• Stow on the Wold

    1. Januar in England ⋅ 🌧 6 °C

    Es war Neujahr, als wir uns auf den Weg von Liverpool nach Stonehenge machten. Es hatte südlich von Liverpool anscheinend die ganze Nacht geregnet – kein Nieselregen, sondern richtig kräftig, als ob der Himmel mit einem überdimensionalen Eimer Wasser kippen würde. Die Straßen waren mehr ein Mosaik aus Pfützen und kleinen Flüssen als eine normale Fahrbahn. Ehrlich gesagt, wenn ich an diesem Punkt mit einem Amphibienfahrzeug unterwegs gewesen wäre, hätte es keinen großen Unterschied gemacht. Immer wieder sausten wir durch tiefste Pfützen, als ob wir auf einem Bootsfahrt durch die Seenlandschaft von Wales waren. Aber egal, das Auto hielt tapfer durch – „Ein deutsches Fahrzeug“, dachte ich, „es kann alles ab!“

    Und so fuhren wir weiter, immer durch die nassen Weiten, bis wir Stow-on-the-Wold erreichten. Wer jemals dachte, die Cotswolds seien nur malerische Dörfer aus Filmkulissen, der muss dringend einen Abstecher nach Stow-on-the-Wold machen. Dieser Ort ist ein wahres Juwel. Wie eine Kulisse aus einem alten englischen Roman, in dem jeder Winkel nach Geschichte riecht – zumindest nach Geschichte und teuren Antiquitäten. Hier hat der Zahn der Zeit nicht nur die Gebäude, sondern auch die Preise gehörig gezeichnet. Die Geschäfte strotzen vor Sammlerstücken, die man mit einem Lächeln an den Ladenbesitzer weiterreichen kann, um dann einen durchschnittlichen Immobilienpreis für ein altes Tee-Service zu zahlen.

    Die Atmosphäre? Urig. Wie ein Gemälde aus dem 18. Jahrhundert, aber mit WLAN. Natürlich mussten wir in einem der Pubs Einkehr halten. Neujahrstag, also nicht viele Leute unterwegs, und fast alle Geschäfte waren geschlossen. Aber das war natürlich kein Hindernis – ein halbes Pint für den "Durst" des Fahrens durfte nicht fehlen. Der Pub war gemütlich, holzvertäfelt und von einer charmanten Barkeeperin betrieben, der mit einem Lächeln die "traditionelle" britische Atmosphäre präsentierte. Allerdings, die wenigen Leute, die unterwegs waren, besitzen hier alle Tische. Wir tranken unser Pint klassisch im Stehen am Tresen und beobachteten die Leute. So ein Ort, an dem der Staub der Jahrhunderte in den Ecken hängt und die Tische eher wie in einem britischen Krimi als in einem Restaurant aussehen.

    Und dann… da war es. Das erste Rätsel des Tages. Das Front-Nummernschild. Einfach weg. Nichts da, keine Spur. Es war, als ob das Auto selbst einen rebellischen Silvesterstreich gespielt hätte. „Hm“, dachte ich, „wohl zu viel von der Pfützen-Welle erwischt“. Aber was soll's? Wenn niemand es sieht, dann existiert es ja quasi nicht. Wir machten also einfach weiter – kein Schild, keine Sorge, alles halb so wild. So tun, als wüsste man von nichts, ist manchmal der beste Plan.

    Die restlichen 50 Meilen bis Stonehenge waren eine entspannte Fahrt – naja, wenn man „entspannt“ als das Steuern durch mehr oder weniger zusammenfließende Flüsse auf der Straße definieren möchte. Der Regen hörte nicht ganz auf, aber irgendwie ist es ja auch das „britische Wetter“, nicht wahr? Man fühlt sich fast zugehörig, wenn man durch den Regen fährt, als ob man ein offizieller Teil des „Royal Weather Experience“-Programms ist.

    Ach, und Stonehenge selbst? Nun, das ist eine andere Geschichte, aber immerhin haben wir es unfallfrei erreicht – mit oder ohne Nummernschild!
    Weiterlesen