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  • Day 22

    Finisterre - Santiago de Compostela

    September 27, 2022 in Spain ⋅ ⛅ 20 °C

    - Weil ich wie immer nicht da sein will wo ich bin und wenn ich dann woanders bin, will ich auch schon wieder weiter. -

    Auf der Klotüre in der Herberge in Finisterre steht „You’re answer to the Camino is Jesus. Jesus is the way to heaven“. Alles ist endlich, auch mein Weg nach Santiago und nach Finisterre. Der einzige, bei dem die Endlichkeit zur Unendlichkeit ausgeweitet wird ist Jesus. Darum lohnt es sich schlussendlich auch nur an ihm festzuhalten und nicht an alledem, das vergänglich ist. Das bedeutet aber nicht, dass alle meine Erlebnisse der vergangenen Wochen nichts Wert wären. Im Gegenteil, sie sind es sehr wohl, allerdings soll mir die Akzeptanz des Vergänglichen helfen, in zwei Tagen wieder in meinen Alltag zurückkehren zu können. Und der Gedanke daran ist gerade alles andere als einfach. Warum? Ich will nicht festgefahren irgendwo festsitzen. Ich fühle mich überhaupt nicht dazu bereit nach Deutschland zurück zu fliegen. Gerade habe ich mich so daran gewöhnt unterwegs und jeden Tag wo anders zu sein. Weil sich Deutschland nicht wie ein zu Hause anfühlt, sondern die Welt, weil ich noch nicht meinen Ort zum Bleiben gefunden habe.

    „Wenn dein Herz wandert oder leidet, bring es bahutsam an seinen Platz zurück und versetzte es sanft in die Gegenwart Deines Herrn. Und selbst wenn du in deinem Leben eben nichts getan hast, außer dein Herz zurück zu bringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obwohl es jedes Mal wieder fortlief, nachdem du es zurückgeholt hattest, dann hast du dein Leben wohl erfüllt.“ (Franz von Sales)

    - Wenn (m)ein Herz wandert … -

    Zum Tag:

    Während die ersten Fischer mit ihren Booten den Hafen verlassen, verabschiedete ich mich, am dunklen Hafen stehend, von Finisterre und fragte mich, warum ich nicht noch einen Tag länger am Strand bleibe. Naja was soll’s. Vor Tagen hatte ich meine Rückfahrt gebucht. Dann verbringe ich jetzt einfach noch zwei schöne Tage in Santiago. Meine BlaBlaCar fahrt mit Luis und drei anderen Mitfahrern aus Italien, Neuseeland und der Ukraine war sehr entspannt. Wieder zurück in Santiago lief ich 2 km in die Stadt rein, bin ein paar Mal die 2 km zu meiner Herberge und wieder zurück in die Stadt gelaufen aber trotzdem war ich innerlich kurz beleidigt und traurig nicht „richtig“ laufen und auf dem Camiño unterwegs sein zu dürfen. Um 9 Uhr heute morgen staute sich in Santiago alles, rushhour eben, da war ich zu Fuß sogar schneller. Der Morgen war trüb, kalt und neblig, die Stadt wachte langsam auf. In der Stadt angekommen suchte ich mir ein Café, um die Zeit bis zum Check-In in meiner Herberge zu überbrücken. Ich verkroch mich in‘s letzte Eck und konnte von dort aus das gesamte Geschehen um mich herum beobachten. Außerdem brauchte ich und nutze ich die Zeit dazu, Eindrücke zu verarbeiten und aufzuschreiben. Irgendwann saß am Nachbartisch einer, der das Selbe tat - auch fast drei Stunden aufschreiben, formulieren und dabei nur nichts vergessen. Im selben Café machte ich ein Bild von einem Ehepaar, dass das mit dem Selfie machen nicht so ganz drauf hatten (was sie sehr sympathisch machte) und ich unterhielt mich kurz mit ihnen. Sie fragten, ob ich gerade in Santiago angekommen bin. Als ich ihnen erzählte, dass ich gerade aus Finisterre zurück komme sind sie begeistert und sie fragen mich, ob es sich lohnt, dort hinzu gehen bzw. dorthin zu fahren, denn sie möchten mit dem Bus dorthin. Am Nachmittag war ich wieder auf dem Platz vor der Kathedrale zu finden - einer meiner Lieblingsplätze. Dort schrieb ich meine einzige Postkarte der Reise und die ging an die Kinder und Jugendlichen in der Inobhutnahme, in der ich vor meinem Abflug sechs Wochen arbeitete. Zwischenzeitlich erreichte mich die Nachricht, dass mich die Kinder vermissen und auch ich habe in den letzen drei Wochen immer wieder gerne an sie gedacht und mich gefragt, wie es ihnen geht und wie ihr Lebenscamiño wohl gerade aussieht und in Zukunft aussehen mag. Manchmal dachte ich auch in den Momenten an sie, in denen ich mich fragte, warum ich hunderte Kilometer durch die Gegend laufe und hatte dabei ihre fragenden Gesichtet vor meinem inneren Auge und ihre Stimmen im Ohr, wie sie irritiert und ungläubig fragen, ob ich das wirklich tue - es sei ja schließlich auch irgendwie verrückt und gleichzeitig ein cooles Abenteuer. Gegen Abend war ich mit Lucie verabredet. Seit einer Woche hatten wir uns nicht mehr gesehen und bevor sie morgen abfliegt, wollten wir uns noch von den vergangenen Tagen erzählen, da wir sonst auch immer Bescheid wussten, was beim Anderen gerade los ist. Auf dem Weg zum Essen, wohlgemerkt zum Besten Döner in Santiago (auch, wenn ich keinen Vergleich habe), treffe ich auf meine liebenswerte Rentnercrew, mit denen ich vor ein paar Tagen noch zu Abend gegessen hatte. Einer von ihnen ist jetzt in drei Etappen über 3000 km nach Santiago gelaufen. Gestartet war er vor seiner Haustüre in Deutschland. Bewunderns- und beneidenswert. Ich kenne ihn kaum aber ich bin stolz auf ihn. Ein Gefühl, dass ich hier immer wieder spüre - jeder ist irgendwie auf jeden stolz und gemeinsam freuen sich alle über jeden Schritt den der andere und den man selbst geschafft hat.
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