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  • Day 81–82

    Hiroshima & Nagasaki

    October 12, 2023 in Japan ⋅ ☀️ 24 °C

    Die zwei letzten Tage an denen wir uns den Japan Railpass zunutze machen konnten, widmeten wir dem wohl demütigsten Kapitel der japanischen Geschichte; und zwar den beiden Atombombenabwürfen im zweiten Weltkrieg. Wir reisten dazu zuerst nach Hiroshima, wo wir den ganzen Tag und eine Nacht verbringen würden. Dort angekommen merkte man erst mal nichts davon, dass diese Stadt vor knapp 80 Jahren dem Erdbodengleich gemacht wurde. Ein buntes Treiben herrschte auf den Strassen, welche von hohen Gebäuden mit grossen Leuchtreklametafeln gesäumt waren. Das einzige was darauf Hinweisen konnte, dass dieser Ort eine spezielle Geschichte zu erzählen hat, war die überdurchschnittliche Anzahl Touristen die sich am Bahnhof tummelten. Bevor wir uns direkt auf die Hauptattraktion, nämlich dem Peace Memorial Park stürzten, machten wir noch einen Abstecher zum Itsukushima-Schrein auf Miyajima. Der Shinto Schrein ist drei weiblichen Göttern gewidmet, die verantwortlich für die Meere und Stürme sind. Angeblich ist die gesamte Insel an sich schon eine Gottheit. Bekannt ist der Shrein vor allem durch sein Torii, der im Wasser steht. Ein roter Torborgen, welcher den Eingang zum Shrein markiert. Mit der Fähre gelangten wir innert weniger Minuten auf die kleine Insel. Dort angelangt, fand man sich wieder in einem Meer von Touristen - wohl ganz nach dem Geschmack der Meeresgottheiten und Sturm wurde mir auch bei diesem Rummel. Wir schlenderten entlang der Promenade bis zum Shrein, knipsten ein paar Bilder und gingen zurück durch einen historischen Pavillion mit Pagoda um anschliessend entlang der Shopping Street wieder zur Fähre zu gelangen.

    Zurück in Hiroshima gingen wir zu Fuss vom Bahnhof Shin-Hakushima zum Friedenspark, wodurch wir noch einen kurzen Abstecher zum Hiroshima Castle machen konnten. Beim Friedenspark angekommen, gelangten wir direkt zum Friedensdenkmal, der Atombombenkuppel. Die ehemalige Halle zur Industrieförderung, welche nur 140 Meter vom Hypozentrum des Bombenabwurfs stand, hat die Detonation mehr oder weniger gut überstanden und gilt heute als Mahnmal für den Frieden. Der Gedanke, dass unweit von hier die erste Atombombe über den Köpfen der Einwohner detonierte und mit einem Fingerschnippen alles Leben im unmittelbaren Umkreis auslöschte, lässt einen erschaudern. Das Gebäude strahlt eine bedrückende Ruhe aus und es wirkt, als würde das eisernen Gerippe der Kuppel wie eine Dornenkrone auf dem toten Gebäude sitzen.

    Wir gehen weiter in den Friedenspark hinein. Es ist ein grosser, grüner, mit Bäumen übersäter Park, der mit diversen Statuen und Skulpturen geschmückt ist. Bevor wir uns in der Hiroshima National Peace Memorial Hall die haarsträubenden Geschichten von Augenzeugen des Atombombenabwurfs anhören würden, wollten wir uns etwas stärken. Unweit des Parks fanden wir auf Google ein gut bewertetes Tex-Mex Restaurant das geöffnet sein sollte. Doch als wir in das Restaurant eintraten, herrschte Totenstille und nichts rührte sich. Ein paar Schritte tiefer im Lokal entdeckten wir eine Person, die am Ende einer Sitzbank ein Nickerchen machte. Als der ältere Herr uns bemerkte, schreckte er auf und fuchtelte mit den Händen "closed! closed!". Super - schon wieder wurden wir von Google an der Nase herumgeführt. So blieb uns, in Anbetracht der Zeit, nichts anderes übrig, als im nahegelegenen Mini Market einen kurzen Imbiss zu holen und auf einer Bank im Friedenspark zu geniessen. Später würden wir herausfinden, dass man in Japan grundsätzlich zuhause oder im Restaurant isst und nicht irgendwo auf der Strasse oder im Park - Ups, wieder mal Vollgas mit den Bergschuhen ins Fettnäpfchen gestampft.

    Nach dem Imbiss begaben wir uns in die Hiroshima National Peace Memorial Hall. Dort konnte man in einem grossen runden Raum Platz nehmen. Eine grosse Panoramaaufnahme von Hiroshima, kurz nach dem Atombombenabwurf, zierte die gesamte Wand. In der Mitte des Raumes stand ein runder Brunnen, auf dem schwer erkennbar die Abwurfzeit 08:16 Uhr dargestellt wird. Der Brunnen stand als Zeichen für die vielen tausend Menschen, die den Abwurf zwar anfänglich überlebten, aber aufgrund der Hitze und der Strahlung ein unglaubliches verlangen nach kühlendem Wasser hatten. In einem weiteren Raum gab es die Möglichkeit sich Geschichten anzuhören von Leuten, die diesen Tag erlebt haben und von dem unvorstellbaren Grauen erzählen. Die Geschichten erfüllen einem mit Demut und einer tiefen inneren Leere, während sich eine bedrückende Stimmung breit macht. In einer der Geschichten erzählte eine ältere Frau davon, dass, wann immer sie heute Kinder sähe, die ja mehr als genug zu essen und zu trinken hätten und teilweise gar etwas verwöhnt wären, sie daran denke, dass diese Kinder wohl die wiedergeborenen Opfer der Atombombe sein müssten. Sie sei so unglaublich froh, diese Kinder so erfüllt und sorglos zu sehen, nachdem was sie erlebt habe. Ich denke wir sehen heute wohl ein Leben im Friede und Überfluss viel zu oft als selbstverständlich. Für diese alte Dame ist wohl nichts mehr selbstverständlich, nachdem sie in ihrer Jugend ein solches Trauma durchlebte.

    Am nächsten Morgen machte ich noch eine kurze Joggingrunde entlang einem der vielen Flussdeltas, die Hiroshima wie einen Fächer unterteilen. Die Gedanken an die Atombombe und die Katastrophe, die dadurch in dieser Stadt verursacht wurde, lassen mich bei dieser Runde nicht los. Hin und wieder schaue ich in den Himmel und bin froh keine B-29 zu sehen.

    Nach der Joggingrunde ging es weiter mit dem Zug nach Nagasaki. Dort würden wir jedoch nur ein paar Stunden verbringen, vor allem um den Friedenspark und das Denkmal zum Atombombenabwurf zu sehen. So quetschten wir unser Gepäck in ein Schliessfach am Bahnhof und machten uns auf den Weg. Der Memorial Park in Nagasaki war nur etwa halb so gross, wie derjenige in Hiroshima und wurde auch von weniger Touristen besucht. Das Zentrum des Parks bildete eine grosse blaue Statue, die mit dem Finger in den Himmel zeigt, während die andere Hand schützend über den Boden ausgestreckt ist. Auf mich wirkte die Statue etwas Kolossal und die Bedeutung, die hinter der Skulptur steckte, war irgendwie nicht so eindeutig. Der Park war voll mit vielen kleineren Statuen und Monumenten von Ländern aus aller Welt, die etwas zu diesem Friedenspark beitragen wollten. Einige Beiträge waren sehr kreativ und interessant, während bei anderen ein Hauch von Propaganda mitschwang, denn man bedenke, dass dieser Park inmitten des Kalten Krieges gebaut wurde. Nachdem wir den Park besichtigten, gingen wir noch kurz bei einer Schweizer Bäckerei namens "Marco Polo" vorbei, um uns einen kleinen Snack zu gönnen. Danach ging ich zu Fuss zum Meer, um noch ein paar Eindrücke von der Stadt Nagasaki zu erhalten. Diese hat einige sehr schöne Ecken und auch historisch etwas zu bieten. Da Nagasaki lange Zeit der einzige Hafen war, an welchem Ausländer Handel treiben durften, gab es hier schon früh in der Geschichte einen Austausch mit Europäern, hauptsächlich Holländern. Den europäischen Einfluss merkt man auch bei der Architektur oder in der Religionsausübung, da in Nagasaki relativ viele christliche Kirchen zu finden sind. Dass diese Stadt, die ursprünglich ein Zeichen von Handel und Austausch mit dem Westen war, plötzlich nur noch mit Krieg und Zerstörung assoziiert wird, ist eine tragische Wendung der Geschichte.
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