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- Day 22
- Friday, August 16, 2024 at 6:03 PM
- ⛅ 25 °C
- Altitude: 384 m
FranceJonte44°11’30” N 3°12’16” E
Highlight Wanderung

Heute schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen soll es hier eine der schönsten Wanderungen der ganzen Schlucht geben und zum anderen gewährt sie uns Einblicke in das Tal der Jonte, in der Geier leben und oft zwischen 8:00 und 11:00 Uhr ihre Kreise ziehen sollen, allerdings nur bei schönem Wetter, weil an trüben Tagen die Thermik fehlt und die Geier zu Hause bleiben. Denn ohne den warmen Aufwind ist ein Geier, der wegen seines schweren Körpers kaum fliegen, sondern nur Segeln kann, aufgeschmissen. Dafür kann er aber tagelang ohne Nahrung auskommen und bei guten Winden 50 km weit geleiten.
In den steilen Schluchten von Tarn und Jonte, im Nationalpark Grands Causses wurden in den 1980er-Jahren erfolgreich wieder Gänsegeier, Schmutzgeier und auch die seltenen Mönchsgeier angesiedelt, die seit den 1920er-Jahren in der Wildnis ausgestorben waren. Im La Maison des Vautours im Tal wurde eine Geier-Beobachtungsstation mit einem Futterplatz eingerichtet, von da aus hat man gute Chancen, die Vögel beobachten zu können.
Die Geier waren nicht nur ausgestorben, weil man sie gnadenlos verfolgt hat - völlig zu Unrecht übrigens, denn ein Geier ist ein reiner Aasfresser - die Vögel fanden auch in den dezimierten Schafherden nicht mehr genügend Nahrung. Früher war der Tisch reich gedeckt, aber inzwischen ist auch die Überlebensrate der jungen Schäfchen gestiegen.
Soweit also die Vorrede. Die geplante Wanderung ist mit 12,6 km und 620 Hm kein Spaziergang, denn wir steigen vom Fluss auf in die Felswände, die uns heute Morgen noch nebelumhüllt hoch überragen.
Wir schrauben uns schon gleich mal in der ersten Stunde mehr als 300 m in die Höhe, der Schweiß läuft aus allen Poren. Wir beide schwitzen selbst in der finnischen Sauna nicht ansatzweise so sehr wie heute Morgen beim Aufstieg und wir fragen uns, ob das am Wetter oder vielleicht auch am Alter liegen könnte.
Wir erreichen eine kleine Einsiedelei und da sind sie, die mächtigen, kreisenden Geier über uns mit ihrer gigantischen Flügelspannweite von bis zu 3 m. Wir bleiben immer wieder stehen und folgen ihrem Flug, nehmen ihren Schatten auf unserem Weg wahr. Das ist schon etwas ganz Besonderes, etwas Außergewöhnliches, das uns beide berührt und unter die Haut geht. Ein im wahrsten Sinne des Wortes erhebendes Erlebnis. Sie begleiten uns fast bis zum Ende der Wanderung, bis Wolken aufziehen und es beginnt zu regnen.
Von der Einsiedelei an wird es abenteuerlicher, die Aussichten gigantischer, die Wege schmaler und steiler. Ich bin ganz im Wanderglück und beseelt vor lauter „Ahs“ und „Ohs“ und so stolz auf meinen Joe, der so tapfer mithält. Bergauf ist es wohl (noch) ganz in Ordnung für ihn.
Wer mich kennt, weiß, ich bin auch ganz im Foto Glück, ich filme und fotografiere und kann mich im Nachhinein gar nicht entscheiden, welches Bild oder welches Video ich weglassen soll. So dürft ihr, wenn ihr mögt, alle anschauen und habt am Ende bestimmt das Gefühl, mit uns die komplette Wanderung absolviert zu haben und ganz sicherlich steht dem ein oder anderen von euch, dann auch der ein oder andere Schweißtropfen auf der Stirn, ob es sich dann um Schweiß oder Reaktionen auf Höhenangst handelt, sei dahingestellt. Ihr seid hiermit gewarnt.
Am Ende landen wir in einer Landschaft, die dem Grand Canyon sehr ähnlich ist nur mit deutlich mehr Vegetation. Und: wir stehen nicht nur einmal direkt am Abgrund. 1 m weiter geht es bis zu 400 m senkrecht in die Tiefe, manchmal sogar überhängend. In den Felsen hängen Kletterer in den Seilen, da wird selbst mir beim Zuschauen ganz schummrig. Mein Schatz setzt sich inzwischen wieder von mir ab, er muss voraus laufen, sein eigenes Tempo gehen. Seine Schwindelfreiheit schwindet und er versucht es so zu erklären: er hat ein Fass voll Schwindelfreiheit pro Wanderung, das im Laufe der Wanderung immer voller wird. Irgendwann läuft es über und dann kann er die Höhe einfach nicht mehr ertragen.
Schließlich erreichen wir bei leichtem, erfrischenden Nieselschauer unser Wohnmobil. Erledigt, erschlagen, aber auch glücklich, beseelt und ein bisschen stolz auf uns selbst. Nun müssen wir zu aller erst ein Bad in der Tarn nehmen, dann unsere verschwitzten Kleider auswaschen, die Schuhe ausklopfen und dann aber ganz schnell etwas kochen, denn unser Vesper unterwegs war mehr als dürftig. Wir haben beide Hunger und freuen uns auf ein spätes Mittagessen im Wohnmobil.Read more