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- Day 2
- Monday, July 14, 2025 at 2:11 PM
- ☁️ 24 °C
- Altitude: 25 m
FranceRouen49°26’40” N 1°5’34” E
Zwei Stunden - im Takt der alten Meister

Der Monet-Raum war ruhig. Niemand sprach. Und doch war es laut – in den Farben, im Licht, in den Schatten, in den irisierenden Details der Seerosen, der Kathedralen, der Morgennebel über der Seine.
Margriet trat vor ein Bild, das Rouens Kathedrale in zarten Pastelltönen zeigte – fast so, wie wir sie gestern Abend in der Dämmerung gesehen hatten.
„Ich verstehe jetzt, warum er sie so oft gemalt hat“, sagte sie leise. „Sie verändert sich mit jeder Stunde. Jede Minute.“
Ich trat neben sie.
„Und doch ist es immer dieselbe Fassade.“
„Nein“, sagte sie. „Das ist wie bei uns. Wir sind auch jeden Tag dieselben – und doch anders.“
Ich schwieg. Denn sie hatte recht.
Wir betrachteten auch ein Gemälde des Klosters von Jumièges. Es lag noch wie feucht auf der Leinwand – und in uns hallte der Morgen wider, als wir die Ruinen selbst gesehen hatten. Das Licht, das durch die Fenster fiel. Der Duft von Sommergras. Die Stille zwischen den Steinen.
„Es ist, als hätte er unsere Erinnerung gemalt“, sagte ich.
Später entdeckten wir Werke von Delacroix, mit all seiner dramatischen Leidenschaft, und Géricaults düstere, menschliche Tiefe – seine Skizzen von Wahnsinn und Tod, entstanden einst in Rouen. In einem abgedunkelten Raum stießen wir auf die expressionistischen Werke von Dufy und sogar auf ein frühes Selbstporträt von Degas.
„Ich könnte hier Stunden verbringen“, murmelte Margriet, während sie in einem Saal mit Werken religiöser Symbolik verweilte. Ihr Blick blieb lange an einer Magdalena hängen – Tränen, goldenes Licht, Reue. Ein intensives Bild voller Symbolik.
„Das ist wirklich dramatisch inszeniert…“ murmelte Margriet schließlich und schmunzelte.
Trotz ihrer katholischen Wurzeln – oder vielleicht gerade deswegen – fand sie die Fülle an biblischen Szenen in diesem Teil des Museums ein wenig überwältigend.
„Manchmal wirkt es fast wie ein Wettbewerb an Leiden und Erlösung,“ sagte sie leise. „Als ob jedes Bild noch mehr Tränen und Gold braucht als das vorige.“
Doch sie sagte es nicht spöttisch, sondern mit dem liebevollen Respekt eines Menschen, der vertraut ist mit diesen Geschichten – und sich trotzdem eine gewisse kritische Distanz bewahrt hat.
Ich musste lächeln. Margriet hatte die Gabe, selbst inmitten sakraler Schwere einen klaren, freundlichen Blick zu behalten.
Ich hingegen war längst in einer anderen Szene. Auf der großen Treppe, mit meiner Kamera in der Hand.
„Willst du deinen Abgang filmen?“, fragte Margriet neckisch, die Hände verschränkt.
„Aber natürlich. Du bist meine Regisseurin.“
Der erste Take war wackelig, der zweite nicht ganz im Rahmen. Beim dritten verhedderte sie sich fast mit ihrer Handtasche. Erst der vierte saß – und ich hatte mein Treppen-Workout für diesen Tag absolviert ;0)...
Als wir das Museum verließen, roch die Stadt nach warmem Stein und Lavendel. Wir waren satt – nicht von Essen, sondern von Eindrücken.
Zuhause angekommen, öffneten wir alle Fenster. Die Abendhitze hing schwer über den Straßen von Rouen. Doch in uns war es hell und leicht – wie nach einem langen, stillen Gespräch mit der Kunst.Read more