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  • Day 21

    Herzlich Willkommen, kleiner Mensch!

    September 13, 2018 in Ghana ⋅ ⛅ 25 °C

    Der Morgen fing schonmal blutig an. Gestern Abend wurde ein Motorrad-Unfallopfer in die Notaufnahme eingeliefert. Er ist etwa 23 Jahre alt und hat am gesamten Körper Verletzungen - mal größere, mal kleinere. Ich half der Krankenschwester die etwas "kleineren" Wunden zu verarzten bzw. sauber zu machen und mit einer Bandage zu umwickeln. Sein Gesicht kriegte vom Aufprall das meiste ab. Er schlug sich einige Zähne aus, seine Lippen wurden dabei dementsprechend verletzt, sodass sie genäht werden mussten. Der Arzthelfer meinte, ich kann froh sein, dass ich ihn erst heute sehe. Der Anblick war selbst für ihn gestern etwas viel. 

    Als wir fertig mit ihm waren, wartete ich weiterhin auf Dr Basit. Beim Warten auf dem Flur begegnete ich einigen Schwestern, die meinten, dass es gleich mit der OP losgehen  kann. Sie bereiteten nur noch schnell alles dafür vor. Verwirrt dachte ich mir "Ok, dann gucke ich wohl heute bei einer OP zu." So wird man hier mental darauf vorbereitet - also gar nicht. Es passiert einfach. :D Aber mich schreckt mittlerweile immer weniger ab.

    Irgendwann schlüpfte ich in mein Ärztinnen-Outfit, was eigentlich viel zu groß war. In meiner Vorstellung sah ein OP-Saal auf jeden Fall anders aus. Ich fühlte mich ein bisschen wie bei Frankenstein. Der Raum war karg ausgestattet und schlecht beleuchtet. Das kleine Gitterfensterchen in der hintersten Ecke des Raumes ließ kaum Tageslicht rein. Eine Anästhesie-Maschine, eine Metall-Operationsliege und ein Rollwagen, die als Ablage der unzähligen Operationswerkzeuge diente, schmückten den Raum. Das war's. Die Ausstattung sah eher provisorisch aus. Bei der Operation ging es um einen Kaiserschnitt, der durchgeführt wurde, da das Kind falsch herum lag - mit dem Hintern nach unten. Wahrscheinlich hab' ich mich fachlich sehr korrekt ausgedrückt. Was meinen Sie, Doc Nainus?  :D Der Anästhesist gab ihr eine Spritze, um sie zu betäuben. Relativ zeitnah folgte die eigentliche OP. Ich stand am Fußende und konnte die Prozedur genauestens beobachten. Dr Basit nahm sich ein Skalpell, setzte es an den linken, unteren Bereich der Bauchdecke an und zog es von da aus längst bis zur anderen Seite durch. Er arbeitete sich langsam von Schicht zu Schicht durch. Die Arzthelferin tupfte regelmäßig das Blut bzw. saugte es mit einer Maschine weg. Seltsamerweise konnte ich das ganz gut ab und schaute weiter interessiert zu. Nachdem die oberste Haut angeschnitten war, kam das ganze Fettgewebe zum Vorschein - eine gelbe, bläschenartige Konsistenz. Danach kamen irgendwelche Muskelfasern (?), daraufhin die Muskeln, bis letztendlich die Organe zu sehen waren. Da das Loch noch zu klein war, fassten sowohl Dr Basit als auch seine Arzthelferin ins Loch und rissen es mit aller Kraft auseinander. Da hab' ich mich echt erschrocken und mich gefragt, ob das in Deutschland auch so brutal durchgeführt wird. Laut Doc Nainus wird es das, da das Gewebe besser abheilen kann. Hoffentlich hab' ich das richtig verstanden. Ein bisschen vorsichtiger Schnitt Dr Basit dann den Uterus auf, da das Baby sich ja darin befand. Alles, was danach kam, sah für meine Augen wieder total brutal und grob aus. Sie kramten im Bauch herum, um das Baby rauszuholen. Zuerst kam der Hintern zum Vorschein. Stück für Stück zog er es letztendlich ganz raus. Es dauerte etwa zehn Sekunden, bis es anfing zu schreien. Auf dieses Geräusch wartete ich ungeduldig. Herzlich Willkommen, kleiner Mensch! Ich klatschte fröhlich und fand es faszinierend, dass ich bei einer Geburt live dabei sein konnte. Dr Basit musste lachen und meinte, es ist das erste Baby, was bei der Geburt lächelte. 

    Die Nabelschnur zur Plazenta wurde abgeschnitten, das Baby wurde an eine zweite Arzthelferin gereicht und die Plazenta in einen Metallbehälter getan. Danach gab' es eine kleine Verschnaufpause vor der zweiten OP. Juhu, nicht nur eine Geburt, sondern gleich zwei! 

    Bei der zweiten OP wurde ebenfalls ein Kaisershnitt durchgeführt. Dieses Mal, weil die junge werdende Mutter (15 Jahre alt) sich bereits in der 41. Woche befand und längst überfällig war. Genau das gleiche Spiel von vorne mit dem Unterschied, dass das Baby zuerst mit dem Kopf rausgeholt wurde und es kurz darauf anfing zu schreien. Welcome, welcome, kleiner Mensch! Zwei Geburten innerhalb von anderthalb Stunden reichen dann auch mal. Das waren zwei schöne, sehr ungewöhnliche Erlebnisse an einem Tag. Ich kann doch ziemlich viel Blut ab. Ich glaube bei der Beschneidung ging es mir eher um das machtlose Baby, dem ich nicht helfen konnte.

    Am gleichen Tag fuhren David und ich noch nach Accra und überraschten die anderen. Die Überraschung ist uns gelungen. Wir freuten uns alle, dass wir wieder zusammen waren. Wir verbrachten den Abend ganz entspannt, bis wir schlafen gingen.
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