- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 1
- domingo, 13 de julho de 2025 09:08
- ☀️ 18 °C
- Altitude: 16 m
BélgicaMiddelkerke51°11’21” N 2°49’7” E
Madame Caravan - Croissants mit Aussicht

Ich war am Samstag bereits nach Ouddorp gefahren – eine kleine Küstenstadt in den Niederlanden, in der Margriet lebt. Troisdorf und Ouddorp trennen rund 300 Kilometer, aber an diesem Wochenende schien der Weg kürzer, fast wie der Anfang eines alten Films: Zwei Frauen, zwei Koffer, ein Ziel.
Am nächsten Morgen, stand sie schon in der Tür. 85 Jahre – und trug schon diese jugendliche Erwartung im Gesicht, als würde gleich ein Abenteuer beginnen. Ihr Koffer stand griffbereit neben ihr. Ich hob ihn mit übertriebener Anstrengung hoch und stöhnte gespielt.
„Margriet, was hast du eingepackt – die Steine von Étretat?“
Sie lachte. Hell, offen, wie jemand, der sich nicht mehr beeindrucken lassen muss. „Ach was, das ist kaum etwas. Nur das Nötigste.“
15 Minuten vor sieben – abfahrbereit. Ich hätte es wissen müssen ;0)...
Wir rollten los, noch vor dem ersten Verkehr. Die Straßen leer, die Stimmung heiter. Das Wetter? Noch mild, ein fast zärtlicher Sommermorgen. Doch der Tag würde heiß werden, schwül sogar. Der Himmel war blassblau, als hielte er die Hitze schon bereit.
Ich hatte einen kleinen Stopp geplant – in Middelkerke, Belgien. Dort wollte ich mit Margriet bei Madame Caravan frühstücken. Ein Café, das aussieht wie aus einem französischen Roman: klein, verspielt, mit handgeschriebenen Kreidetafeln und dem Duft nach Kaffee, der wie eine Umarmung wirkt.
„Wusstest du eigentlich, dass unser Urlaub genau auf den französischen Nationalfeiertag fällt?“, fragte ich, als wir durch Westflandern rollten.
„Wirklich? Dann gibt’s sicher Feuerwerk.“
„Und volle Restaurants. Ich hab ewig gebraucht, um uns einen Tisch zu organisieren.“
Sie nickte, so, als hätte sie nie daran gezweifelt, dass ich das hinkriege.
In Middelkerke war es noch still. Sonntag, neun Uhr morgens – nur einige Jogger und Hundegänger auf der Promenade, der Wind trug den salzigen Duft des Meeres zu uns. Der Parkplatz war ein kleines Geduldsspiel. Wir mussten ein paar Runden drehen, ehe wir das Auto abstellen und ein Stück am Strand entlanglaufen konnten. Ich atmete tief ein. Es war dieser Moment, in dem der Tag sein Versprechen gibt.
Ich wollte wieder ein kleines Video drehen – wie immer, ein Clip pro Tag, aus den Orten, die wir besuchen. Und Margriet? Sie sprang über das Handy wie ein junges Reh. Mitten in der Sonne, mitten im Leben. Der zweite Clip des Tages – perfekt eingefangen.
Dann erreichten wir Madame Caravan.
Es war so, wie ich es mir vorgestellt hatte – nur ein bisschen schöner. Die Fensterbank war ein Tresen, mit hohen Hockern, die den Blick nach draußen freigaben. Sonnenstrahlen fielen durch die Scheiben, der Raum roch nach frisch gemahlenem Kaffee. Hinter der kleinen Bar stand eine junge Frau mit Sommersprossen und einem Lächeln, das man ernst nehmen musste.
„Habt ihr reserviert?“, fragte sie.
Ich verneinte.
„Frühstück gibt’s nur mit Reservierung…“ – und dann, nach einem kurzen Zögern: „…aber ich hätte da noch Croissants. Frisch aufgebacken. Mit hausgemachter Marmelade. Latte Macchiato dazu?“
Ich sah Margriet an. Sie nickte bereits, bevor ich antworten konnte.
Wir nahmen jeder zwei Croissants – ein Zugeständnis an die Gier, die man nicht immer zügeln sollte. Die Marmelade war aus dunklen Waldbeeren, nicht zu süß, fast herb, wie ein gutes Gespräch. Zwischen den Bissen hörte man das leise mmmhh, das manchmal ehrlicher ist als Worte.
Draußen gingen die Hundehalter spazieren. Drinnen tranken wir langsam, beobachteten still, sagten wenig – weil man das, was schön ist, nicht immer benennen muss.
Dann bezahlten wir. Margriet zog ihre Sonnenbrille auf.
„Die Normandie ruft“, sagte sie.
Ich nickte.
Und der Weg führte uns weiter – immer an der Küste entlang. Nächster Halt: Neufchâtel.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 1
- domingo, 13 de julho de 2025 14:13
- ☀️ 27 °C
- Altitude: 179 m
FrançaQuincampoix49°30’49” N 1°10’10” E
Neufchâtel - Herz aus Käse

Neufchâtel empfing uns mit einer Stille, die beinahe feierlich war. Die Straßen leer, die Fensterläden geschlossen, die Stadt wie ausgestorben – als hätte jemand auf „Pause“ gedrückt. Sonntagmittag in der Normandie.
Wir parkten in der Nähe der Halle au Fromage, der ehrwürdigen Käsehalle des Ortes, liefen ein Stück zu Fuß durch die kopfsteingepflasterten Gassen. Über uns flatterten rote Banner mit zwei goldenen Löwen – das alte Wappen der Normandie. Ich erinnerte mich an die Anekdote, dass es einmal ernsthaft Überlegungen gab, einen dritten Löwen hinzuzufügen – angeblich als Anlehnung an das Wappen Englands. Es gab sogar offizielle Drucke, doch am Ende blieb es beim Duo. Die Normandie kennt ihren Stolz. Und ihre Geschichte.
Hier, in diesen stillen Gassen, wurde einer der ältesten Käse Frankreichs geboren: Neufchâtel. Weiß, rustikal, mit einer Rinde wie handgeschöpftes Leinen und einem Herz aus cremigem, leicht salzigem Teig.
Ein Käse mit Geschichte – und mit Gefühl. Während des Hundertjährigen Kriegs sollen junge Frauen der Region herzförmige Laibe gebacken und sie den englischen Soldaten überreicht haben – als Zeichen ihrer heimlichen Zuneigung. Ob aus Liebe oder aus List – man weiß es nicht. Sicher ist nur: Der Neufchâtel war der erste Käse Frankreichs, der die geschützte AOP-Kennzeichnung erhielt. Ein Käse mit Herkunft, Charakter und einem Hauch von Widerstand.
Das kleine Käsemuseum, auf das ich mich gefreut hatte, hatte geschlossen. Auch die Halle war dunkel. Nur wir, der Käse in unserer Vorstellung – und die zunehmende Hitze. Es war drückend geworden, die Luft stand. Unsere Schritte wurden langsamer, hungriger.
„Lass uns einfach weiterfahren“, sagte Margriet. „Irgendwo wird schon ein schattiger Garten sein.“
Wir entschieden uns, auf die Autobahn zu verzichten – fuhren Landstraße, unter mächtigen Platanen hindurch, an Weiden vorbei, auf denen schwarz-weiße Kühe dösten wie gemalt. Die Normandie in ihrer sanften, satten Weite.
Und dann fanden wir es: L’Auberge La Grillade – ein einfacher Name, ein Ort wie aus einem französischen Sonntagnachmittag herausgeschnitten.
Im Garten, zwischen blühenden Lavendelbüschen und dem Zirpen der Grillen, setzten wir uns unter einen großen, alten Sonnenschirm. Die Tischdecke war weiß, das Lächeln der Kellnerin echt.
Margriet nahm einen Garnelencocktail, ich bestellte frische Austern. Dazu eine Flasche Rosé aus der Provence, kühl, fruchtig, mit dem ersten Schluck wie ein Versprechen.
Zum Dessert wählte Margriet Pfirsich mit Meringue – wie eine kleine Erinnerung an ihre Kindheit, sagte sie. Ich blieb beim Thema: eine Variation normannischer Käse, Neufchâtel natürlich, Livarot, ein Hauch Camembert. Weich, würzig, weltoffen.
Wir waren angekommen.
In der Normandie.
Im Jetzt.
Es war gerade einmal 15 Uhr – Rouen lag noch eine Stunde entfernt, doch die Zeit hatte ihre Eile verloren.
Nur der Rosé war schneller leer als gedacht ;0)...Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 1
- domingo, 13 de julho de 2025 20:02
- ⛅ 27 °C
- Altitude: 30 m
FrançaRouen49°26’29” N 1°5’29” E
Rouen - Ankommen in Zeit und Licht

Die Landstraße zog sich wie ein gemalter Fluss durch das satte Grün der Normandie. 80 Kilometer pro Stunde – schneller wäre Sünde gewesen.
Rechts und links saßen die Heuballen wie schlafende Tiere auf den Feldern, von der Sonne gebleicht, fast golden.
Margriet schaute aus dem Fenster.
„Siehst du das?“, sagte sie.
Ich nickte.
Man hätte sie wirklich pflücken können.
Unsere Unterkunft in Rouen lag in einem modernen Komplex, groß, fast klotzig, mit langen Balkonen und viel Beton. Kein Schloss, keine Tür, kein Schlüssel ohne Anleitung – doch wir hatten sie.
Check-in per Code, ein Kasten, ein Klick.
Margriet nahm den Schlüssel. Sie drehte ihn mit einem kurzen „Ah!“ im Schloss – und lies mich als Erste ein.
Die Wohnung war ein kleines Reich: 80 Quadratmeter, zwei Schlafzimmer, viel Licht, klare Linien, freundliche Stille.
„Such dir dein Schlafzimmer aus“, sagte ich.
„Nein, mach du.“
„Nein, du ;0)...“
Sie lächelte und deutete auf eines der beiden.
„Dieses. Ich glaube, das ist schön dunkel.“
Wir richteten uns ein. Zwei Frauen, zwei Räume, zwei Leben, die sich für ein paar Tage im selben Takt bewegten.
Am frühen Abend – die Sonne war noch weich und tief – beschlossen wir, durch die Altstadt zu schlendern.
Rouen empfing uns mit seinen Fachwerkhäusern, engen Gassen und diesem historischen Herzschlag, der durch jede Mauerritze zu vibrieren scheint.
Wir standen unter dem Gros-Horloge – der großen, goldenen Uhr, die sich über die Rue du Gros-Horloge spannt wie eine Zeitbrücke.
Sie glänzte im Licht, als wäre sie aus einem Märchen gefallen.
„Da ist sie“, sagte ich.
Margriet trat einen Schritt zurück, hob das Kinn.
„Wunderschön. Wie eine Sonne mit Ziffern.“
Später – ein anderes Kapitel wird sich ganz ihr widmen – doch schon jetzt faszinierte sie uns.
Unter der Uhr, auf dem Pflaster, entdeckten wir ein weiteres Zeichen: eine goldene Muschel, eingefasst in einen Stern.
Das Zeichen des Jakobswegs.
Ich erzählte Margriet, dass Pilger aus ganz Europa diesen Spuren folgen – zu Fuß, mit Fahrrad, manchmal auch nur im Geiste – auf dem Weg nach Santiago de Compostela in Spanien.
Die Muschel, Symbol des Heiligen Jakobus, steht für Schutz, Orientierung und Wegfindung. Früher trugen Pilger sie an ihren Taschen – als Erkennungszeichen, als Glücksbringer.
„Vielleicht sind wir auch auf einer Art Jakobsweg“, sagte Margriet.
Ich schwieg – denn der Gedanke war schön.
Dann hob ich den Blick zur Uhr.
„Siehst du den Mond?“
Oben links, in einem kleinen Ziffernkreis, stand ein silberner Sichelmond.
Die Uhr zeigt nicht nur die Stunde – sie zeigt auch die Mondphase an.
Ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der der Mond das Leben bestimmte: Saat und Ernte, Ebbe und Flut, Geburt und Tod.
Heute Nacht: Sichel. Leicht, ruhig, offen.
Wir gingen weiter durch das weiche Licht des Abends.
Langsam.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 1
- domingo, 13 de julho de 2025 20:07
- ⛅ 27 °C
- Altitude: 38 m
FrançaRouen49°26’31” N 1°5’33” E
Steinerne Wucht und stille Wächter

Wir bogen um eine Ecke – und blieben stehen.
Der Justizpalast von Rouen.
Ein Gebäude, das nicht einfach nur da steht – es tritt auf.
Steinerne Macht, ein Schachzug aus Gotik und Renaissance, breit gebaut und doch voller filigraner Spitzen, Friese und Statuen. Ein Palast der Gerechtigkeit, wie man ihn kaum irgendwo sonst in Frankreich findet. Und wahrscheinlich auch nirgendwo sonst so schön.
Unsere Stimmen versiegten. Selbst Margriet, die immer etwas zu sagen wusste, sah nur stumm nach oben.
Die Fassaden waren übersät mit Ornamenten, Wappen, grotesken Fratzen und Tierwesen. Golems nannte ich sie – und ich glaube, das meinte ich nicht ganz falsch ;0), auch wenn es technisch gesehen eher Gargoyles oder Chimären waren, steinerne Wächter, die sich zwischen Fabel und Realität verfangen haben.
Hinter einem schmiedeeisernen Zaun entdeckten wir eine riesige Plexiglasscheibe, fast wie ein Schild – durchsichtig, aber präsent. Davor: vier Informationstafeln, die das Gebäude erklärten, seinen Ursprung, seine Wunden, seine Wandlung.
Der Justizpalast, so erfuhren wir, wurde im 15. Jahrhundert als Sitz des Parlaments der Normandie erbaut – damals eine mächtige Regionalinstanz unter der Krone Frankreichs.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt. Ein Bombenangriff der Alliierten 1944 ließ Teile des Dachs einstürzen und ganze Flügel zerstören. Der Wiederaufbau dauerte Jahrzehnte.
Und doch – oder vielleicht gerade deshalb – steht der Palast heute wie ein Monument aus Mut und Geduld.
Das Abendlicht glitt langsam über die Steinflächen. Es entlockte dem Gebäude Geheimnisse, die bei Tag verborgen bleiben: kleine Drachen, die sich aus Fenstersimsen winden, Gesichter in Kapitellen, florale Muster zwischen den Bögen.
Ich trat näher an das Gitter, legte die Hände auf das warme Eisen.
„Wenn Gerechtigkeit ein Gesicht hätte“, sagte ich leise, „dann vielleicht so eines.“
Margriet nickte.
„Und was für eins.“
Wir standen noch eine Weile da. Beobachteten, staunten, schwiegen.
Und dann gingen wir weiter. Rouen hatte noch mehr zu erzählen.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 1
- domingo, 13 de julho de 2025 20:11
- ☁️ 29 °C
- Altitude: 27 m
FrançaRouen49°26’23” N 1°5’45” E
Rouen - eine Stadt aus Licht & Linien

20:15 Uhr.
29 Grad.
Die Sonne stand noch immer über den Dächern von Rouen, als wäre der Tag nicht bereit, sich zu verabschieden. Wir liefen durch die Gassen, ohne Ziel, nur dem Licht folgend. Es war ein anderes Licht – golden, weich, beinahe flüssig.
Die Stadt schwieg.
Die Fachwerkhäuser, mit ihren schiefen Linien und dunklen Balken, warfen lange Schatten. Rue du Romain – eine Straße wie aus einer mittelalterlichen Kulisse. Häuser, die sich nach vorne neigten, als würden sie neugierig auf uns herabblicken, Fenster, die schmal waren wie Augen, die zu viel gesehen haben.
Und doch: Charme in jeder Fuge. Wärme in jedem Stein.
Die Hitze lag noch schwer in der Luft. Die Stadt war fast menschenleer – als hätte sich Rouen selbst zurückgezogen, um dem Abend zu lauschen. Kein Lärm, kein Verkehr, nur unser gemächlicher Schritt und das gelegentliche Summen der fernen Glocken.
Wir näherten uns der Église Saint-Maclou, einer spätgotischen Schönheit mit dramatischer Fassade.
Im Abendlicht glühte sie – ein heller, fast weiß-goldener Schein, der sie wie ein Bild wirken ließ.
Wir blieben stehen. Sagten nichts. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen Architektur zu Emotion wird.
„Wie ein riesiges Kunstwerk aus Licht und Stein“, flüsterte Margriet.
Weiter vorne ragten die krummen Häuser der Altstadt empor – windschiefe Dächer, hölzerne Erker, die sich wie Träume über die Straße beugten. Manche wirkten, als hätte ein Uhrmacher sie aus dem Gleichgewicht gebaut – und genau das machte sie schön.
Wir liefen weiter, ganz langsam, ließen uns treiben.
Vieles würden wir in den kommenden Tagen mit dem City-Pass entdecken: Museen, Kirchen, Gärten, vielleicht ein Boot auf der Seine. Aber heute – heute war alles, was wir brauchten, dieses Licht.
Und die Vorfreude.
Rouen, so viel war schon jetzt klar, war keine laute Stadt.
Sie war eine leise Schönheit. Eine, die man gehen musste, um sie zu verstehen.
Und dann – fast wie ein Finale – standen wir plötzlich vor Notre-Dame.
Groß. Erhaben.
In Stein gegossene Zeit.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 1
- domingo, 13 de julho de 2025 20:14
- ⛅ 27 °C
- Altitude: 41 m
FrançaRouen49°26’26” N 1°5’38” E
Margriet gegen die kleine Chinesin

Da war sie.
Notre-Dame de Rouen.
Erhaben, still, riesig. Eine Kathedrale, die eher Wellen schluckt als Worte. Wir setzten uns auf die Stufen, mittig auf dem großen Platz – die Steine noch warm vom langen Sommertag. Der Himmel glühte nicht mehr, aber die Luft trug noch die Hitze des Tages in sich. Es war kurz vor zehn, und der Platz begann sich langsam zu füllen.
Wir hatten davon gehört: Notre-Dame Lumière – eine Lichtshow, die die Fassade der Kirche in Bewegung setzt, in Geschichte verwandelt, in Farbe, Klang und Erzählung. Jedes Jahr ein neues Thema. Dieses Mal: die Wikinger.
Passend, denn sie waren einst bis hierher gesegelt, die Seine hinauf, hatten Rouen belagert und später besiedelt.
Ein Kapitel, das sich in das Steinbuch dieser Stadt eingebrannt hatte. Und nun – neu erzählt, mit Licht statt Schwertern.
Nur… es passierte nichts.
22 Uhr. Nichts.
22:15 Uhr. Noch immer nichts – aber der Regen kam. Erst zögerlich, dann mit Kraft.
Ein Gewitter zog auf, und mit ihm der Wind, der unsere Haare zerzauste und uns zu besseren Strateginnen machte.
Wir flüchteten unter einen großen Türbogen auf der gegenüberliegenden Seite. Nicht wir allein: Drei chinesische Touristinnen suchten ebenfalls Schutz.
Eine von ihnen drängte sich immer weiter an Margriet heran – Stück für Stück, fast unmerklich.
Doch Margriet bemerkte es sehr wohl.
„Die will mich hier rausdrängen!“
„Sie ist doch klein ;0)...“, sagte ich.
„Unverschämt ist sie, aber nicht mit mir“, sagte Margriet.
Sie blieb standhaft, wie eine Burgherrin.
Direkt vor uns stand noch eine junge französische Mutter mit ihrer Tochter. Das Mädchen war vielleicht acht Jahre alt, ungeduldig, gespannt.
„Encore dix minutes,“ sagte die Mutter beruhigend.
Ich schaute auf meine Uhr. 22:50 Uhr.
Draußen auf dem Platz, mitten im Regen, saß ein Mann immer noch auf den Stufen.
Reglos. Ohne Schirm.
Er ließ den Sommerregen auf sich niederprasseln, als wäre er im Hammam.
„Franzosen…“, murmelte ich.
Ich begann, sie ein kleines bisschen zu hassen – für ihre lässige Unpünktlichkeit, für ihr stoisches „C’est la vie“, für ihr ewiges „Bald“.
23 Uhr. Nichts.
Und dann.
23:20 Uhr.
Licht.
Zuerst nur ein Flackern. Dann wuchs es. Die Kathedrale lebte plötzlich.
Ihre Fenster begannen zu leuchten, Runen flackerten über das Portal, Schlangenköpfe krochen über das Mauerwerk, als wären sie nie verschwunden. Musik setzte ein – tief, nordisch, rhythmisch. Die Geschichte der Wikinger in Rouen, erzählt in Licht und Klang.
Wir schwiegen. Margriet lächelte.
Der Regen hörte auf.
Der Platz dampfte.
Als es vorbei war, war es nach Mitternacht.
Wir gingen zurück – durch stille Gassen, vorbei an dunklen Fenstern.
Unser Zuhause für diese Tage lag hinter einer Schranke, in einem hohen Wohnkomplex.
Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer, drehte mich noch einmal zu Margriet um und sagte mit einem Lächeln:
„Du kannst morgen gerne ausschlafen – kein Wecker, nur der Nationalfeiertag.“
Sie nickte, hielt inne – und verschwand in ihr Zimmer.
Durch die geöffneten Fenster wehte die warme Nachtluft. Irgendwo im Haus wurde gefeiert und gelacht, Stimmen hallten durch die offenen Fenster – ein leiser Vorgeschmack auf den morgigen Tag.
Ich legte mich aufs Bett, hörte, wie auch Margriet ihr Fenster öffnete.
Die Stadt atmete tief durch nach der Hitze des Tages.
Und wir auch.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 2
- segunda-feira, 14 de julho de 2025 09:41
- ☁️ 20 °C
- Altitude: 41 m
FrançaRouen49°26’26” N 1°5’38” E
Ein Morgen in Rüschen & Ruinen

Der erste Morgen in Rouen begann, wie meine Morgen oft beginnen – früh.
Ich bin der Vogel, der schon vor dem Sonnenaufgang im Nest zwitschert. Während Margriet noch schlief, saß ich bereits mit meinem Handy im Halbdunkel des Schlafzimmers und schnitt das Tagesvideo von gestern zusammen.
Ich war überrascht, wie viel wir schon erlebt hatten. Nur ein Tag war vergangen, und doch fühlte es sich an wie drei.
Als ich aufstand und mich in die Küche begab, lag noch Stille über der Wohnung. Ich freute mich, dass Margriet so ruhig schlief – ein gutes Zeichen. Ankommen, zur Ruhe kommen, sich wohlfühlen – das ist mehr wert als jedes touristische Highlight.
Ich kochte Tee und Kaffee, rührte Rührei in der Pfanne, schob Brötchen in den Ofen. Der Duft zog langsam durch die Wohnung, schlich sich in die Flure und an ihre Zimmertür.
Wenig später schwebte sie herein – verschlafen, im weißen Rüschennachthemd, das an eine Szene aus einem alten französischen Film erinnerte.
Sie schnupperte, schaute auf den gedeckten Tisch und fragte halb im Ernst, halb amüsiert:
„Soll ich erst duschen oder mich direkt hinsetzen?“
Ich lachte.
„Wenn es nach mir geht: genau so. Dieses Nachthemd verdient ein Frühstück.“
Wir öffneten die Fenster, ließen die kühle, frische Morgenluft hinein und setzten uns an den Tisch. Draußen hatte der Regen aufgehört, die Luft roch nach Stein und Sommer. Wir genossen das selbstgemachte Frühstück wie ein kleines Festmahl – langsam, schweigend, zufrieden.
Jumieges – Parade zwischen Klostermauer:
Kurz vor halb zehn standen wir auf dem Parkplatz des Klosters Jumieges. Und wir staunten nicht schlecht: Eine ganze Flotte historischer Fahrzeuge hatte sich dort versammelt – alte Citroëns, Feuerwehrwagen, militärische Jeeps, alles blankpoliert und bereit zur Parade.
Punkt 9:25 Uhr röhrten die Motoren los, als hätte jemand ein geheimes Startsignal gegeben.
Margriet und ich hielten alles fest, jedes Detail.
Dann kehrte wieder Stille ein – die andere Art von Gänsehaut.
Wir betraten das ehemalige Benediktinerkloster, eines der ältesten der Normandie.
Am Eingang bekamen wir ein iPad als Audioguide – und staunten: Die App zeigte uns per Augmented Reality, wie das Kloster früher aussah. Was heute Ruine war, wurde digital wieder lebendig.
Wir liefen zwischen Mauern und Erinnerungen. Hier und da berührte Margriet den Stein – als wollte sie spüren, was dort einst gewesen war.
Vor uns: steinerne Türme, himmelwärts strebend, ohne Dach, ohne Schutz – und doch voller Würde.
„Schau dir das an“, sagte ich, „Victor Hugo nannte das hier die schönste Ruine Frankreichs.“
Margriet nickte nur und ging los – direkt auf die geöffneten Bögen der Westfassade zu, die wie ein romanisches Tor ins Licht ragten.
Es war still. Kein Vogel, kein Auto. Nur der Wind, der sanft durch das geborstene Mauerwerk strich.
Wir betraten die alte Abtei, oder was von ihr geblieben war. Riesige Pfeiler, hohle Gewölbe, Fragmente einer Ewigkeit. Man hörte die Stille – und in ihr ein Echo der Jahrhunderte: gregorianische Gesänge, das Klirren von Hämmern, das leise Rascheln von Ordensgewändern.
„Das war mal ein Ort des Gebets“, sagte ich leise. „Und dann ein Steinbruch.“
Sie blieb stehen.
„Ein Steinbruch?“
Ich nickte. „Nach der Revolution verkauft. Alles, was brauchbar war – Mauern, Säulen, Kapitelle – wurde abgetragen. Für Bauernhöfe, Villen, Zäune. Man hat die Abtei ausgeschlachtet wie ein Tier.“
Sie legte die Hand auf einen verwitterten Bogen. „Und trotzdem… es ist noch so viel da.“
„Ja“, sagte ich. „Die Seele.“
Wir standen auf den steinernen Stufen, wo einst der Chor gesungen haben musste. Über uns der Himmel, offen wie das Dach des Universums, zwischen uns der Gedanke: Wie viel Schönheit kann im Verfall liegen?
Ich erzählte ihr vom Audio Guide, dass das Kloster im 7. Jahrhundert gegründet wurde, von Mönchen zerstört, von Normannen niedergebrannt, und immer wieder aufgebaut. Und dann – der große Schlag. Revolution, Auflösung, Verkauf.
Und dennoch hatte dieser Ort überlebt. Nicht als Kirche. Sondern als Erinnerung.
Als Ruine, ja – aber was für eine.
Ich holte mein Handy aus der Tasche, machte ein Bild gegen das Licht. Die Säulen warfen Schatten, als wäre auch der Stein plötzlich lebendig.
„Es sieht aus“, sagte sie, „als würde der Himmel hier wohnen.“
Ich schwieg. Es war der perfekte Satz.
Ein paar Schritte weiter, vor einem alten Farmhaus mit großen Heuballen, packte mich die spontane Idee, einen Mini-Film über das „ländliche Leben der Normandie“ zu drehen.
Margriet zögerte keine Sekunde. Sie schnappte sich einen herumliegenden Eisenstab, das als Heugabel durchgehen konnte – und los ging’s.
Wir lachten Tränen, filmten drauflos, improvisierten Szenen. Der Clip war goldwert – und genau so entstehen unsere schönsten Erinnerungen.
In einem angrenzenden Herrenhaus fanden wir noch eine kleine Ausstellung – Kunst und Geschichte, verborgen hinter Mauern, die mehr gesehen haben als ein ganzes Jahrhundert erzählen kann.
Am Ausgang stand eine kleine bronzene Plakette mit dem Zitat von Victor Hugo. Ich fuhr mit dem Finger darüber: „La plus belle ruine de France.“
Und für einen Moment war es, als hätten wir uns eingereiht in die Jahrhunderte – als Beobachter, als Zeugen.
Beim Weitergehen drehte sich Margriet noch einmal um.
„Was für ein Ort“, sagte sie.
„Und was für ein Land“, ergänzte ich.
Als der Magen langsam knurrte, fuhren wir zurück nach Rouen. Nur ein kleiner Snack für zwischendurch.
Ich hatte für den Abend reserviert – Nationalfeiertag, Rooftop-Restaurant, Blick auf die Seine.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 2
- segunda-feira, 14 de julho de 2025 12:04
- ☁️ 23 °C
- Altitude: 12 m
FrançaRouen49°26’35” N 1°4’26” E
Pub‑Konversationen & Straßenkulinarik

Gerade als wir wieder in Rouen einfuhren, fiel mir auf der rechten Seite entlang der Seine eine Gruppe moderner und alte Hallen auf – langgezogen, industriell, irgendwie einladend. Mein kulinarisches Gespür sprang sofort an. Ich sagte zu Margriet:
„Das macht mich neugierig.“
Wir bogen spontan ab, fuhren langsam an den Hallen entlang. In der ersten: ein englisches Pub. Danach eine große Halle, in der im Kreis angeordnet kleine Foodtrucks standen – sie boten Spezialitäten aus aller Welt an. Brasilianisch, indisch, japanisch, Risotto, Cocktails – es duftete und dampfte, aber die klassischen Bierzeltgarnituren drinnen schreckten uns etwas ab.
Ich wollte nicht einfach nur essen – ich wollte sitzen. In Ruhe.
Also entschieden wir uns für das Pub mit seinen gemütlichen Leder-Loungesesseln. Und wir wurden sofort in ein kleines Theaterstück hineingezogen: Eva, unsere Bedienung – quirlig, freundlich, etwas schrill – trat auf die Bühne.
„Woher kommt ihr?“ fragte sie uns.
Wir antworteten – und Eva begann sofort zu erzählen. Über amerikanische Touristen, die oft unhöflich seien. Über Engländer, die nach drei Bieren die Contenance verlieren. Aber:
„Die Deutschen… die sind respektvoll.“
Sie blickte zu Margriet.
„Ach, Sie sind Holländerin?“ – kurze Denkpause –
„Na, die Holländer natürlich auch!“
Wir mussten lachen.
Eva war ein Original. Studierte Politik, in Wales. Möchte wieder zurück nach England, weil es dort schöner sei. Und redete wie ein Wasserfall, ungebremst, leidenschaftlich – und dabei irgendwie herzlich.
Nach dem Essen gingen wir noch kurz hinaus, liefen ein Stück an der Seine entlang. Die Hallen zeigten sich in abwechselnden Licht – modern, industriell, doch belebt und stimmungsvoll.
Wie wir später erfuhren, nennt sich dieser Ort:
L’Entrepôt – Food Hall Rouen.
Ein Konzept im historischen Hangar E, direkt am rechten Ufer der Seine gelegen. Unter dem riesigen Dach befinden sich zehn bis zwölf Küchen, Barbereiche, eine große Lounge und eine offene Terrasse mit Blick aufs Wasser.
Hier mischt sich regionale Qualität mit internationaler Vielfalt – und genau das ist der Trend in der Normandie: Food Halls wie diese verwandeln alte Hafengebäude in lebendige Treffpunkte, in denen Kulinarik und Kultur miteinander verschmelzen.
Ein schöner, unerwarteter Zwischenstopp auf unserem Weg zurück in die Altstadt. Und wieder ein Beweis, dass spontane Entscheidungen manchmal die besten sind.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 2
- segunda-feira, 14 de julho de 2025 13:55
- ☁️ 25 °C
- Altitude: 28 m
FrançaRouen49°26’40” N 1°5’40” E
Ein Spaziergang durch Jahrhunderte

Wir standen vor dem Eingang des Musée des Beaux-Arts, kaum einen Steinwurf vom Tourismusbüro entfernt, das uns eben noch mit stickiger Luft, langen Wartezeiten und einem fehlenden Stuhl für Margriet begrüßt hatte. Die Sommerhitze flimmerte zwischen den Gassen, und der Asphalt dampfte leise unter unseren Schritten, obwohl es bewölkt war. Aber nun – hier, vor diesem ehrwürdigen Gebäude – fühlte es sich an, als würde uns ein anderer Takt empfangen. Kühler. Leiser. Würdevoller.
Das Museum – ein klassizistischer Bau aus dem 19. Jahrhundert – erhob sich hell und klar in den blauen Himmel. Seine Geschichte? Eine Metamorphose: Vom städtischen Palast der Künste zum lebendigen Gedächtnis französischer und europäischer Meisterwerke. Hier hatten sie alle gehangen – Delacroix, Géricault, Poussin, Monet. Heute ruhten ihre Werke auf samtigem Dielenboden und unter einem Glasdach, das wie ein Himmelsauge den Innenhof mit Licht durchflutete.
„Das ist wirklich... ein Tempel“, flüsterte Margriet.
Ich nickte, und wir traten ein.
Schon im Foyer empfing uns die Zeit. Antike Skulpturen, Marmor so glatt wie Butter, Gesichter aus vergangenen Jahrhunderten, die uns aus der Ewigkeit heraus anblickten. Zwischen ihnen: ein großformatiges Gemälde – die Eröffnungsszene des Museums selbst. Fein säuberlich beschriftet mit einer Timeline der Persönlichkeiten, die damals, an diesem historischen Tag, das Haus mit Leben erfüllten. Ein Bild wie ein Schaufenster in die Vergangenheit. Wir blieben lange davor stehen.
Wir wanderten weiter. Durch Räume in sattem Petrol, in warmem Siena, in kühlem Taubenblau. Jeder Saal atmete anders, aber allen war eines gemein: Sie schenkten ihren Werken Raum zum Atmen. Besonders Margriet schien davon beflügelt. Sie blieb oft stehen, rückte die imaginäre Brille zurecht und nahm sich Zeit. Sehr viel Zeit.
Vor einem Altarbild mit flämischen Einflüssen sagte sie leise:
„Schau dir diese Hände an… so fein. Und diese Farben. Fast wie Stoff.“
Ich hingegen verlor mich mehr in den Rahmen. Goldornamentik, aufwendig geschnitzt, wie kleine Tempel rund um ein Universum aus Farbe. Ich glaube, ich sagte irgendwann:
„Diese Rahmen erzählen ihre ganz eigene Geschichte. Als wären sie nicht aus Holz, sondern aus Geschichte gemacht.“
Margriet lachte und meinte: „Du bist der erste Mensch, den ich kenne, der sich für die Rahmen mehr interessiert als für das Bild.“
Aber das stimmte nicht ganz. Denn als wir in den Saal traten, der Claude Monet gewidmet war, geschah etwas in ihr – und in mir.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 2
- segunda-feira, 14 de julho de 2025 14:11
- ☁️ 24 °C
- Altitude: 25 m
FrançaRouen49°26’40” N 1°5’34” E
Zwei Stunden - im Takt der alten Meister

Der Monet-Raum war ruhig. Niemand sprach. Und doch war es laut – in den Farben, im Licht, in den Schatten, in den irisierenden Details der Seerosen, der Kathedralen, der Morgennebel über der Seine.
Margriet trat vor ein Bild, das Rouens Kathedrale in zarten Pastelltönen zeigte – fast so, wie wir sie gestern Abend in der Dämmerung gesehen hatten.
„Ich verstehe jetzt, warum er sie so oft gemalt hat“, sagte sie leise. „Sie verändert sich mit jeder Stunde. Jede Minute.“
Ich trat neben sie.
„Und doch ist es immer dieselbe Fassade.“
„Nein“, sagte sie. „Das ist wie bei uns. Wir sind auch jeden Tag dieselben – und doch anders.“
Ich schwieg. Denn sie hatte recht.
Wir betrachteten auch ein Gemälde des Klosters von Jumièges. Es lag noch wie feucht auf der Leinwand – und in uns hallte der Morgen wider, als wir die Ruinen selbst gesehen hatten. Das Licht, das durch die Fenster fiel. Der Duft von Sommergras. Die Stille zwischen den Steinen.
„Es ist, als hätte er unsere Erinnerung gemalt“, sagte ich.
Später entdeckten wir Werke von Delacroix, mit all seiner dramatischen Leidenschaft, und Géricaults düstere, menschliche Tiefe – seine Skizzen von Wahnsinn und Tod, entstanden einst in Rouen. In einem abgedunkelten Raum stießen wir auf die expressionistischen Werke von Dufy und sogar auf ein frühes Selbstporträt von Degas.
„Ich könnte hier Stunden verbringen“, murmelte Margriet, während sie in einem Saal mit Werken religiöser Symbolik verweilte. Ihr Blick blieb lange an einer Magdalena hängen – Tränen, goldenes Licht, Reue. Ein intensives Bild voller Symbolik.
„Das ist wirklich dramatisch inszeniert…“ murmelte Margriet schließlich und schmunzelte.
Trotz ihrer katholischen Wurzeln – oder vielleicht gerade deswegen – fand sie die Fülle an biblischen Szenen in diesem Teil des Museums ein wenig überwältigend.
„Manchmal wirkt es fast wie ein Wettbewerb an Leiden und Erlösung,“ sagte sie leise. „Als ob jedes Bild noch mehr Tränen und Gold braucht als das vorige.“
Doch sie sagte es nicht spöttisch, sondern mit dem liebevollen Respekt eines Menschen, der vertraut ist mit diesen Geschichten – und sich trotzdem eine gewisse kritische Distanz bewahrt hat.
Ich musste lächeln. Margriet hatte die Gabe, selbst inmitten sakraler Schwere einen klaren, freundlichen Blick zu behalten.
Ich hingegen war längst in einer anderen Szene. Auf der großen Treppe, mit meiner Kamera in der Hand.
„Willst du deinen Abgang filmen?“, fragte Margriet neckisch, die Hände verschränkt.
„Aber natürlich. Du bist meine Regisseurin.“
Der erste Take war wackelig, der zweite nicht ganz im Rahmen. Beim dritten verhedderte sie sich fast mit ihrer Handtasche. Erst der vierte saß – und ich hatte mein Treppen-Workout für diesen Tag absolviert ;0)...
Als wir das Museum verließen, roch die Stadt nach warmem Stein und Lavendel. Wir waren satt – nicht von Essen, sondern von Eindrücken.
Zuhause angekommen, öffneten wir alle Fenster. Die Abendhitze hing schwer über den Straßen von Rouen. Doch in uns war es hell und leicht – wie nach einem langen, stillen Gespräch mit der Kunst.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 2
- segunda-feira, 14 de julho de 2025 21:06
- ☁️ 20 °C
- Altitude: 14 m
FrançaRouen49°26’24” N 1°4’39” E
Ein Nationalfeiertag à la française

oder Sonnenuntergang in Rosé...
Ich hatte lange gesucht, telefoniert, gelesen, gestöbert. Viele Restaurants waren für den Abend des französischen Nationalfeiertags bereits ausgebucht – verständlich, denn der 14. Juli ist in Frankreich so bedeutend wie Weihnachten: Revolution, Freiheit, Marseillaise, Picknick, Tanz und Feuerwerk. Letztlich stieß ich auf das Le Rouf, direkt an der Seine. Ein Geheimtipp? Vielleicht. Jedenfalls ein Glückstreffer.
Wir kamen gegen halb neun an, ausgeruht, frisch gemacht und wieder voller Energie nach unserer ausgedehnten Siesta. Ein roter Teppich war ausgerollt wie für ein Filmfestival – nur statt nach Cannes, führte er zum Aufzug. Dieser zog uns elegant aufs Dach.
„Reserviert für zwei“, sagte Margriet im besten französisch, und der Kellner nickte freundlich, ohne übertriebenes Lächeln – ganz französisch. Auf der überdachten Dachterrasse bekamen wir einen Platz in der zweiten Reihe, mit freiem Blick über die Seine und auf die Dächer Rouens.
Die untergehende Sonne tauchte die Stadt in jenes zarte Pastell, das wir wenige Stunden zuvor in Monets Bildern gesehen hatten. Ich ging kurz zur Toilette. Als ich zurückkam, saß Margriet da wie gemalt. Sie lächelte still und genoss diesen Anblick, dieses Licht. Ich setzte mich.
Wir bestellten unsere übliche Karaffe Wasser – und einen gekühlten Rosé aus der Provence. Der gleiche, den Margriet gestern schon liebgewonnen hatte. Er kam leicht in der Farbe, zart lachsfarben, fast durchscheinend. Kühl, trocken, mit Aromen von weißen Pfirsichen, frischen Erdbeeren, einem Hauch Lavendel und einem zarten Grapefruit-Zipfel in der Nase.
Margriet hob das Glas, roch daran und sagte:
„Wie Urlaub in Südfrankreich…“
Dann nahm sie einen Schluck und schloss die Augen.
„Er ist wie du – verspielt, aber nicht süß.“
Ich lachte. Ein bisschen gerührt, ein bisschen verlegen.
Sie wählte Räucherlachs, fein auf einem Kräutersalat angerichtet. Ich entschied mich für Boeuf Tatar – handgeschnitten, mit Kapern, Eigelb, etwas Dijon. Perfekt.
Die Terrasse füllte sich. Doch es waren keine Touristen, wie man sie aus Montmartre kennt – es waren Franzosen, gut gekleidet, zurückhaltend fröhlich, fast alle in Familien oder als Paare unterwegs. Der Nationalfeiertag ist in Frankreich auch ein Fest der Zusammenkunft – Bastille Day, das Gedenken an den Sturm auf die Bastille 1789, und heute ein Fest der Freiheit, des Stolzes, des Lichts.
In der Dunkelheit bestellten wir noch einen Portwein zum Feuerwerk. Ein Kellner, der gerade vorbeihuschte, winkte ab. Sie hätten keinen.
Wir schauten uns überrascht an. Kein Portwein?
Ein anderer Kellner – ein schlanker Mann mit tadelloser Haltung, der vorher schon einem Gast mit Souveränität die Weinkarte erklärt hatte – bemerkte unsere Verwirrung. Margriet und ich setzten uns, ohne ein Wort, ein Stück aufrechter hin. Der Mann lächelte, trat zu uns und fragte erneut. Er sei Alex, der Sommelier des Hauses.
Er entschuldigte sich für seinen Kollegen, der nicht wusste, ob wir „Bordeaux oder Porto“ gemeint hatten. Ich prustete los. Margriet sah mich irritiert an:
„Was ist so lustig?“
Ich musste ihr den alten Witz vom Sachsen erzählen:
„Der Sachse sagt zum Handwerker: Bitte verleechen Se mir hier im Wohnzimmer Baguette! – Und am nächsten Tag liegt kein Parkett, sondern sechs Meter lange französische Weißbrotstangen auf dem Boden.“
Margriet lachte herzlich – sie kennt meinen Humor und mein Anhaltinisch.
Alex bog um die Ecke, lächelte breit und kam wieder auf uns zu – mit einer Flasche 20 Jahre altem Portwein, der zusätzlich 20 Jahre im Keller von Le Rouf gereift war. Er öffnete sie vorsichtig und schenkte uns – eine Ausnahme – je ein großzügiges Glas ein, da sie diesen sonst nur Flaschenweise verkaufen würden. Fanden wir ungewöhnlich.
Der Portwein war rotbraun, fast schon mahagonifarben, mit Aromen von getrockneten Feigen, Leder, Walnüssen und dunkler Schokolade. Samtig im Mund, rund, warm – wie flüssiger Abend.
Ich bestellte mir eine Zigarre dazu. Margriet wollte nicht paffen, aber sie sog tief den Rauch ein, wenn er an ihr vorbeizog.
„Das riecht nach Bibliothek und Kaminzimmer“, sagte sie.
Dann begann es. Das Feuerwerk.
Über der Silhouette von Rouen explodierten goldene, rote, silberne Kaskaden. Leuchtende Sterne fielen über die Stadt, über die Kirche Saint-Maclou, über die Seine. Menschen auf den Straßen jubelten.
Wir saßen oben, die Gläser in der Hand, den Rauch, das Licht, den Portwein, die Musik aus der Ferne. Es war, als wäre man für einen Moment nicht nur Gast in Rouen, sondern ein Teil dieser alten Stadt.
Nach Mitternacht stiegen wir wieder in den Aufzug. Unsere Haut roch nach Sommer, unsere Köpfe rauschten leise – von Wein, Zigarre, Port und Feuerwerk. Zuhause fielen wir glücklich ins Bett.
Ich weiß nicht mehr, ob wir noch gesprochen haben. Vielleicht reichte das Lächeln.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 10:00
- Altitude: 28 m
FrançaRouen49°26’27” N 1°5’42” E
Zwischen Herz und Himmel - Notre Dame

Es war, als hätte jemand auf Repeat gedrückt oder "Täglich grüßt das Murmeltier". Wieder war ich früh wach. Wieder schnitt und montierte ich das Video vom Vortag – mein kreativer Start in den Tag. Und wieder bereitete ich das Frühstück vor.
Und dann, fast auf die Minute genau: das Rascheln von Aufstehen, das sanfte Quietschen der Holztür, und Margriet tauchte im selben Nachthemd auf wie gestern.
Sie gähnte, sah mich, lächelte.
„Hab ich das schon mal erlebt oder ist das ein Déjà-vu?“ fragte ich.
„Wenn es ein Déjà-vu ist, dann ist’s ein gutes“, antwortete sie, goss sich eine Tasse Tee ein und setzte sich still an den Tisch.
Heute stand Sightseeing auf dem Plan. Wir wollten den City-Pass ausreizen, wie man ein gut durchwachsenes Entrecôte auskratzt – genussvoll bis zur letzten Ecke.
Rouen war still. Nach dem Trubel des Nationalfeiertags war die Stadt am Morgen fast leergefegt. Wir parkten risikoreich ohne gezogenen Parkschein direkt in der Altstadt und spazierten los. Die Straßen lagen im sanften Licht des Vormittags, die Fachwerkhäuser warfen filigrane Schatten auf das Kopfsteinpflaster.
Unser erstes Ziel: die Kathedrale Notre-Dame de Rouen.
Wir standen davor – und schwiegen.
„Man sagt ja, sie ist eine der schönsten Kathedralen Frankreichs“, murmelte Margriet.
„Claude Monet hat sie über 30 Mal gemalt – zu jeder Tageszeit, bei jedem Wetter…“, fügte sie an.
Drinnen umfing uns kühle, steinige Stille. Die Sonne fiel durch die farbigen Fenster und tauchte das Innere in sanftes Blau, Purpur und Gold.
Wir probierten den Audioguide aus – er funktionierte auf Anhieb. Die Stimme führte uns durch das Labyrinth der Seitenkapellen, erzählte von Kriegen, Herzögen und Reliquien.
Richard Löwenherz.
„Sein Herz ist hier begraben“, sagte ich zu Margriet und zeigte auf den zentralen Chor.
„Nur das Herz. Der Rest liegt in Fontevraud.“
Ich nickte.
„Ist ja auch romantisch – ein Herz für die Normandie.“
Sie schmunzelte.
In einer der Kapellen fand sich das Grab von Rollo, dem Wikinger, der als erster Herzog der Normandie hier regierte.
„Ein Wikinger wird Christ, heiratet eine französische Prinzessin und gründet eine Dynastie – klingt wie Filmklassiker-Material“, sagte ich.
Margriet zog in Gedanken oder zuhörend leise weiter, fast schon schleichend, um ja kein Geräusch zu verursachen. Ich trat an eine gotische Säule, spürte den kalten Stein unter meiner Hand.
Die Kathedrale wirkte trotz ihrer Größe fast zärtlich. Vielleicht war es das Licht, das durch das Westfenster fiel. Vielleicht der Gedanke, wie viele Menschen hier schon standen – Pilger, Könige, einfache Gläubige.
Wir blieben nicht so lange. Die Zeit verlor sich aber, wie sie das oft in solchen Räumen tut.
Als wir hinausgingen, war es wärmer geworden. Die Stadt wachte auf. Cafés öffneten, Vespas brummten, irgendwo klang ein Glockenspiel.
„Und das war erst die erste Station“, sagte ich, während wir die Sonnenbrillen aufsetzten.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 10:02
- ☁️ 18 °C
- Altitude: 23 m
FrançaRouen49°26’27” N 1°5’44” E
Zucker, Zeit & Kuriositäten

Wir umrundeten die Kathedrale und entdeckten, kaum zu glauben, ein altes Fachwerkhaus, das sich fast schützend an die massiven Mauern schmiegt. Ein Spiel von Zeitaltern: filigranes Holz schmiegt sich an ehrwürdigen Stein – Rouen in materieller Metapher.
Anschließend bogen wir in die Rue Saint-Romain, eine schmale, charmante Gasse direkt an der Kathedrale entlang.
Geschichtsträchtig sind ihre Fassaden, oft in alten Pinseln von Pissarro, Boudin oder Dibdin festgehalten, heute stehen sie da und erzählen von Weberwerkstätten, Glasmalern – von Leben und Wandel im Altstadtherzen
Ein schrill quietschender Türgriff wies uns den Weg in ein schnuckeliges Dame-Café-Pâtisserie, klein, liebevoll, mit Pastelltönen gestrichen. Ich zog Margriet hinein. Flirrender Teigduft, gleißendes Glasgebäck – ich bestellte uns jeweils je eine Madeleine auf die Hand.
Wir traten hinaus mit goldenen Muschelkuchen in der Hand. Ihre Wölbung, die feine Riffelstruktur – fast wie eine Miniatur an die Pilgermuscheln, die Richtung Santiago führen.
Margriet nahm eine Madeleine, schloss die Augen:
„Weißt du, das ist so zart...“
Ich nickte, und sie erzählte die Geschichte:
Legendär wurde die Madeleine durch Madeleine Paulmier aus Commercy im 18. Jahrhundert. Sie bewährte ihr Familienrezept bei einem Bankett des Herzogs Stanislas von Lothringen – der Küchenchef war weggelaufen, also sprang Madeleine ein. Der Herzog war begeistert, benannte die kleinen Muschelkuchen nach ihr. Bald erreichten sie Versailles, dank König Louis XV.
Bald wurden sie überall verkauft: in Commercy als Massenspezialität – und bis heute ist ihr Name Synonym für Kindheitserinnerung:
Bon Appétit.
Margriet biss, lächelte:
„Das ist wie ein Stück - Bon Appétit.“
Wir gingen weiter – und da stand er: jener Kuriositätenladen, den wir bereits am Sonntagabend aus der Ferne gesehen hatten. Nun war er offen. Hinter uralten Fensterglas kommen ironische Antiquitäten, Tierdarstellungen aus Glas, viktorianische Masken, Trommeln aus Holz, geheimnisvolle kleine Figuren zum Vorschein – ein skurriler Fundus, so eigen wie Louvrens Nachbarschaftsläden. Rouener Locals beschreiben ihn als Ort zwischen Trödel und Wunderkabinett, den man nicht missen möchte.
Zuerst zögerlich, dann neugierig, betraten wir den Laden. Jeder Winkel ein Scherenschnitt aus Phantasie. Wir kicherten bei einem Schild: „Objets trouvés – ou perdus“, die Preise waren leider utopisch wie für eine kleine kupferne Reliquiendose, die wie ein Kästchen für winzige Geheimnisse wirkte.
Draußen atmete die Altstadt ihre ganze Melancholie: 227 denkmalgeschützte Gebäude erzählen vom mittelalterlichen Rouen, von Tuchhandel und industriellem Aufstieg – und von der Zerstörung im Kriegsjahr 1940, als fast ein Viertel in Rauch aufging.
Doch viele Häuser wurden rekonstruiert – mit Fachwerk, Stein oder Backstein – heute wirken sie wie in einem Roman, der von Victor Hugo gefeiert wurde.
Wir liefen weiter durch die Gassen, vorbei an überhängenden Balkonen, nassen Dachziegeln, winzigen Innenhöfen. Ich dachte an die Menschen, die hier lebten: Weberfamilien, Pilger, Gasthausbesitzer – Generationen, die das Leben in diesen Mauern fühlten. Die Altstadt war kein Museum – sie war noch lebendig.
Margriet stoppt bei einem türlosen Hauseingang, schaut auf eine glatte Steinmauer.
„Stell dir vor, hier wohnte einst ein Glasmaler…“
„Und dort ein Tuchhändler.“
Sie lachte:
„Tücher und Glas – das prägt die Stadt.“
Mit Madeleinekrümel in der Hand – unser ganz eigener Altstadtrundgang.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 10:19
- ☁️ 19 °C
- Altitude: 32 m
FrançaRouen49°26’26” N 1°5’45” E
Im Schatten von Jeanne d’Arc:

Wir drehten uns um und standen plötzlich vor dem Historial Jeanne d’Arc, dem Musée in Rouens Erzbischöflichem Palais, wo einst die Prozesse gegen Jeanne d’Arc stattfanden. Mitten unter der friedlichen Kathedrale lag der Ort politischen Schicksals und vergangener Dramen.
Als wir eintraten, wurde uns gesagt: In zwölf Minuten beginnt die nächste Show‑Besichtigung.
Ein digitaler Zähler tickte in der Glashalle – doch die Zeit schien plötzlich weit.
🎭 1. Teil: Tribunal der Geschichte
Im gotischen Gewölbekeller, in dem einst Gesetze gesprochen wurden, versammelten sich Besucher auf Holzbänken. Der Raum war kühl, fast ehrfürchtig.
Ein Schauspieler trat auf einem digitalen screen hervor – in der historischen Rolle von Juvénal des Ursins, dem Anwalt und politischen Instanzträger des 15. Jahrhunderts. Er erklärte, wie Jeanne d’Arc im Jahr 1431 vor Gericht gestellt wurde – in diesem genauen Raum, in diesen Gemäuern. Wir hörten Stimmen von Zeitzeugen – über 120 waren damals vernommen worden – eingeblendet auf Bildschirmen und mit original getreuen Stimmen untermalt.
Wir fühlten uns, als säßen wir im Zentrum eines mittelalterlichen Verfahrens: Die Gegner, die Vorwürfe, ihre Antworten – und schließlich die Verurteilung.
Dann führte uns der Pfad aufwärts – in einen Raum der Rehabilitation. 1456 wurde der Kathederspruch aufgehoben, die Ungerechtigkeit öffentlich korrigiert. Auch hier: Tonaufnahmen, Projektionen, eine moderne Lichtarchitektur. Wir setzten uns, lauschten Leugnern und Liebhabern, Blicken und Urteilen. Der Wandel war spürbar – von Trauer zu Gerechtigkeit.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 10:22
- ☁️ 19 °C
- Altitude: 46 m
FrançaRouen49°26’27” N 1°5’39” E
Zeitreise im Historischen Palast

🏰 2. Teil: Mythos und Dachterrasse
Durch stille Gänge gelangten wir zum Dachboden, vorbei an einer Marmortafel mit formeller Verurteilung, hinauf zur gotischen Wendeltreppe, deren 24 Stufen einst zur prachtvollen Salle des États führten. Zwar war sie heute für die Öffentlichkeit geschlossen – doch schon der Aufstieg war wie eine Reise durch die französische Geschichte.
Oben wartete der finale Raum: fast schwarz, mit Projektionen von flackernden Flammen. Man hörte das Knistern, sah Jeanne auf dem Scheiterhaufen – es war überwältigend, suchte die Grenze zwischen Fiktion und Zeugnis.
Dann erreichten wir die Mythothek – interaktive Bildschirme mit Archiven, digitale Historiker (darunter Colette Beaune, Anne Curry) und Wissensstationen nahmen uns mit auf eine literarisch-visuelle Reise in die spätere Verehrung Jeannes, ihre Symbolkraft durch die Jahrhunderte, bis zur Heiligsprechung 1920.
Zum Abschluss stiegen wir hinauf auf in einen kleinen Erker des Palastes – ein Rundumblick direkt über Rouen. Von dort bot sich eine spektakuläre Sicht: die Kathedrale, die roten Dächer, die Seine im Morgenlicht.
Ich seufzte: „Eine bewegende Geschichte… als hätte ich alle Urteile selbst gehört.“
Margriet nickte: „Und jetzt sind wir zurück – in einer Stadt, die sie samt ihrer Geschichte trägt.“Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 11:56
- ☁️ 21 °C
- Altitude: 23 m
FrançaRouen49°26’24” N 1°5’52” E
Ein Platz, eine Kirche – und ein Moment

Wir standen auf der Place Barthélémy, einem kleinen urbanen Platz mit Renaissance-Brunnen und Fachwerk umringt, benannt nach dem Architekten Barthélémy, der im 19. Jh. die charakteristische Spitzenflèche über der Laternenturmkirche errichtete.
Der Platz ist ruhiger, die Luft warm vom Sonnenlicht.
Vor uns erhob sich die Église Saint‑Maclou – ein wahres Juwel der gotischen Flamboyant-Architektur, erbaut zwischen 1437 und 1517 unter Leitung mehrerer Baumeister, doch stets vereint im Stil.
Die Westfassade schwingt in sanftem Bogen, mit fünf Portalen in einem halbrunden Vorbau und einem imposanten Tympanon, das den Jüngsten Tag darstellt. Die Türen – mit Szenen wie Taufe, Guten Hirten, der Jungfrau Maria – sind fein geschnitzte Arbeit aus der Renaissancezeit.
Daneben steht ein halbverdeckter Brunnen – Renaissance-Stil, fast wie ein kleiner Bruder der berühmteren Brunnen in Brüssel – und wirkt zugleich wie eine Einladung, ins Licht der Kirche zu sehen, obwohl die Tore leider verschlossen waren.
Wir umrundeten das Gebäude. Ich zeigte auf ein Fachwerkhaus, das sich eng an die steinernen Mauern schmiegt – sichtbar über Jahrhunderte mit der Kirche verwachsen. Besonders auffällig waren die überhängenden Balkone, von denen gesagt wird, dass sie einst Weberfamilien beherbergten, die hier arbeiteten und lebten – zwischen Fäden, Farbe, Gebeten.
Die mächtige Tour lanterne, gekrönt von der Spitze aus dem Jahr 1868, bot ein fragiles Gleichgewicht zwischen Normandiens Himmel und der Dunkelheit des Nordens. Während der Zweiten Weltkriegs bombardiert, war die Kirche schwer beschädigt und musste in langen Restaurationsphasen im 20. Jahrhundert wiederaufgebaut werden.
Die Fassade glänzt heute wieder, als wäre sie gerade erst befreit – makellos, detailverliebt, leicht wie Eisenladen aus Spitze.
Wir stellten uns vor, wie es gewesen wäre, damals durch diese Türen zu treten – während der Symbole am Westportal flüsterten Geschichten von Jüngstem Gericht und Erlösung. Aber die Tore waren verschlossen. Kein Schlüssel. Keine Möglichkeit, hineinzugehen.
So blieben wir auf dem Platz, spürten die kühle Brise am Fuß der Rückseite, sahen, wie die Mauern im Vormittagsschatten spielten. Nur wenige Meter weiter liegt der Aître Saint‑Maclou, ein ehemaliger Pestfriedhof mit holzgeschnitzten Säulen voller Totentänzer und Symbolik – heute Kunstschule und Galerie.
Doch da schauen wir gleich noch vorbei.
Margriet legte ihre Hand sanft auf den kalten Stein an meiner Seite.
„Auch verschlossen… doch voller Augenblicke.“
Sie lächelte. Und ich wusste: Es war genug. Die Kathedrale war eine Begegnung, nicht nur ein Gebäude.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 12:04
- ☁️ 21 °C
- Altitude: 28 m
FrançaRouen49°26’24” N 1°5’58” E
Wo Knochen sprechen -Aître Saint-Maclou

Der Aître Saint-Maclou – ein Ort, der gleichermaßen verstört und fasziniert. Als wir ihn betraten, war es, als hätte jemand die Geräusche der Stadt auf stumm geschaltet. Kaum Schritte, nur das Knarzen alten Holzes unter unseren Füßen und das ferne Zwitschern einiger Spatzen, die in den Fachwerkbalken nisteten.
Ein Ort der Stille mit makabrer Vergangenheit:
Im Mittelalter war dieser Ort ein Friedhof – ein sogenannter Aître, ein Pestfriedhof, angelegt während der verheerenden Schwarzen Pest im 14. Jahrhundert. Über 30.000 Tote wurden hier beigesetzt. Später errichtete man die umgebenden Gebäude, um Platz für eine Schule zu schaffen, doch die Knochen blieben unter dem Hof. Und wer heute genau hinschaut, entdeckt an den Balken noch geschnitzte Totenköpfe, Knochenbündel, Schädel mit gekreuzten Tibiae – eine symbolische Mahnung an die Vergänglichkeit, eingefroren in Eichenholz.
Margriet und ich betraten den Hof und trennten uns beinahe automatisch. Sie schlenderte nach links, ich nach rechts. Jeder schien diesem Ort seine eigene Stille ablauschen zu wollen. Ich blieb an den kunstvoll geschnitzten Balken stehen – die Details der Figuren, die aus dem Holz hervortreten, waren beinahe unheimlich lebendig.
Begegnung mit der mumifizierten Katze:
In einem kleinen verglasten Schaukasten, gut versteckt in einem der Räume, stieß ich schließlich auf sie – die mumifizierte Katze. Man hatte sie vor Jahrhunderten in der Wand eingemauert, vermutlich als eine Art Schutzzauber gegen böse Geister oder die Pest selbst. Sie lag dort zusammengerollt, die Pfoten fest an den Körper gezogen, das Maul zu einem stummen Schrei geöffnet. Verstörend – und gleichzeitig berührend, fast wie ein Gruß aus einer anderen Zeit.
In diesem Moment hörte ich Margriets leises „Ah!“ hinter mir. Auch sie hatte sie entdeckt. Wir standen da, schweigend, wie verabredet – vereint im Staunen.
„Stell dir vor, man dachte, das würde helfen…“, flüsterte sie.
Ich nickte. „Und jetzt liegt sie hier, zwischen Touristenhandys und Geschichte.“
Ein letzter Blick, ein leiser Moment des Respekts – dann gingen wir weiter. Schritt für Schritt, aus dem Schatten der Vergangenheit zurück ins Licht der kleinen Gasse. Und doch war der Aître Saint-Maclou einer dieser Orte, die man mitnimmt – in Gedanken, im Herzen, vielleicht sogar im Schlaf.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 13:32
- ☁️ 23 °C
- Altitude: 28 m
FrançaRouen49°26’24” N 1°5’58” E
La Couronne –ein Erlebnis für den Gaumen

Der Hunger wurde laut – wir kürzten unsere Stadttour ab, denn der Justizpalast, den wir bereits am Sonntag besucht hatten, konnten wir streichen. La Couronne, das älteste Gasthaus Frankreichs, war unser Ziel – eine Reservierung um 13 Uhr - konnten wir knapper treffen als gedacht.
Auf der Place du Vieux-Marché, direkt gegenüber dem Mahnmal der Jeanne d’Arc, liegt La Couronne – gegründet 1345, eingebettet mitten in die Geschichte von Rouen .
Angeblich sah sein damaliger Wirt Raoul Baudry einst das Martyrium der Pucelle direkt vor seinem Fenster .
Wir zogen die schweren Eichentüren auf – durch den Empfang, wo man nach unserer Reservierung fragte. Die Dame wollte uns erst in der ersten Etage mitten im Raum platzieren, doch ich erinnerte sie an meinen Wunsch: Fensterplatz. Mit einem kleinen Augenrollen lenkte sie uns hinauf in die zweite Etage – ein Tisch mit warmer Tagesbeleuchtung, blaue Tischdecke, blaue Servietten – eine Bühne für den Genuss.
Unser Kellner, Romain, erschien prompt. Wir entschieden uns ohne Zögern gemeinsam für das Gourmetmenü.
Foie Gras mit Früchte-Brioche war Margriets Wahl – samtig, leicht süßlich, mit dem butterigen Brioche und einem leichten Fruchtkontrast, der an reife Quitten erinnerte und on top eine Prise feinstes Fleur de Sel. Margriet schmolz dahin beim ersten Bissen.
Ich wählte Kalbsbries – zart, fast schmelzend, in einer feinen Brotkruste und einem Hauch von Zitronenzeste, die dem Gericht Tiefe verlieh.
Der Hauptgang kam:
Steinbutt, zart gebraten, begleitet von Erbsenüree und einem Schuss leichter Sauce beurre blanc – frisch, seidig und klar.
Bei mir: Taube, rosa gebraten, kraftvoll, mit Wildbeerenjus, leicht rustikal – elegant harmonisch mit dem Wein.
Zum Käsegang Bestellung quer durch die Regionen: Camembert, Rocamadour, Bleu d'Auvergne, Comté – jede Sorte mit individuellem Aroma, Textur und Geschichte.
Zwischen Château d’Yquem und bleichem Blauschimmel folgte der letzte Bissen der Käseplatte – eine rötlich schimmernde Pyramide, unscheinbar auf dem Teller, doch von Romain mit einem Augenzwinkern angekündigt wie ein Feuerwerk: „Diesen zuletzt, mesdames – sonst schmecken Sie den Rest nicht mehr.“
Der Boulette d’Avesnes, ein Weichkäse aus Nordfrankreich, mit Paprika eingerieben und in Form gebracht wie ein kleiner Vulkan, trat seine Wirkung sofort an. Margriet und ich tauschten skeptische Blicke, schnupperten vorsichtig – und wagten dann doch einen beherzten Bissen. Der Geschmack explodierte regelrecht: wild, pfeffrig, kräutrig, fast fleischig – wie ein alter Keller nach einem Gewitter. Unsere Mienen entgleisten synchron. Ein Moment, wie gemacht für ein Museum der Grimassen.
„Wir hätten jeden ugly-face-contest gewonnen“, sagte ich, während Margriet Tränen lachte. Und doch: da war auch Stolz – wir hatten ihn probiert. Wir hatten uns durch die Höhen und Abgründe der französischen Käsekultur gekämpft. Ein kleiner Sieg.
Dazu ein Sauternes aus Château Simon, golden im Licht des Fensters, süßlich, mit Aromen von Aprikose, Honig und einem Hauch Karamell – ein perfekter Partner zu den gereiften Käsen .
Zum Dessert:
Sie: Zarte Pfirsichhälfte in Zabaione – luftige Süße, samtiger Schaum und sanfter Pfirsichgeschmack.
Ich: Soufflé von Apfel mit Calvados – flaumig, leicht alkoholisch‑fruchtig, mit feinem Bratapfelduft.
Romain war eine Klasse für sich ;0)... – erzählte charmant Storys zu Weinen, zu den Regionen des Käses und sprach uns Empfehlungen aus und erzählte, dass er seit 10 Jahren in diesem Hause ist und auch dort seine Ausbildung gemacht hat. Er ist 28.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 13:35
- ☁️ 22 °C
- Altitude: 33 m
FrançaRouen49°26’24” N 1°5’41” E
La Couronne - Tisch mit Geschichte

„Über dieses Fenster“, sagte Romain, als wir uns erhoben, „sah der Wirt einst das Feuer.“
Jeanne d’Arc war hier auf dem Scheiterhaufen gestorben – direkt gegenüber.
Wir standen still. Die Wände geschmückt mit Porträts berühmter Gäste: Hemingway, Dali, Grace Kelly, Julia Child – und nun auch wir.
Zum Abschluss genehmigten wir uns noch einen Portwein – ein würdiges Finale. Romain steckte mir heimlich seine Postkarte mit Nummer zu, Margriet grinste breit. Ein lieber Wink an die Geschichte, die wir nun ebenfalls teilten.
Besonders eindrucksvoll war die kleine Hausführung zum Abschluss: Durch knarrende Flure, an Porträts berühmter Gäste vorbei – man spürt, wer hier schon alles gegessen hat. Und dann immer noch dieser Gedanke: Von den Fenstern aus konnte man einst den Scheiterhaufen von Jeanne d’Arc sehen. Gänsehaut.
Ein Ort, an dem man nicht nur isst – sondern genießt, staunt und ein bisschen ehrfürchtig wird. Merci, La Couronne!Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 14:34
- ☁️ 22 °C
- Altitude: 44 m
FrançaRouen49°26’23” N 1°5’41” E
Süße Tüten und saure Architektur

Wir hatten die Kirche schon während unseres Lunchs im La Couronne immer wieder im Blick gehabt. Da stand sie, dominant, fast bedrohlich – wie ein dunkler Wal aus Schiefer, der sich mitten auf den historischen Platz gelegt hatte. Und je länger wir sie anschauten, desto weniger konnten wir verstehen, wie man so etwas hier bauen konnte.
„Ist das ein Drachen?“, fragte Margriet, als wir näherkamen. An der Seite krümmte sich ein bronzener Wasserspeier, aus dessen Maul eine leise Rinnsal in den Boden plätscherte. Ein seltsames Detail – so verspielt wie unpassend. Ich nickte nur, zu sehr damit beschäftigt, diesen Bau zu begreifen.
1979 sei sie errichtet worden, las ich später – zu Ehren von Jeanne d’Arc, an genau dem Ort, an dem sie 1431 verbrannt wurde. Der Architekt – Louis Arretche – wollte mit der Form des Daches wohl das Flammenspiel symbolisieren. Oder ein umgedrehtes Boot. Oder beides. Ich war mir nicht sicher, ob das gelungen war.
„Ich hätte mir etwas... Ehrfurchtsvolleres vorgestellt“, sagte Margriet, als wir vor dem Eingang standen. Die schweren, dunklen Linien der Konstruktion drückten fast auf die Brust, als wollten sie sagen: Hier endete etwas Großes – und wir wollen, dass du das spürst.
Wir gingen einmal drum herum. An der Rückseite erblickten wir die alten Kirchenfenster – echte gotische Originale, gerettet aus der zerstörten Kirche Saint-Vincent und hier eingebaut. Wunderschön. Zart. Farbintensiv. Fast wie eine Seele, die versuchte, durch den Beton zu atmen.
„Das hätte sie verdient“, sagte ich leise.
„Mehr Licht?“, fragte Margriet.
„Mehr Frankreich.“
Hinter der Kirche öffnete sich plötzlich wieder das Leben. Als hätte der Platz einen zweiten Atem.
Ein kleiner Markt – improvisiert fast, aber liebevoll aufgereiht. Bunte Stände mit getrockneten Früchten, Nüssen, handgemachten Seifen, ein alter Mann, der Honig aus der Region anbot. Es duftete nach Sonne, nach Holz und etwas Anis.
Ich ließ meinen Blick über die Auslagen schweifen und griff fast automatisch zu. Zwei schlichte, durchsichtige Tüten – die eine gefüllt mit hellen Rosinen, glänzend wie Bernsteinperlen. Die andere mit in der Sonne getrockneten Feigen und saftigen Birnen, weich, aromatisch.
„Für uns“, sagte ich und reichte Margriet die eine Tüte.
Sie nahm sie und lächelte. „Wie früher im Süden. Nur ohne die Zikaden.“
Wir gingen langsam weiter, die Sonne im Rücken, die Süße der Früchte auf der Zunge.
Rouen hatte so viele Gesichter – manche schwer zu fassen, andere warm und einfach.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 17:32
- ☁️ 23 °C
- Altitude: 28 m
FrançaRouen49°26’29” N 1°5’30” E
Gros Horloge - letzter Glockenschlag

Wir freuten uns nun auf den letzten Programmpunkt dieses dichten, sonnendurchtränkten Tages: die Gros Horloge, das Herz der Stadt, das seit Jahrhunderten über die Rue du Gros-Horloge wacht. Durch unser spätes Mittagessen im ehrwürdigen „La Couronne“ waren wir knapp dran – wie so oft an diesem Tag. Doch wir hatten Glück: wir waren die allerletzten Besucher, die man noch durch das alte Tor ließ. Fast ehrfürchtig schritten wir hinein – nur wir zwei und dieser Turm, der Geschichten flüstert, wenn man still genug ist, sie zu hören.
Die Wendeltreppe schraubte sich eng und knarzend empor, und mit jedem Schritt wurde der Blick weiter, die Geschichte greifbarer. Auf jeder Etage blätterte sich eine neue Seite der Uhrmacherkunst auf: frühe Uhrwerke mit schweren Gewichten, kunstvoll verzahnt, tickend in der Stille. Werkzeuge, Zeichnungen, Alltagsgegenstände – wir sahen, wie über Jahrhunderte hinweg aus mechanischem Können fast etwas Spirituelles wurde. Diese Uhr war nicht nur Technik, sie war Taktgeberin des Lebens.
Wir erfuhren, dass die Aufsicht über das Uhrwerk lange Zeit einem Uhrmacher oblag, der in einer kleinen Kammer im Turm wohnte. Er musste die Uhr täglich aufziehen, kontrollieren, dass sie schlug – und wehe, er vergaß es: dann zahlte er Strafe, in barer Münze. Margriet lachte bei der Vorstellung, wie ein verschlafener Uhrmacher über die Dächern von Rouen mit zerzausten Haaren aus dem Bett sprang, weil die Uhr nicht geläutet hatte.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 3
- terça-feira, 15 de julho de 2025 17:35
- ☁️ 22 °C
- Altitude: 30 m
FrançaRouen49°26’29” N 1°5’29” E
Gros Horloge - ein Rennen gegen die Zeit

Ich öffnete jedes Fenster, das sich öffnen ließ – sog die frische Abendluft ein, genoss die Aussicht über das mittelalterliche Rouen, das sich unter uns ausbreitete wie ein historischer Wandteppich in Pastell. Wir traten hinaus aufs Dach, liefen die Galerie entlang, als plötzlich eine sanfte Durchsage erklang: "Mesdames et Messieurs, le musée va bientôt fermer..."
Der Turm schloss. Es war Zeit zu gehen.
Wir beeilten uns und verabschiedeten uns noch von dem freundlichen Personal, das trotz Feierabend ein Lächeln für uns übrig hatte.
Doch kaum traten wir auf die Rue du Gros-Horloge, fiel mir siedend heiß ein: die Audioguides! Wir mussten sie im Tourismusbüro zurückgeben – und es war genau 17:57 Uhr.
Also rannten wir los. Zwei Menschen, vollgegessen, voller Eindrücke, voller Leichtigkeit – durch Rouens Altstadt im Abendlicht.
Um Punkt 18 Uhr rissen wir die Tür des Tourismusbüros auf, übergaben die Geräte und ich bekam meine Gesundheitskarte zurück – die mich an diesem Tag vielleicht mehr als die Uhr selbst im Takt gehalten hatte.
Danach fuhren wir zurück in unsere Unterkunft. Die Hitze des Tages lag noch immer wie eine Decke über der Stadt, obwohl die Schatten längst länger geworden waren. Es war dieser Moment zwischen Licht und Nacht, wenn das Leben draußen langsam verstummt und drinnen wieder hörbarer wird. Unsere Fenster standen offen – und mit ihnen die Geräusche von Rouen: ein letzter Kinderlacher in der Ferne, das metallische Klacken eines Fahrrads, das auf Kopfsteinpflaster verschwand.
Margriet zog leise ihre Schuhe aus, während ich uns ein Glas Wasser einschenkte. Wir sagten kaum ein Wort – nicht aus Müdigkeit, sondern weil dieser Tag zu voll war, um ihn jetzt schon zu besprechen. Ein Tag, der nachwirkte.
Wir ließen den Abend ruhig ausklingen. Kein Wein mehr, kein Spaziergang mehr. Nur noch das zufriedene Innehalten – ein letzter Blick auf die Stadt, bevor das Licht ganz erlosch. Denn morgen sollte der Wecker früh klingeln. Wir wollten früh los, Trouville-sur-mer wartete. Frühstück am Meer – so war der Plan. Und wenn Rouen uns eines gelehrt hatte, dann dies: dass Pläne voller Überraschungen stecken können.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 4
- quarta-feira, 16 de julho de 2025 08:37
- 🌧 18 °C
- Altitude: 10 m
FrançaTrouville-sur-Mer49°21’52” N 0°4’58” E
Regentag & Meeresduft am Morgen

Am nächsten Morgen stand ich auf und blickte dem Regen ins Gesicht – es sollte den ganzen Tag so bleiben. Einerseits hatten wir uns Regen gewünscht, um dem Sommer ein anderes Gesicht zu geben. Andererseits: Wer will schon Regen im Urlaub? Margriet war bereits wach und voller Tatendrang – ab ins nächste Abenteuer!
Gute 1,5 Stunden später erreichten wir Trouville-sur-Mer. Der Fischmarkt lag direkt an der Pier, wie ein lebendiges Herz des Ortes. Gegenüber gingen wir flink ins Café Central, das auch ein Hotel ist, da es in Strömen goß. Margriet beschloss heute „wie ein Spatz“ zu essen – Croissant und Cappuccino –, ich nahm einen Café Créma und bestellte das Frühstückstablett.
Während wir frühstückten, erzählte ich ihr von der Maison Saiter, gegründet 1887 und berühmt für ihre Soupe de poisson façon Jeannette. Die Fischauswahl dort war legendär...
Doch dann die Überraschung: Als der Kellner die Rechnung brachte, bat er um 36 € – obwohl Margriet wirklich nur einen Croissant und zwei Cappuccino hatte. Ihr Cappuccino kostete satte 7 € pro Tasse, während mein Kaffee mit 2,50 € geradezu günstig war. Touristenfalle mit bitterem Nachgeschmack!
Unbeirrt gingen wir zum Marché aux poissons – zu Maison Saiter. Wir kauften die Fischsuppe to go, für morgenabend im Garten von Margriet. „Mit allen drum und dran?“, fragte uns Monsieur Saiter.
„Ja, klar“, sagte ich.
Er packte zur Suppe frisch geriebenen Käse, alte Brotscheiben und eine leicht pikante Rouille dazu.
⭐ Warum die Suppe so köstlich ist:
Die Soupe façon Jeannette ist eine Familienkreation seit 1887. Sie wird aus den frischesten Zutaten der Region hergestellt: Atlantikfische, feine Köche- und Graugarnelen, Wein, Tomaten und eine Prise Gewürze. Gefiltert, abgeschmeckt, geköchelt – und das Ergebnis ist eine veloutée Textur, vollmundig, aber leicht, mit tiefem Meeresaroma.
Die Auszeichnungen 1971 und 1976 bei der Société des Cuisiniers Français unterstreichen das handwerkliche Niveau und die Authentizität dieser Normandie-Suppe, die in ausgesetzten Gourmetkreisen bis heute Kultstatus hat.
Dann wagten wir uns an die Austern. Margriet, nach jener Magenverstimmung in Südafrika, hatte sie diese lange gemieden. Nun holte sie tief Luft, nahm die Muschel und aß. Ihr Gesicht verzog sich: zu salzig, doch sie mochte den Nachgeschmack. Die Szene war so denkwürdig, dass ich sie mit der Kamera porträtierte – das Gesicht zur Faust geballt, während sie dachte: Ich schaff das ;0)...
Wir zahlten, packten die Suppe ein und fuhren weiter – Richtung Pont-l’Évêque zur Calvador- und Käseroute, getrieben von Regen und Lust auf normannische Köstlichkeiten.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 4
- quarta-feira, 16 de julho de 2025 09:41
- 🌧 17 °C
- Altitude: 21 m
FrançaCoudray-Rabut49°17’44” N 0°11’2” E
Ein Tropfen zu früh? 10:30 Uhr – Santé!

Kurz vor Pont-l’Évêque bogen wir rechts ab, hinein in eine kleine Allee, gesäumt von Apfelbäumen, deren Äste sich leicht im Wind wiegten – als würden sie uns zuwinken. Am Ende der Einfahrt lag das Anwesen von Christian Drouin, ein Ensemble aus normannischem Fachwerk, liebevoll restauriert und eingerahmt von sattgrünen Wiesen.
Ein älterer Herr mit steifem Rücken und verschlossenem Blick trat aus einer Tür, musterte uns flüchtig und fragte, ob wir an der Führung teilnehmen wollten. Als wir uns noch kurz verständigten, meinte er knapp: „Dann melden Sie sich bitte im Hofladen,“ und verschwand wieder, die Tür fiel etwas zu energisch ins Schloss. Margriet schaute mich an, ich zuckte mit den Schultern – Gastfreundschaft geht anders.
Im Hofladen aber wechselte die Stimmung schlagartig. Eine Dame mit einem Overall in Drouin-Blau, knallroter Brille und kurzen frechen Haaren trat uns mit einem offenen Lächeln entgegen. Freundlich fragte sie, ob wir noch zur Führung wollten – sie habe gerade erst begonnen. Oder ob wir lieber verkosten möchten. Margriet grinste. Ich nickte. Verkostung also.
Es war 10:30 Uhr – in Frankreich kein Hindernis für ein kleines Gläschen. Oder zwei. Wir entschieden uns für einen 15 Jahre alten Calvados und gleich darauf für einen 20-jährigen. In kleinen, bauchigen Gläsern stand das flüssige Gold vor uns. Der Duft war intensiv – Äpfel, Birne, Eichenholz, ein Hauch Vanille und Tabak. Ich roch, Margriet roch – wir prosteten uns zu.
Der erste Schluck brannte leicht, wärmte aber schön nach. Beim zweiten war klar: elegant, ja – aber nichts, worauf wir morgens Appetit hatten. Ich verzog leicht das Gesicht und schüttelte mich. „Das wäre eher was für meinen Vater gewesen“, murmelte ich. Sie lachte leise und stellte ihr Glas ab. Es war eine Erfahrung. Und immerhin – so begann unser Tag hochprozentig.
Wir bedankten uns bei der Dame. Dann verließen wir das Gut und machten uns auf den Weg zur nächsten Verabredung: Château de Bréuil, wo uns eine Besichtigung durch ein weiteres Kapitel normannischer Genusskultur erwartete.Leia mais
- Exibir viagem
- Adicionar à lista de metasRemover da lista de metas
- Compartilhar
- Dia 4
- quarta-feira, 16 de julho de 2025 10:39
- 🌧 18 °C
- Altitude: 27 m
FrançaLe Breuil-en-Auge49°13’48” N 0°13’2” E
Charme & Calvados im privaten Schloss

Das Château du Breuil empfing uns majestätisch: zehn gestapelte Fässer und eine Destillatoranlage direkt neben dem Torbogen. Wir parkten am Vorplatz und holten unsere vorbestellten Tickets ab. Kaum hatte die Führung begonnen, empfing uns eine junge Dame, die mit fließendem Wechsel zwischen Französisch und Englisch durchs Schlossanwesen führte – charmant und lebhaft.
Seit dem 16. Jahrhundert gehört das Anwesen wechselnden Adelsfamilien wie den Bouquetot, Montgomery oder Bence. Bis heute ist es Privatbesitz und klassifiziert als Monument Historique (seit 1933).
Wir bewunderten den grünen Garten – gepflegt, großzügig und ruhig. Das Herrenhaus durften wir nicht betreten – es wird immer noch bewohnt. Stattdessen gingen wir in das Destillierhaus, wo auf einem kleinen Bildschirm das doppelte Brennverfahren erklärt wurde: Wie der Calvados zweimal destilliert wird, um Urtümliches zu bewahren.
Wir verließen die Destillerie und passierten das große Wasserschaufelrad, das heute idyllisch still stand – doch einst war es das Schlagende Herz einer Textilindustrie. Das Rad hatte Getreide gemahlen, Baumwolle gesponnen, Seide verarbeitet – ein wirtschaftlicher Vorläufer des heutigen Calvados-Reichs. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts wandelte sich der Ort zur Brennerei, heute bekannt unter La Spiriterie Française.
Dann kam der Moment: „Wer hat Lust auf das Cognac‑Lager?“ - Natürlich wir ;0)... Auf ging’s...Leia mais