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  • Day 114

    Meine Reise in die Klapse

    May 24, 2017 in Germany ⋅ ⛅ 16 °C

    Nach der Reise ist vor der Reise, nicht wahr? Aber was ist in der Zwischenzeit? Auch eine Reise, denn wie das ganze Leben eine Reise sein kann, kann auch jeder Tag eine Reise sein. Vor allem, wenn man sich vornimmt, jeden Tag etwas zu tun, was man noch nie zuvor getan hat. Oder sein gewohntes Umfeld mit anderen Augen zu sehen, neu zu hinterfragen, neu zu bereisen.
    Während ich die letzten Tage mein Zimmer, mein Zuhause und meine Stadt völlig neu erlebte, ging meine heutige Reise in die Klapse.
    Ein Besuch der für den Gedankenlosen möglicherweise einem Krankenhausbesuch gleich kommt, der nicht der Rede wert sei.
    Mein Abstecher in die Klapse ist aber überaus erwähnenswert, zumal er doch so ganz anders verlief als anfangs erwartet.
    Ich besuchte eine Kollegin, die ich charakterlich immer sehr mochte, aber seit 8 Monaten nicht gesehen hatte.
    Dementsprechend mulmig war mit zumute, wusste ich dich nicht wie sie reagieren würde und wie ihrer derzeitige Verfassung sei. Beim Annähern an Haus 4 und ihre Station fühlte sich das Gebäude beklemmend an, weswegen ich das Gefühl hatte, hier Stationierte müssten sich doch wie im Knast fühlen. Eingesperrt hinter Kliniktüren, umgeben vom Krankenhaus Geruch und lauter Verrückten.
    In der Tat bezeichnete Kollegin/Freundin Katha, nachdem sie mich bei der Begrüßung in ihrer herzlichen Umarmung fast erdrückte, den Lifestyle in der Klapse eher als Jugendherbergsartig, sie fühle sich wie auf Klassenfahrt mit Schülern aller Altersklassen.
    Und genau das vermittelten mir die folgenden Stunden mit den äußerst liebenswerten vom Arzt Krankgeschriebenen. Von wegen Verrückten, verrückt sind nicht die Leute da drin, sonder die Leute da draußen, so Lisa.
    Aber dazu gleich mehr.
    Vorerst musste ich mir mehrmals vor Augen führen, warum ich überhaupt so spontan Katha nach so langer Kontaktlosigkeit besuchen fuhr. Doch abgesehen davon, dass sie eine absolut besuchenswerte Person ist, gab ich doch häufig im Leben Menschen positive Energie. Und diese könnte sie ja in der aktuellen Lebenslage sicher gut gebrauchen. Außerdem war eine andere Freundin letztens in Merxhausen und ich wusste, diese hätte sich tierisch gefreut, wenn ich sie besuche. Kann also auch eine Freude für Katha sein.
    Und so war es, die Gute schien ganz euphorisch als sie mich knuddelte und es war äußerst spannend ihrer Geschichte zu lauschen und sie war äußerst erfrischend, als sie mit übersprudelnder Neugier meine hören wollte😊
    Im Gemeinschaftsraum saß eine wilde Kombi an Leuten allen Alters und aller Lebensphasen aber mit ähnlichen Problemen. Ich versuchte nach Dingen zu suchen, die sie als Stationierte outen, fand aber nix, abgesehen davon, dass mache sehr schmal und fahl aussahen, dünne, Haut und eine Spur ungesunden Aussehens. Das änderte allerdings ebenso wenig wie die psychischen Probleme nichts daran, dass wir beim gemeinsamen Puzzeln, beim Kuchenfuttern wegen Bens Geburtstag und beim gemeinsamen Zsmsitzen unzählige Lacher hatten.
    Über die egozentrische Ergotherapeutin, über Mütter, die es zu gut mit ihrem 29 jährigen Sohn meinen, über die Liebe und das Leben.
    Hinter dem ein oder anderen Lacher verbirgt sich vermutlich Leere, Gefühlsfühltot, überspielte Traurigkeit. Schwer zu sagen, hinter welchen (zumindest für mich).
    Doch dennoch ging ich aus jenem Haus Nummer 4, in das ich frischen Wind und positive Energie habe reinbringen wollen, völlig erfrischt und mit einem positiven Gefühl von dannen.
    Ist es nicht faszinierend, wie einen immer wieder der Alltag flashen kann? Und vor alle wie unter diesem Aspekt jener Ausdruck "der Alltag" völlig positive Assoziationen veranlasst? :) dafür muss man nicht ans Ende der Welt reisen.

    FUNFAKT: draußen beim rauchen
    Stationierter Ben: Eyy, letztes Mal als meine Mom mich so peinlich verkuppeln wollte und mir die Nummer von so nem Mädchen auf den Tisch legt, hab ich die halt nie angerufen. Ich glaub die war echt schwer enttäuscht.
    Mom: ach komm, schwer enttäuscht!?! Sie hat sich nichts angetan und ist auch nirgends (mit Blick auf den Sohn und Gebäude 4) hingekommen!!! 😂
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