• Guter Ausblick über dem Abgrund...
    Über La Paz zumStadtteil MirafloresAussicht auf den Aussichtspunkt Killi Killi - nur besser ...Hinauf nach El AltoÜber einer Avenida von El AltoBlick bis zum Altiplano ...... und bis zur Kordillere, jeweils mit Obermaier-KircheCholet - man sieht, was dem Hausherrn gefällt ...Noch eine Obermaier-Kirche am Rand von El AltoHinab nach La Paz

    Rund um La Paz

    19 Januari 2024, Bolivia ⋅ ☁️ 19 °C

    Der Tag beginnt regnerisch, dass wir nach dem Frühstück erst einmal nichts unternehmen. Außer natürlich: Benzin kaufen. Ich 5 Liter, dann Ernesto, unser Vermieter, 10 Liter, sein Mitarbeiter auch noch einmal 10 Liter. Damit sollten wir auf der sicheren Seite sein, um Bolivien im Notfall ohne Tankstopp passieren zu können.
    Als es dann aufklart, mache ich mich mit Emil und Luzie – Nicole geht es nicht gut – auf, das Seilbahnnetz von La Paz zu erkunden. Mi Teleférico – so heißt das System - ist mit derzeit zehn Linien und 30.431 Kilometern Gesamtlänge das weltweit größte städtische Seilbahnnetz und erschließt La Paz und die Nachbarstadt El Alto für täglich mehr als 300.000 Fahrgäste. Die erste Linie wurde 2014 eröffnet, derzeit befindet sich das Netz weiterhin im Ausbau. Betrieben wird es von der staatlichen Betreibergesellschaft Mi Teleférico, gebaut wurde es von einer österreichischen Firma.
    Wir müssen nur ein paar Minuten von unserem Hotel aus gehen, da erreichen wir schon die für uns nächst gelegene Station der „weißen Linie“. Wir kaufen eine aufladbare Karte und betrete damit die über La Paz (und El Alto) gelegene andere Welt, hochmodern, sauber, still…
    Die weiße Linie führt uns, am Stadion vorbei, in dem schon so manche hochrangige Mannschaft abgefertigt wurde, über den Talkessel von La Paz. Die orangene Linie läuft dann nach Westen an den Rand des Kessels, die rote hinauf nach El Alto. Wie haben die wohl die Masten in diese steilen Hänge bekommen?
    Oben angekommen, nehmen wir – quasi als Abstecher – die blaue Linie, die El Alto überquert. Wir kommen hier am Flughafen vorbei, haben (auf der Hinfahrt) rechterhand die Kordilleren im Blick und unter uns die gefüllten Straßen der wild gewachsenen und wachsenden Stadt. Auf dieser Fahrt sitzen wir mit einem interessanten einheimischen Ehepaar in der Gondel (insgesamt erscheinen die Gondeln eher zu leer, beim Fahrpreis von 3 Bolivianos pro Linie auch verständlich, sind die Minibusse doch um einiges billiger), sie gekleidet wie eine „Cholita“, er ganz modern. Sie sprechen uns auf die Kirchtürme an, auf die uns gestern schon Sergio hingewiesen hatte, die von einem deutschen Pfarrer namens Sebastian Obermaier begründet wurden (70 bis 80 sind das wohl gewesen). Und da dieser aus Rosenheim stammte, haben die alle einen oberbayerischen Touch, mit hohem Zwiebel- und/oder Zwillingsturm. Wer dazu lesen möchte, kann dies hier tun: https://taz.de/Die-Kirchen-des-Padre-Obermaier/….
    Gerade erwähnte ich die Cholita. Als chola (wie Misch- Indigene – manchmal auch abwertend – genannt wurden) oder (verniedlichend) cholita werden indigene Frauen bezeichnet, die sich nach einer in den 1920er Jahren aus Europa nach Südamerika importierten Mode mit ursprünglich für Männer entworfenen Hüten kleiden. Ein italienischer Huthersteller hatte zu dieser Zeit nämlich versehentlich eine große Lieferung von Herrenhüten im Melonestil nach Bolivien exportiert. Bei Männern fanden diese allerdings keinen Anklang, und so begann die Importfirma, sie stattdessen als aktuelle italienische Frauenmode an arme Frauen zu vermarkten.
    Zusätzlich zu den Hüten besteht die Kleidung der Cholitas aus der pollera (einem Überrock), bis zu 10 Unterröcken und dem Schultertuch. Meist erscheinen cholas durch die vielen Lagen an Kleidung rundlich bis übergewichtig. Wenn sie Goldzähne zeigen, ist dies ein Zeichen von Reichtum, der nicht versteckt wird.
    Auf der Tour auf der blauen Linie kommen wir auch an etlichen der sogenannten „Cholets“ vorbei. Das Wort setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: Cholo und Chalet. Das sind sehr bunte Gebäude, die man so nur in El Alto und nicht in La Paz findet. Der Trend wurde 2007 von einem Architekten namens Freddy Mamani gestartet, viele andere Architekten haben ihn seither kopiert bzw. verändert. Mittlerweile gibt es mehr als 200 und es werden ständig mehr.
    Ein Cholet ist immer gleich aufgebaut: unten sind kleine Läden, die mittlere Ebene wird für ein Heidengeld für Privatpartys vermietet, darüber kommt manchmal eine Penthouse – Wohnung und auf dem Dach ein komplettes Häuschen, in dem die eigentliche Besitzerfamilie wohnt. Diese 3 Ebenen symbolisieren auch die “Unterwelt/hiesige Welt/Himmel” (hierzu hatte uns Sergio schon in Tiwanaku erklärt, dass diese durch Schlange, Puma und Kondor symbolisiert werden). Sowieso lassen sich überall Symbole der Aymara -Kultur erkennen, und die Cholets zeigen den Stolz und die Macht der aufsteigenden Aymara-Mittel/Oberschicht. Am Anfang haben die Leute nur das erste Stockwerk gebaut. Als sie von dem Handel mit dem Laden genug Geld gespart hatten, konnten sie die nächsten Etagen bauen. Sicherlich sind manche der Cholets durch harte Arbeit entstanden, andere aber auch durch Drogenhandel finanziert.
    Alle Cholets haben ein Motto, nach dem sie gebaut sind. Oft hat dies mit dem Beruf der Familie zu tun (eine Familie, die aus China Feuerwerkskörper importiert, ließ ihr Cholet bspw. im chinesischen Stil erbauen). Mittlerweile gibt es viele “Fantasy-Cholets” mit einer Iron-Man- oder Transformers-Motto. Jedes Cholet ist einzigartig und soll die die Familie charakterisieren. (Noch mehr hierzu findet sich hier: https://www.architektur-online.com/kolumnen/sta….)
    Wir nehmen die blaue Linie wieder zurück und kehren dann zurück zu unserer Rundfahrt, indem wir in die silberne Linie steigen und oben den Rand des Kessels entlangschweben. Dabei sehen wir weitere Kirchen von Obermaier, im Hintergrund den Altiplano, bis wir mit der gelben Linie in den Kessel zurückkehren und im Kessel selbst mit der hellblauen Linie zurück bis fast zur Haustür kommen.
    Wirtschaftlich ist das Ganze wohl ein weiterer Witz der Evo Morales-Epoche, aber toll war die zweieinhalbstündige Fahrt doch, man hat ganz wunderbare Überblicke über La Paz und El Alto erhalten, und selbst ich, der ich immer unter ein wenig Höhenangst leide, habe mich an das leichte Schaukeln gewöhnt, das Rappeln, wenn man einen der Masten passierte, an das Schwanken bei Ein- und Ausstieg, so dass es wirklich ein Genuss war.
    Gerne würden wir noch ein, zwei weitere Tage in La Paz bleiben, um in die Yungas hinunterzufahren oder zum Valle de la Luna, aber die Pro-Morales-Blockaden steigern unsere Unsicherheit, so dass wir uns dazu entscheiden, vorzeitig unseren Aufenthalt in La Paz abzubrechen und morgen nach Uyuní zu fahren. Genügend Benzin haben wir ja nun immerhin ...
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