Regenwolken und bald regnet es in Strömen. Ich habe immer noch 60 km Piste bis zur Grenze zurück. Die Piste, die auf der Höhe der Lagunen liegt wird mal zum Bach, mal zum See. Ich habe Probleme mit den jetzt teils tiefen und langen Wasserdurchfahrten. Einmal bleibe ich im weichen lehmigen Untergrund fast stecken, aber der TKC80 wühlt sich immer wieder durch. Ausser mir scheint niemand mehr unterwegs zu sein. Mir ist nicht mehr wohl, komme ich durch die Wassermassen nicht mehr durch oder lege sie ins Wasser habe ich ein Problem. Ich sitze in der Falle. Darauf dass ich hier rauskomme würde ich nicht mehr wetten. Die letzte Option wäre dann das Zelt. Nicht verlockend, das kenne ich.
    Mit maximaler Konzentration und dem nötigen Glück bringe ich uns dann doch relativ ungeschoren zur Grenze. Wohl war mir längst nicht mehr. Immer wieder verschwanden die Zylinder in der dreckigen Brühe und jedesmal suchte ich die Stelle wo wieder Land war um 20 oder 50 m weiter wieder einzutauchen. Nach 10 Stunden, ziemlich nass und ohne Abstieg freue ich mich mal über eine Grenze. Geb das mühsam vom Zollbeamten ein paar Stunden vorher ausgefüllte Formular zurück und bekomme meine Stempel.
    Der chilenische Grenzübergang hat seine Arbeit aber schon eingestellt. Man kann mein Motorrad nicht mehr erfassen. Morgen früh um sechs. Ich frag den Migrationsbeamten ob ich dann hier mein Zelt aufschlagen kann. Unter dem Dach. Er geht mit mir zum Zoll, dieser überflüssigen Einrichtung, aber da ist man unerbittlich, schließlich ist Feierabend und der Computer ist aus.
    Er gibt mir den Einreisestempel in den Pass und ich kann zu Fuss in das 500 m enfernte Ollagüe gehen. Mein Motorrad muss hier bleiben. Dann erklärt er mir noch, dass die Straße in Richtung Calama auch wegen Überflutung gesperrt sei. Jetzt sitze ich doch in der Falle, vielleicht geht sie ja morgen wieder auf. Ausserdem reicht mein Sprit wahrscheinlich sowieso nicht bis zur nächsten Tanke in 200 km, aber auf den letzten 360 km gab's keinen und bei der Fahrerei heute könnte es trotz 35 l Fass mal nicht reichen. Aber es hätte ja auch schlimmer kommen können. Ich sitze im trockenen im einzigen Hostel hier, habe Abendessen und ein Bier. Was will man nach so einem Tag noch mehr.
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