• Aquarienrausch im Klosterlicht...

    June 10 in Germany ⋅ 🌧 15 °C

    Nach Taschentuchkontrolle, Halloren-Kugel und Kirchturm beschlossen wir, dass uns nun die Tiefsee ruft. Oder besser gesagt: das MEERESKUNDEMUSEUM in Stralsund. Es war früher Nachmittag, und wir wollten das Beste aus dem regnerischen Wetter machen. Schließlich hatten wir am Morgen unsere Pläne schlau getauscht – und wie sich zeigte: gute Entscheidung.

    Vor dem ehemaligen Katharinenkloster, in dem das Museum untergebracht ist, prangte in großen Lettern das Wort „Wiedereröffnung“. Ich raunte Margriet noch zu, dass ich 18 Euro für den Eintritt etwas salzig fand – da lächelte der Mann hinter der Kasse wissend: Heute 50 % auf alles – wegen noch nicht ganz fertiger Aquarien. Nur heute. Nur für uns, quasi. Ich grinste Margriet an: „Siehst du, Regen hat auch seine guten Seiten.“ – „Der Klügere geht eben ins Museum“, sagte sie verschmitzt.

    Kaum betraten wir das ehrwürdige, riesige Gemäuer, zog es uns förmlich in seinen Bann: ein altes Kloster, durchzogen von moderner Ausstellungstechnik und einem Farbspektrum, das irgendwo zwischen „G Nemo“ und „Künstlerischer Tiefsee“ schwankte.

    ( G NEMO - „Gebäudekomplex Neuer Erweiterungsbau Meeresmuseum Ostsee“
    Es handelt sich um eine interne oder projektbezogene Abkürzung, die während der Modernisierung und Erweiterung des Meeresmuseums Stralsund verwendet wurde. Im Rahmen des Umbaus wurde nämlich ein neuer Anbau errichtet – ein hochmoderner Aquarienkomplex, der unter diesem Projektnamen G-NEMO lief.
    Der Name ist sicher auch ein augenzwinkernder Bezug auf „Findet Nemo“, den bekannten Pixar-Film, passend zum Thema Meereswelt.)

    Alles war auf mehreren Etagen verteilt – gut gemacht, barrierefrei, mit Liebe zum Detail. Und Meereslebewesen in allen Kategorien: hübsch, hässlich, krabbelnd, zappelnd, schwebend, schnappatmend.

    Im hinteren Trakt – ich musste kurz nach dem Weg fragen, denn das Kloster ist größer als manche Altstadt – lagen die Aquarien. Und dann standen wir plötzlich inmitten blauer Lichtwellen, eingefärbter Wasserschatten und glasumschlossener Korallenheimat. Krabben tanzten auf kalkigem Untergrund, Neonfische blitzten durch das Karibikbecken, und ein Tintenfisch imitierte wahlweise einen Designerteppich oder einen aufgeregten Teppichdesigner.

    Dann, der Moment: Die Riesenwasserschildkröte. Allein. Majestätisch. Und irgendwie... einsam. Margriet wurde still, ihre Augen feucht. „Die ist so allein, das ist doch traurig“, sagte sie leise. Ich berührte sanft ihren Arm. „Vielleicht bekommt sie bald Gesellschaft – der Mann an der Kasse sagte doch, nicht alles ist fertig.“ Sie nickte, aber der Blick blieb weich.

    Wir blieben lange bei der Schildkröte. Vielleicht, weil wir beide spürten, dass da mehr schwamm als nur ein gepanzerter Reptilienriese. Vielleicht, weil Margriet darin etwas erkannte. Vielleicht auch, weil es einfach schön war, still zu sein.

    Als wir später auf die Uhr sahen, knurrte nicht nur unser Magen, sondern auch mein innerer Bier-Kompass. „Ich höre sie rufen“, sagte ich. – „Die Schildkröte?“ – „Nein. Die Störtebeker Brauerei.“ Margriet lachte, das Leuchten war zurück. Und wir machten uns auf ins Brauhaus, das – wie durch göttliches Timing – nur 15 Minuten entfernt lag.
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