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  • Day 187

    Nur noch 10 km

    October 18, 2022 in Germany ⋅ ⛅ 13 °C

    Nur noch 10 km...

    Um 7:00 klingelte der Wecker. Zu diesem Zeitpunkt lag ich schon seit mindestenes zwei Stunden wach. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Aufregung, Nervosität. Sollte die Reise wirklich bald vorbei sein? Ein letztes mal aus dem Quilt schälen, ein letztes Mal Kaffee kochen, noch einmal dem Morgen draußen genießen. Luise und Lennart ließen mich eine Zeit alleine, bauten die Zelte ab. Ich blickte in den Himmel, in die Gegend und wusste doch nicht wohin. Noch einmal den Rucksack packen, noch einmal die Schuhe binden, noch einmal auf die Strecke starten.

    Nur noch 9 km...

    Wir waren von der Petersalpe abgestiegen und liefen wieder auf der asphaltierten Straße. Wir kamen an einer Wasserstelle vorbei, wo wir nochmal unsere Flaschen auffüllen konnten. Wieviel sollte ich auffüllen? Der Weg war bald vorbei. So viel wie sonst werde ich wohl nicht mehr brauchen.

    Nur noch 7 km...

    Die Straße wurde jetzt zunehmend steiler. Die letzten Höhenmeter warteten auf mich. Langsam wurde ich stiller. Wie es wohl sein würde, gleich oben zu stehen? Ich lief langsam schneller. Das Ziel war zum greifen nach.

    Nur noch 3 km...

    Wir erreichten die Speicherhütte. Der Weg wechselte jetzt von Aspahlt auf Kies und Gras, wurde immer noch steiler. Das Haldenwanger Eck lag hinter der nächsten Bergkuppe. Ich beschloss ab hier alleine weiterzulaufen. Luise und Lennart würden warten, bis hinter der Bergkuppe verschwinden war. Ich machte mich an den Aufstieg, spürte Emotionen in meinem Brustkorb aufsteigen. Bals würden si wohl ausbrechen und doch war ich noch gefasst.

    Nur noch 1 km...

    Oberhalb der Trifthütte lief ich eine steile Wiese hoch. Das Haldenwanger Eck war schon mehrmals ausgeschildert gewesen. An dieser Stelle zeigte das Schild nach links. Ich blickte dem Schild hinterher, blickte in Richtung des Passes. Da sah ich es, da stand eine Säule. Kaum zu erkennen und doch nicht zu verfehlen: mein Ziel! Da war es also. Dafür war ich gestartet. Meine Fassung brach, die Tränen kamen ganz von selbst. Die Emotionen brachen aus mir heraus. Sollte ich es wirklich geschafft haben?

    Nur noch 10 m

    Die Säule war wieder aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich kletterte und hastete den letzten Anstieg nach oben. Jetzt nicht abrutschen, nicht kurz vorm Ziel, ankommen! Ich stieg über die letzte Kuppe und plötzlich, wie ausgespuckt, stand ich vor der Säule. Die letzten Meter. Der Blick nur noch auf den Grenzstein gerichtet. Als er direkt vor mir aufragte, breitete ich meine Arme aus und umschloss den Monolithen, als wäre er ein alter Freund. Ich hatte es geschafft. Es wirklich geschafft! 3528 km zu Fuß.

    Irgendwann musste ich mich setzten. Die Emotionen schuffen sich weiter Platz, brauchten mehr Raum. Ich ließ es zu. Ich saß allein am Haldenwanger Eck. Begreifen konnte ich es nicht, kann ich es immer noch nicht. Es wird noch dauern.

    Nach einer halben Stunde kam erst Luise, dann Lennart. Ich war etwas gefasster. Wir feierten, stießen an, genossen das Erlebte. Das Wetter spielte mit. Blauer Himmel und Sonne pur. Der Moment war fast surreal. Es war Mitte Oktober. Vo einem Monat, als Achim hier ankam, lag hier Schnee. Das alles muss erst sacken. Es wird dauern...

    Irgendwann beschlossen wir abzusteigen. Unser Weg führte uns nach Österreich. In Warth wurden wir von Luises Eltern abgeholt. Diese besuchten Luises Bruder, der erst kurz vorher nach Innsbruck gezogen war. Dort würden wir die Nacht verbringen und am nächsten Tag wieder nach Bonn fahren.

    So lief also mein letzter Tag auf dem NST ab. Ich versuche immer noch zu begreifen, dass es jetzt vorbei ist. Der NST liegt nun hinter mir. Wahnsinn. Wie es mir weiter erging, werde ich versuchen die Tage nochmal aufzuschreiben.

    An alle, die mich hier begleitet haben. Vielen Dank! Auch dank euch, war es eine tolle und besondere Zeit.
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