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  • Day 6

    Immer mehr Pilger, Santiago rückt näher

    August 23, 2018 in Spain ⋅ 🌙 16 °C

    Der heutige Tag ist erwartungsgemäß einfacher erzählt als die bisherigen, denn so wie die Tour leichter wird, wird auch die Landschaft...naja, nicht langweiliger, aber eben weniger interessant. Nach Lugo wechseln sich Hügel in einer von Landwirtschaft geprägten Gegen mit kleinen und kleinsten Ortschaften ab. Der Rekord liegt bei einem (!) Haus für einen Ortsteil, und das ist auch noch zu verkaufen… Mal rauf mal, mal runter, die Kilometer schmelzen so dahin. Da der Himmel bedeckt ist und wir überwiegend kleine Landstraßen zwischen den Ortschaften fahren können wir die ersten 30 KM für uns in Rekordzeit abschließen. Wir halten zwischendurch an einer sog. „Albergue“, also ein einfaches Hostal speziell und nur für Pilger und wollen dort den Ausweis stempeln lassen sowie einen Kaffe trinken. Wir treten ein, doch tatsächlich ist niemand im Haus – alles ist aber offen, sehr ungewohnt für Spanien, wo nicht selten die Fenster selbst noch im 1. Stock vergittert sind. Der Kaffee fällt also aus, der Ausweis wir jedoch kurzerhand via „Selbststempler“ um einen Stempel bereichert.
    Josefs Rad fällt bei einer Pause etwas unglücklich um und wir legen kurz darauf erneut eine kleine Pause ein, um seinen vorderen Umwerfen neu einzustellen.
    Die erste ernsthafte Pause kommt dann bei KM 35 bei der „Sierra del Carreon“ ein, ein 700 m-Hügel mit Windkraftanlagen und eben – reichlich Wind. Der Himmel reisst stellenweise auf und das soll dann für den heutigen Tag auch der einzige Punkt bleiben, von dem man einen halbwegs netten Blick auf die Landschaft hat. Von hier stammt auch das einzige Foto des Tages. Es folgt eine wirklich schöne kilometerlange Abfahrt über Wald- und Wirtschaftswege, wo wir den vorhandenen Stau an den Rädern komplett runterrütteln aber direkt durch neuen ersetzen können… Die Fahrt geht weiter nach Melide, eine Kleinstadt ohne besondere Eigenschaften, wo wir den Pilgerausweis erneut stempeln können und unser Nachmittagsbier zu uns nehmen können.
    Ab hier bekommt die Fahrt jedoch einen völlig neuen Charakter: Der „Camino Frances“, also quasi DER Original-Camino ist kurz vorher dem Camino Primitivo zusammen gefallen und ab hier ist Josefs Fahrradklingel unser wichtigstes Tool. Haben wir uns bisher mit anderen Pilgern immer gegenseitig ein freundlichen „Buen Camino!“ zugerufen, wäre das ab hier inflationär nicht mehr möglich. Es kommen weiterhin Gruppen mit 5, 10 und mehr Leuten dazu, singende Nonnen, Leute in Schlappen und mehr sonderbares. Mir selbst graut dabei schon ein wenig an den letzten Tag, wenn alles nochmal deutlich dichter wird.
    Aber egal, wir sprinten regelrecht die letzten Kilometer bergauf (warum sind die Etappenenden bis auf eine eigentlich immer oben auf dem Berg…?) und sind dann endlich in Arzúa. Kein besonders schönes Straßendorf – und zu 100% auf Pilger eingestellt. Massagen für Pilger, jedes Haus, was kein Wohnhaus ist entweder Restaurant oder Albergue und natürlich sicherlich ein paar Hundert von unserer Sort. Selbst Radfahrer gibt es inzwischen einige, mit uns kommen bspw. Im Hotel drei englische Herren auf MTBs (!) an, von denen ich keinen jünger als 65 schätzen würde.
    Das Abendessen ist erneut sehr gut, wieder überraschend günstig und so geht dann auch der vorletzte Tag der Reise zu Ende.

    PS: Es waren erneut rund 60 KM und rund 1300 Höhenmeter, IBP immernoch 115. So langsam stellt sich ein Trainingseffekt ein, es hätte heute auch noch für einiges mehr gereicht ;-)
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