• Kritou Tera -> Lysos

    November 24, 2024 in Cyprus ⋅ ☀️ 13 °C

    Hui, was für ein Lüftchen! Nein, nein, kein Lüftchen der Berliner Art, sondern schlicht und ergreifend Wind 🌬️
    Schon in der Nacht wird es draußen deutlich frischer. Zwar bleibt der angekündigte Regen aus, doch der Wind nimmt deutlich zu. Da lässt es sich in meinem bescheidenen Häuschen gut aushalten! Vor allem habe ich keinen Stress, zusammenzupacken, was sich in ein wenig extra Schlaf investieren lässt.

    Nachdem ich mich aus Kritou Tera verabschiede, bin ich umso froher, die Nacht nicht draußen verbracht zu haben. Denn egal, wohin man in diesem Fall hört, überall werden Schüsse abgegeben. Die Jagd ist schon im vollen Gang, und so kommt es mir gelegen, dass mehr als die erste Hälfte der heutigen Etappe dem Straßenverlauf folgt – so bin ich auf jeden Fall sicherer als im Gebüsch.

    Kurz vor Goudi schnappe ich mir zwei süße Mandarinen von einem übervollen Baum. Als ich mir im Ort meine verklebten Hände waschen möchte, das öffentliche WC aber geschlossen ist, hält eine etwa 70- bis 80-jährige Frau mit ihrem Auto neben mir an und fragt mich, ob ich denn etwas brauche. So schnell kann ich gar nicht schauen, und schwupp, sitze ich schon bei ihr im Auto, fahre etwa 300 Meter zu ihrem Haus und darf einfach so ihr Badezimmer benutzen. Als ich zurück in die Küche komme, bietet sie mir einen Tee an, macht mir Spiegeleier und reicht mir dazu noch Brot, Butter, Haloumi, Tomate und eine Khaki! Ich kann gar nicht fassen, was mir geschieht! Noch vor einem Moment habe ich die Zyprioten wegen ihres Umgangs mit den Tieren und der Natur verflucht, und nun sitze ich als Fremder in einem Haus und erfahre solch eine Gastfreundlichkeit! ☺️

    Wir unterhalten uns eine Weile, und sie erzählt mir ein wenig von sich, vom Leben auf Zypern, der Angst vor Krieg und Klimakrise und von der griechisch-orthodoxen Fastenzeit. Zum einen isst sie weder Mittwoch noch Freitag tierische Produkte, zudem verzichtet sie 40 Tage lang vor Weihnachten und 50 Tage lang vor Ostern auf alle Milch- und Eierprodukte sowie auf Fleisch, Fisch ausgenommen. Die Eier hat sie nur zu Hause, weil ihr Mann es nicht ganz so genau nimmt. Ich bin beeindruckt von ihrer Lebensart und verabschiede mich dankbar von ihr. Sie gibt mir sogar noch Gebäck mit, da sie das während der Fastenzeit ohnehin nicht essen darf, und bietet mir an, mich nach Polis zu fahren. Da ich dann aber doch lieber wandere, schlage ich das liebe Angebot aus und breche auf, um die restlichen Kilometer nach Lysos abzuspulen.

    Der Wind bläst teils heftig, daher bin ich gut eingepackt, gleichzeitig schwitze ich bergauf aber ordentlich. Daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen, denn die nächsten Tage sollen zwar sonnig, dafür aber deutlich kälter werden. In Lysos finde ich ein halbwegs annehmbares Plätzchen für mein Zelt. Von hier aus nehme ich morgen früh den Bus zurück nach Polis, wo mich hoffentlich gute Neuigkeiten erwarten werden.

    heute: 24,1 km, 839 hm
    gesamt: 159,8 km, 3.095 hm
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