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- Day 1
- Sunday, July 13, 2025 at 2:13 PM
- ☀️ 27 °C
- Altitude: 179 m
FranceQuincampoix49°30’49” N 1°10’10” E
Neufchâtel - Herz aus Käse

Neufchâtel empfing uns mit einer Stille, die beinahe feierlich war. Die Straßen leer, die Fensterläden geschlossen, die Stadt wie ausgestorben – als hätte jemand auf „Pause“ gedrückt. Sonntagmittag in der Normandie.
Wir parkten in der Nähe der Halle au Fromage, der ehrwürdigen Käsehalle des Ortes, liefen ein Stück zu Fuß durch die kopfsteingepflasterten Gassen. Über uns flatterten rote Banner mit zwei goldenen Löwen – das alte Wappen der Normandie. Ich erinnerte mich an die Anekdote, dass es einmal ernsthaft Überlegungen gab, einen dritten Löwen hinzuzufügen – angeblich als Anlehnung an das Wappen Englands. Es gab sogar offizielle Drucke, doch am Ende blieb es beim Duo. Die Normandie kennt ihren Stolz. Und ihre Geschichte.
Hier, in diesen stillen Gassen, wurde einer der ältesten Käse Frankreichs geboren: Neufchâtel. Weiß, rustikal, mit einer Rinde wie handgeschöpftes Leinen und einem Herz aus cremigem, leicht salzigem Teig.
Ein Käse mit Geschichte – und mit Gefühl. Während des Hundertjährigen Kriegs sollen junge Frauen der Region herzförmige Laibe gebacken und sie den englischen Soldaten überreicht haben – als Zeichen ihrer heimlichen Zuneigung. Ob aus Liebe oder aus List – man weiß es nicht. Sicher ist nur: Der Neufchâtel war der erste Käse Frankreichs, der die geschützte AOP-Kennzeichnung erhielt. Ein Käse mit Herkunft, Charakter und einem Hauch von Widerstand.
Das kleine Käsemuseum, auf das ich mich gefreut hatte, hatte geschlossen. Auch die Halle war dunkel. Nur wir, der Käse in unserer Vorstellung – und die zunehmende Hitze. Es war drückend geworden, die Luft stand. Unsere Schritte wurden langsamer, hungriger.
„Lass uns einfach weiterfahren“, sagte Margriet. „Irgendwo wird schon ein schattiger Garten sein.“
Wir entschieden uns, auf die Autobahn zu verzichten – fuhren Landstraße, unter mächtigen Platanen hindurch, an Weiden vorbei, auf denen schwarz-weiße Kühe dösten wie gemalt. Die Normandie in ihrer sanften, satten Weite.
Und dann fanden wir es: L’Auberge La Grillade – ein einfacher Name, ein Ort wie aus einem französischen Sonntagnachmittag herausgeschnitten.
Im Garten, zwischen blühenden Lavendelbüschen und dem Zirpen der Grillen, setzten wir uns unter einen großen, alten Sonnenschirm. Die Tischdecke war weiß, das Lächeln der Kellnerin echt.
Margriet nahm einen Garnelencocktail, ich bestellte frische Austern. Dazu eine Flasche Rosé aus der Provence, kühl, fruchtig, mit dem ersten Schluck wie ein Versprechen.
Zum Dessert wählte Margriet Pfirsich mit Meringue – wie eine kleine Erinnerung an ihre Kindheit, sagte sie. Ich blieb beim Thema: eine Variation normannischer Käse, Neufchâtel natürlich, Livarot, ein Hauch Camembert. Weich, würzig, weltoffen.
Wir waren angekommen.
In der Normandie.
Im Jetzt.
Es war gerade einmal 15 Uhr – Rouen lag noch eine Stunde entfernt, doch die Zeit hatte ihre Eile verloren.
Nur der Rosé war schneller leer als gedacht ;0)...Read more