- Show trip
- Add to bucket listRemove from bucket list
- Share
- Day 1
- Sunday, July 13, 2025 at 8:02 PM
- ⛅ 27 °C
- Altitude: 30 m
FranceRouen49°26’29” N 1°5’29” E
Rouen - Ankommen in Zeit und Licht

Die Landstraße zog sich wie ein gemalter Fluss durch das satte Grün der Normandie. 80 Kilometer pro Stunde – schneller wäre Sünde gewesen.
Rechts und links saßen die Heuballen wie schlafende Tiere auf den Feldern, von der Sonne gebleicht, fast golden.
Margriet schaute aus dem Fenster.
„Siehst du das?“, sagte sie.
Ich nickte.
Man hätte sie wirklich pflücken können.
Unsere Unterkunft in Rouen lag in einem modernen Komplex, groß, fast klotzig, mit langen Balkonen und viel Beton. Kein Schloss, keine Tür, kein Schlüssel ohne Anleitung – doch wir hatten sie.
Check-in per Code, ein Kasten, ein Klick.
Margriet nahm den Schlüssel. Sie drehte ihn mit einem kurzen „Ah!“ im Schloss – und lies mich als Erste ein.
Die Wohnung war ein kleines Reich: 80 Quadratmeter, zwei Schlafzimmer, viel Licht, klare Linien, freundliche Stille.
„Such dir dein Schlafzimmer aus“, sagte ich.
„Nein, mach du.“
„Nein, du ;0)...“
Sie lächelte und deutete auf eines der beiden.
„Dieses. Ich glaube, das ist schön dunkel.“
Wir richteten uns ein. Zwei Frauen, zwei Räume, zwei Leben, die sich für ein paar Tage im selben Takt bewegten.
Am frühen Abend – die Sonne war noch weich und tief – beschlossen wir, durch die Altstadt zu schlendern.
Rouen empfing uns mit seinen Fachwerkhäusern, engen Gassen und diesem historischen Herzschlag, der durch jede Mauerritze zu vibrieren scheint.
Wir standen unter dem Gros-Horloge – der großen, goldenen Uhr, die sich über die Rue du Gros-Horloge spannt wie eine Zeitbrücke.
Sie glänzte im Licht, als wäre sie aus einem Märchen gefallen.
„Da ist sie“, sagte ich.
Margriet trat einen Schritt zurück, hob das Kinn.
„Wunderschön. Wie eine Sonne mit Ziffern.“
Später – ein anderes Kapitel wird sich ganz ihr widmen – doch schon jetzt faszinierte sie uns.
Unter der Uhr, auf dem Pflaster, entdeckten wir ein weiteres Zeichen: eine goldene Muschel, eingefasst in einen Stern.
Das Zeichen des Jakobswegs.
Ich erzählte Margriet, dass Pilger aus ganz Europa diesen Spuren folgen – zu Fuß, mit Fahrrad, manchmal auch nur im Geiste – auf dem Weg nach Santiago de Compostela in Spanien.
Die Muschel, Symbol des Heiligen Jakobus, steht für Schutz, Orientierung und Wegfindung. Früher trugen Pilger sie an ihren Taschen – als Erkennungszeichen, als Glücksbringer.
„Vielleicht sind wir auch auf einer Art Jakobsweg“, sagte Margriet.
Ich schwieg – denn der Gedanke war schön.
Dann hob ich den Blick zur Uhr.
„Siehst du den Mond?“
Oben links, in einem kleinen Ziffernkreis, stand ein silberner Sichelmond.
Die Uhr zeigt nicht nur die Stunde – sie zeigt auch die Mondphase an.
Ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der der Mond das Leben bestimmte: Saat und Ernte, Ebbe und Flut, Geburt und Tod.
Heute Nacht: Sichel. Leicht, ruhig, offen.
Wir gingen weiter durch das weiche Licht des Abends.
Langsam.Read more