• Alte Grenzkonflike flammen akut auf

    December 13 in Thailand ⋅ ☁️ 30 °C

    Der nachfolgende Artikel aus der FAZ vom 11.12.2025 faßt die aktuelle Situation der Querelen zwischen Thailand und Kambodscha sehr gut zusammen. Allerdings werden die gegenwärtigen innenpolitischen Probleme beider Länder lediglich als einer der möglichen Gründe genannt.

    Von unserer Warte in Bangkok aus betrachtet, ist das allerdings DER
    Grund. Die Streitereien um die benannten Khmer-Tempel an der gemeinsamen Grenze sind in der ganzen Angelegenheit nur vorgeschoben. Man will patriotische Stimmung machen. Diese kommt natürlich angesichts der am 12.12.2025 erfolgten vorzeitigen Auflösung des gegenwärtigen Thai-Parlaments wie gerufen; denn nun müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen abgehalten werden.

    Diese ganze Aggression von der Seite Kambodschas und die Reaktionen von thailändischer Seite darauf muss man unter Betrachtung der realen militärischen Kräfteverhältnisse nur als schier selbstmörderisch bezeichnen. Die Sache kann für die Kambodschaner auf lange Sicht nur nach hinten losgehen. Das bestärkt uns in der Einschätzung, dass man nur und auf alle Fälle von innenpolitischen Problemen beiderseits der Grenze ablenken möchte.

    "THAILAND UND KAMBODSCHA:
    Eine koloniale Landkarte führt zum Konflikt
    Till Fähnders, Singapur | F.A.Z. | 11.12.2025"

    "Der wiederaufgeflammte Grenzstreit in Südostasien hat historische Ursachen. Doch beide Seiten schüren auch aus innenpolitischen Gründen den Nationalismus.

    Thailand und Kambodscha beschuldigen sich gegenseitig, für den jüngsten Gewaltausbruch entlang ihrer umstrittenen Grenze verantwortlich zu sein. Wer die im Oktober von den USA und Malaysia vermittelte Waffenruhe zuerst gebrochen hat, lässt sich kaum feststellen. Eine dauerhafte Lösung des Konflikts dürfte schwierig werden, weil den Kämpfen ein komplexer Grenzkonflikt zugrunde liegt, dessen Ursprung weit in die Geschichte zurückreicht.

    Zwischen dem neunten und fünfzehnten Jahrhundert wurde das südostasiatische Festland vom Reich der Khmer dominiert. Das Zentrum ihres Herrschaftsgebiets, die Stadt Angkor, lag im Gebiet des heutigen Kambodschas. Die von Straßen und Wassergräben durchzogene Hauptstadt war von der Fläche her der wohl größte vorindustrielle urbane Ballungsraum.

    Im Zeitalter des Imperialismus besetzte Frankreich den Großteil Indochinas, darunter auch das Gebiet des heutigen Kambodschas. Das damalige Königreich Siam dagegen wurde nie kolonisiert – ein Umstand, auf den das „Land der Freien“, wie der jetzige Landesname Thailand meist übersetzt wird, bis heute stolz ist.

    Im Jahr 1904 einigten sich Siam und Frankreich auf eine Grenzlinie zwischen den beiden Gebieten. Die Grenze sollte sich an der Wasserscheide des nicht besonders hohen Dangrek-Gebirges orientieren, die die Region Isan im Nordosten Thailands von Kambodscha auf natürliche Weise trennt. Wo die Wasserscheide genau verläuft, ist allerdings eine strittige Frage.

    WEM GEHÖRT DAS KULTURELLE ERBE?
    Der Konflikt dreht sich nicht allein um den Grenzverlauf. Es geht dabei auch um mehrere historische Tempel, die im Grenzgebiet stehen. Das reiche Erbe der Khmer, die den auf dem Seeweg aus Indien gekommenen Hinduismus praktizierten, umfasst zahlreiche Tempelanlagen, die zu den architektonisch beeindruckendsten Sakralbauten der Welt gehören.
    Das gigantische Tempelareal von Angkor Wat ist nur der Gipfel dieser Kultur. Einige der alten Khmer-Tempel liegen seit den Eroberungen durch das Königreich Ayutthaya, das vom 14. bis zum 18. Jahrhundert existierte, ohnehin im heutigen Thailand.

    Zudem sind Elemente der Khmer-Kultur in den Königskult und die Staatsrituale der Thais geflossen, darunter die Vorstellung, dass es sich bei dem Monarchen des Landes um einen Gottkönig handelt. Die Khmer-Kultur hat auch Sprache, Literatur und Architektur Thailands beeinflusst. In Kambodscha ist deshalb der Eindruck verbreitet, die Thais eigneten sich Teile der kambodschanischen Kultur an. In Thailand dagegen paart sich der Stolz auf die Eigenständigkeit mit Gefühlen der Überlegenheit.

    Diese wechselseitige Abneigung entlädt sich seit Jahren besonders an dem Khmer-Tempel von Preah Vihear, der nach Ansicht Thailands auf seiner Seite der Wasserscheide liegt. Die Franzosen hatten auf einer Karte im Jahr 1907 die Grenze so eingezeichnet, dass er Kambodscha gehört. Nach dem Rückzug der Franzosen aus Kambodscha besetzten thailändische Truppen im Jahr 1954 den Tempel. Der Internationale Gerichtshof (IGH) sprach ihn dann 1962 Kambodscha zu.

    THAILAND ZWEIFELT AN DER GERICHTSENTSCHEIDUNG
    Die Begründung lautete, dass Thailand keinen Einspruch gegen die Karte von 1907 eingelegt und sie damit praktisch akzeptiert hatte. Die Auseinandersetzung verschärfte sich, als die UNESCO den Tempel auf Antrag Kambodschas hin im Jahr 2008 in das Weltkulturerbe aufnahm. Während die Entscheidung in Kambodscha gefeiert wurde, sorgte sie für nationalistische Proteste in Thailand. Es kam zu Spannungen und einem Truppenmarsch entlang der Grenze.

    2011 eskalierten die immer wieder sporadisch ausgetragenen Gefechte so, dass es Dutzende Tote gab. Im Jahr 2013 bestätigte der IGH das Urteil von 1962, wonach der Tempel Kambodscha gehört. Doch Thailand zweifelt die Entscheidungen besonders mit Blick auf die direkte Umgebung des Tempels an.

    Der in diesem Jahr wieder aufgeflammte Konflikt entzündete sich allerdings nicht am Preah-Vihear-Tempel, sondern an mehreren kleineren Heiligtümern entlang der unmarkierten Grenze. So hatten bereits im Februar thailändische Soldaten kambodschanische Touristen daran gehindert, am Ta-Muen-Tempel die Nationalhymne zu singen. Im Mai kam es zu einem Schusswechsel, bei dem ein kambodschanischer Soldat getötet wurde.

    Während Kambodscha wieder den IGH zur Klärung des Konflikts einschalten wollte, sprach sich Thailand gegen die Beteiligung Dritter aus. Ende Juli wurden mehrere thailändische Soldaten durch Landminen verletzt. Es folgten fünf Tage intensiver Artilleriebeschuss über die Grenze. Dabei wurden Militäreinrichtungen, Zivilgebäude und Wohnhäuser zerstört, Dutzende Menschen verletzt und mindestens 48 getötet.

    Dass der Konflikt mit dem Friedensabkommen, das Ende Oktober in Kuala Lumpur unterschrieben worden war, nicht beendet wurde, liegt allerdings nicht nur an den komplexen Hintergründen des Grenzstreits. Auf beiden Seiten dürfte die Innenpolitik eine erhebliche Rolle spielen. In Thailand ringen seit zwei Jahrzehnten neue politische Kräfte mit den traditionellen Eliten aus Königshaus, Militär und Verwaltung um die Macht.

    Kambodschas autoritäre Führung befindet sich in einer Zeit des Übergangs, in der die Führung vom Langzeitherrscher Hun Sen auf seinen Sohn und amtierenden Regierungschef Hun Manet übergeht. Spekulationen nach geht es im Hintergrund auch um Geschäftsinteressen verschiedener Parteien bezüglich der Casinos und Internetbetrugsfabriken im Grenzgebiet. Das sind Voraussetzungen, unter denen sich der nationalistische Furor, den der „Tempelstreit“ auslöst, leicht instrumentalisieren lässt."
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