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- Day 3
- Tuesday, June 10, 2025 at 9:37 AM
- 🌧 15 °C
- Altitude: 6 m
GermanyMönchgut54°19’47” N 13°42’18” E
Breedehus, Bier und Bastelspaß...

Wegen des feinen Nieselregens – so einem, der sich unsichtbar in Jackenfasern mogelt und sich dann stundenlang nicht mehr aus dem Stoff bequemt – beschlossen wir, unsere frisch erworbenen Schulzeugnisse nicht unnötig diesem Schicksal auszusetzen. Also erstmal: Sicherheitsverwahrung im Auto. Trockene Tinte, trockene Schülerseelen.
Dann ging’s los durch Middelhagen, dieses Bilderbuchdorf mit Kopfsteinpflaster und Ostsee-Postkartenästhetik. Direkt neben dem Schulmuseum entdeckten wir ein kleines Schmuckstück: das Breedehus, ein ehemaliges Gemeindehaus, das nun eine Galerie beherbergt. Draußen ein Schild, das nach Sonne und Farbe klang. Innen: ein echter Knetkosmos.
Die Ausstellung „Sonne, Knete, Farbe – KI Laden Middelhagen“ klingt wie ein Kindergeburtstag mit Bildungsauftrag – war aber ein ziemlich durchdachter und doch verspielter KunstGemischtWarenLaden. Präsentiert wurden Knetarbeiten von Frank Käubler und Aquarelle von Birgit Walter. Und mittendrin: eine KI-generierte Visualisierung eines Wikingerfunds mit dem klingenden Namen Lobber Hort – ein „Gravitationsobjekt“ (fragt nicht) – das zum allerersten Mal in Deutschland ausgestellt wurde. Ja, auch wir mussten zweimal lesen. Dann kneten.
Frank, der selbst mit Knete mehr erzählen konnte als manch Politiker mit Mikrofon, gab uns eine exklusive Führung. Mit einem Herz für Kunst, Humor und der Geduld eines Physiklehrers kurz vor den Ferien erklärte er Margriet das Konzept. Während sie noch überlegte, ob man mit 85 Jahren überhaupt noch mal kneten sollte, drückte er ihr ein Stück Knetmasse in die Hand. Sie wurde kreativ.
Margriet erzählte währenddessen von ihrer Heimat in Holland, Birgit von Frankfurt (der an der Oder) und der Wirtschaft, und ich – wie so oft – vom Süßkram. Denn als kleines Dankeschön bekam Margriet eine echte Halloren-Kugel überreicht.
(Anmerkung: Die Halloren-Kugel stammt aus Halle an der Saale - 1952 erstmals produziert, ist eine traditionsreiche Praline mit Schokoladenüberzug und einer charakteristischen zweifarbigen Füllung – man beißt sie idealerweise einmal ab, um das Innere – eine helle und eine dunkle Cremehälfte – zu entdecken. Die Süßigkeit ist ein Klassiker der ostdeutschen Naschkultur. Der Name "Halloren" leitet sich von den Salzarbeitern ab, die in der Region tätig waren.)
Ich klärte Margriet augenzwinkernd auf: „Nicht ganz Haute Cuisine, aber definitiv Kultur – und zwar aus meiner Heimat!“ Sie biss vorsichtig ab, nickte zustimmend und meinte, dass man noch dazu lernen könne – auch über Pralinen.
Dann verabschiedeten wir uns aus dem Knetkosmos und liefen zur St.-Katharinen-Kirche, ein gotisches Bauwerk aus dem Jahr 1455. Der hölzerne Kirchturm und die historische Ausstattung, darunter der Katharinenaltar aus dem 15. Jahrhundert, beeindruckten uns. Die Orgel von 1862, auf der auch Albert Schweitzer gespielt haben soll, rundete das historische Ambiente ab. (Die St.-Katharinen-Kirche in Middelhagen gehörte damals zum Kloster Eldena bei Greifswald. Der hölzerne Kirchturm und das Gewölbe des Kirchenschiffs stammen aus späterer Zeit. Der Katharinenaltar wurde um 1480 gefertigt und kam nach dem Dreißigjährigen Krieg nach Middelhagen. Die Orgel wurde 1862 von Barnim Grüneberg gebaut.)
Und danach? Nun ja – nach der Kirche kommt, wie früher bei den Mönchgut-Männern: das Bier.
Gegenüber lag das älteste Gasthaus mit eigener Brauerei auf Rügen, ein urgemütlicher Ort mit Holzbalken, Dielen und dem leicht melancholischen Geruch von Geschichte und Hopfen.
Margriet und ich verkosteten jeweils das dunkle und das helle Hausbier, beide zufrieden mit uns, dem Tag und der trockenen Tinte im Auto.
Nur die Jacke… ja, die Jacke...
Die blieb wohl sitzen – brav über der Stuhllehne. Wir merkten’s erst am Abend. Aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte…Read more