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  • Day 25

    Am Titicaca-See, dem Lago Sagrado

    January 18 in Bolivia ⋅ ☁️ 17 °C

    Pünktlich um 6 Uhr stehen Sergio und unser heutiger Fahrer Glober vor dem Tor, um uns für unsere Fahrt an den Lago Titicacaeinzuladen, dem höchsten schiffbaren See der Welt. Zuerst laden sie allerdings einen 20l-Kanister gefüllt mit Benzin aus, den Fredy gestern besorgt hat, und ich fülle die 20l in unseren Tank. Fehlen noch 60 Liter, damit wir entspannt bis an die bolvianisch-argentinische Grenze kommen können. Projekt für die kommenden Tage …
    Noch ist nicht so viel los auf den Straßen, und als wir langsam aus El Alto herauskommen, wird es langsam heller, rechterhand sehen wir die Kordillere, und vor uns taucht bald der Titicaca-See auf.
    „Titicaca“ hieß zunächst nur die heute so genannte „Isla del Sol“ (Sonneninsel), eine Bezeichnung, die dann für den gesamten See übernommen worden ist. Titi heißt auf Aymara „Puma“ und kaka „Blei“ oder „bleifarben“. Die Bedeutung „grau gefärbter Puma, bleifarbener Puma“ würde sich auf den heiligen Felsen (Titikala) auf der Sonneninsel beziehen (zu diesem komme ich später).
    Bald kommen wir zu unserer ersten Station. Thor Heyerdahl versuchte ab 1969, den Atlantik in Ost-West-Richtung zu überqueren. Zu diesem Projekt sah sich Heyerdahl durch bemerkenswerte Übereinstimmungen unterschiedlicher Kulturgüter in Ägypten, Südamerika und Polynesien veranlasst. Neben Malereien oder Bauwerken wie etwa Pyramiden gab es auch Boote aus Schilf sowohl am Titicacasee und am Tschadsee als auch auf Darstellungen in Polynesien und in ägyptischen Pyramiden. Mit einem Boot, gebaut wie in den antiken Kulturen, wollte Heyerdahl die Theorie beweisen, dass die Menschen dieser Kulturen durchaus in der Lage waren, den Atlantik zu überqueren (wie er dies mit der berühmten Kon-Tiki für die polynesische See gezeigt hatte). Der erste Versuch mit einem von Bootsbauern vom Tschad-See war schief gegangen, und so ließ er 1970 ein neues Boot, die Ra II, von Bootsbauern des Titicaca-Sees bauen, komplett aus dort gewachsenem Schilf. Dieses Unterfangen gelang dann auch, und Heyerdahl erreiche von Marokko aus die Karibikinsel Barbados.
    Paulino Esteban Cacasaca, der bolivianische Bootsbauer, ist zwar 2016 gestorben, sein Sohn aber führt das Erbe weiter, baut Schiffe aus Schilf und zeigt seine Kunst auch den Touristen und berichtet von dem, was er mit seinem Vater erlebt hat. Am Ufer ist auch eines seiner Schilfboote im Wasser zu sehen. (Hier seine Homepage: https://www.kontiki.bolivia.bo/.)
    Danach überqueren wir auf abenteuerlichen „Fähren“ die „Straße von Tiquiña“ von San Pablo de Tiquiña nach San Pedro de Tiquiña, um so nach Copacabana zu gelangen, dem bolivianischen Hauptort am Titicaca-See (45% des Titicaca-Sees ist bolivianisch, 55% peruanisch). Die erste Frage, die sich uns stellte, als wir von diesem Ort hörten, war die, was dieser Ort wohl mit dem berühmten Strand in Rio de Janeiro zu tun hat. Sergio erklärt es uns: Tatsächlich ist der weltberühmte Strand nach dieser kleinen Stadt benannt, der knapp 3500 Kilometer von Rio entfernt liegt. Der Legende nach erschien die Muttergottes nach der Ankunft der Spanier in der bolivianischen Region Copacabana dem jungen Fischer Francisco Tito Yupanqui, der ihr zu Ehren ein Bildnis der Heiligen schuf, das unter dem Namen „Unsere Liebe Frau von Copacabana“ bekannt wurde. Im 17. Jahrhundert brachten bolivianische und peruanische Silberhändler eine Nachbildung dieses Bildes an den Strand von Rio de Janeiro – um die Heilige zu ehren, die eine kranke Tochter eines dieser Händler geheilt hätte. Auf einem Felsen am Strand errichteten sie eine Kapelle zu Ehren der Heiligen. Im Laufe der Zeit wurde diese Kapelle zum Symbol für den Strand und das Viertel.
    Der Name „Copacabana“ hat wohl etwas mit „Guter Ausblick“ zu tun, und so halten wir einige Male auf dem Weg von San Pedro de Tiquiña nach Copacabana, haben einmal einen wunderbaren Blick über den See bis zum unwirklich nahen Illimani, dann einen in die Bucht von Copacabana.
    Wir fahren dann in die Stadt hinein bis zum Marktplatz. Bei Aussteigen aus dem Minibus sehen wir eine kleine Tanzgruppe, die sich auf eine Filmaufnahme vorbereitent und wir bleiben stehen, um ein wenig zuzuschauen. Ganz in gelb gekleidet, fangen die 10 Personen ganz langsam an zu tanzen, mit seltsamen Masken in den Händen, zu ebenfalls recht langsamer Musik. Soweit wir Sergio verstehen, ist dies ein Tanz zu Ehren der schwarzen Minenarbeiter von Potosí (auch wenn die Tänzer alle weiß sind und, ihren teuren Kostümen nach zu urteilen, auch recht betucht).
    Die wichtigste Sehenswürdigkeit in Copacabana ist die schneeweiße Kathedrale aus dem Jahr 1820, Ziel vieler Pilger in diesem wichtigsten Wallfahrtsort Boliviens. Die Basilika im maurischen Stil ist der oben erwähnten „Virgen de Copacabana“ geweiht, die auch „Virgen Morena“ („dunkle Jungfrau“) genannt wird. Ihre von Francisco Tito Yupanqui aus dunklem Holz geschnitzte Statue ist mit purem Gold gekrönt und soll in der Basilika zu sehen sein – leider findet gerade ein Gottesdienst statt, so dass wir zwar in die Basilika kommen, aber nicht herumlaufen können.
    Draußen zeigt uns Sergio wieder die Verbindung von christlichem und andinem Glauben – auf dem großen Kirchhof (der für den Gottesdienst für die Indigenen gedacht war, denen man keinen Zutritt zur Kirche gewährt hatte), finden sich die Symbole von Sonne und Mond, die als Paar betrachtet werden (El Sol und La Luna!) und die eng mit Leben und Tod verknüpft sind.
    Und noch etwas wenig Christliches im Kontext mit der Basilika: Vor der Basilika stehen eine Reihe PKW und warten darauf, gesegnet zu werden. Die Priester der Basiika haben die Aufgabe, vor die Kirche zu kommen und die Autos, die mit Blumen geschmückt und mit Alkohol begossen sind etc. (man denke an Potosí und die Rolle des Alkohols dort), den göttlichen Segen zu geben. Haben sie auch nötig, wenn wir an die Fahrerei der Bolivianer denken … Ein witziger, etwas ausführlicher Augenzeugenbericht findet sich hier: https://www.reiseversuch.de/CopacabanaBendicion
    Als nächstes besuchen wir mal wieder einen Markt, klein und recht gepflegt, probieren eine leckere Kaktusfrucht, eines von den typischen leckeren Brötchen (die könnten so auch in Deutschland verkauft werden und wären ein Schlager) und eine Art Riesen-Pop-Corn – auch sehr lecker.
    Darauf geht es zum Mittagessen. Dafür fahren wir zu einer der schwimmenden Inseln, für die der Titicaca-See berühmt ist. Auf der bolivianischen Seite gibt es allerdings nur Replika dieser schwimmenden Inseln, da die Urus (die haben nichts mit Uruguay zu tun), ein Stamm, der diese schwimmenden Inseln baut (früher, um sich darauf vor den Inka zu schützen), und zwar aus demselben Schilfrohr, das der alte Paulino Esteban genutzt hatte, um Thor Heyerdahl ein Boot zu konstruieren, da also diese Urus nur auf der peruanischen Seite bei Puna leben. Vom touristischen Wert eines Besuchs bei den Urus habe ich allerdings wenig Positives gehört, so dass es uns nichts ausmacht, nur eine solche Replika zu besuchen (bei der das Schilfrohr auf Holzplanken verlegt ist), aus einem der Fischbassins sechs Forellen zu fischen und diese dann zu verspeisen – lecker.
    Wobei das mit den Forellen auch eine interessante Sache ist. Sie gehören eigentlich gar nicht in den See. Der Fisch gehört seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts zu den bolivianischen Nationalgerichten („trucha“ haben wir tatsächlich überall in Bolivien gefunden, wo wir hingekommen sind), nachdem Nordamerikaner die Forelle im Titicaca-See ausgesetzt hatten und sich diese seitdem schnell vermehrt hatte. Und so findet man heute massenhaft Forellen-Zuchtanlagen im Titicaca-See.
    Nach dem Mittagessen fahren wir noch weiter nach Norden, bis wir zu einem Anlegesteg kommen, von dem aus uns eine Lancha zur Isla del Sol bringen soll. Die “Insel der Sonne” ist mit 11 km Länge die größte Insel im Titicaca-See, und auch die bedeutendste. Hier schickte – der Legende nach – der Sonnengott Inti seine beiden Kinder auf die Erde, die von hier aus das Inka-Imperium gründeten. Manco Cápac, der mythische Herrscher der Inka, soll als Sohn Intis aus dem Schaum des Sees entstanden sein. Zusammen mit seiner Schwester Mama Ocllo wurde er entsandt, um das passende Stückchen Land für die Gründung der ersten Inka-Stadt zu finden. Der goldene Stab, den sie bei sich trugen und der, sobald fruchtbares Land beschritten wurde, zu Boden sinken sollte, um den richtigen Ort aufzuzeigen, ging der Sage nach im heutigen Cusco nieder.
    Wir fahren an der Südspitze der Insel vorbei, sehen die drei Dörfer im Süden, im Zentrum und im Norden der Insel (die waren vor nicht allzu langer Zeit so miteinander verfeindet, dass man die Sonneninsel nicht entspannt besuchen konnte; mehr dazu sogar in einem Weltspiegel-Bericht: https://www.daserste.de/information/politik-wel…) und gehen dann an der Nordspitze der Insel an Land. Auf der Fahrt an der Insel vorbei können wir auch wie überall in den Bergen Boliviens den Terrassenbau bewundern, eine Technik, die wohl noch auf die indigenen Bewohner, die Aymara, zurückgeht und die kontinuierlich angewendet wurde.
    Zunächst müssen wir über Treppenstufen hinaufsteigen, dann betreten wir einen Weg, den wohl schon die Inka (oder waren es die Aymara? Manchmal blicke ich auch nicht mehr durch …) angelegt hatten und über den man alle drei comunidades der Insel erreichen kann. Hier steuern wir den Puma-Felsen an. Dies ist der Ort, an dem Manco Cápac und Mama Ocllo den irdischen Boden betreten haben. Vor dem Felsen ist eine Felsplatte wie ein Tisch aufgestellt. Um diese herum gruppieren sich 12 Steine als Sitze, die wohl die 12 Monate symbolisieren. Auf diesem Tisch wurden wohl Jungfrauen für geopfert.
    Ganz in der Nähe befindet sich dort noch die "Chinkana" (Labyrinth). Es handelt sich um eine halb-unterirdische Konstruktion, mit einer Reihe von Gängen, die zu Sälen führen, die mehrere Zugangstüren besaßen. Aufgrund von Wind und Wetter über die Jahrhunderte hinweg sind Dächer und Gänge verfallen. Die "Chinkana" ist weltweit einzigartige in ihrer eine Konstruktion und wurde wohl zu Meditation- Kultzwecken, wie die Anbetung des Sonnengottes "Inti" oder des nahegelegenen "Heiligen Felsens" genutzt. Die These von Sergio, dass von hier Feinde abgewehrt werden sollten, überzeugt mich nicht – dieses Unterfangen wäre von dieser Stelle aus völlig sinnlos gewesen.
    Anschließend fahren wir wieder zurück, an der Isla de la Luna, der Mondinsel, vorbei, die auch ein hübsches Ziel gewesen wäre, einige witzig anzuschauende auf dem Wasser laufende Vögel kreuzen unseren Weg, wir genießen Wind, Sonne und Wasser auf dem Dach der Lancha.
    Gut drei Stunden dauert die Rückfahrt, dann sind wir wieder in unserem Hotel in La Paz. Schön war´s!
    Ich schließe den Tag mit dem Kauf von 5 Litern Benzin (mit Kopie des Passes geht das bei der Tankstelle, die dem Hotel gegenüber liegt), morgen das gleich nochmal, dann fehlt nicht mehr viel.
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