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  • Day 194

    Der ganz normale Wahnsinn in Tokio - 1

    April 22, 2019 in Japan ⋅ ☀️ 21 °C

    Eine Woche in Tokio in einen Post zusammen zu fassen ist wie aus Herr der Ringe eine Kurzgeschichte zu machen. Wo anfangen??? 🙈

    Man kennt viele Vorurteile und Geschichten über Japan im Allgemeinen und Tokio im Besonderen. Wir nehmen uns in dieser verrückten Stadt 7 Tage Zeit, um uns selbst ein Bild zu machen. Und nach dem beschaulichen Maui ist das tatsächlich ein ganz schönes Abenteuer. 😬

    Unser Hotel liegt im Stadtteil Shinjuku, genauer gesagt in Tokios Rotlicht- und Ausgehviertel Kabukicho (es ist eines von vielen Ausgehvierteln dort). Und als wir ankommen, ist es abends, die Neonreklamen und Riesenbildschirme an den Hochhäusern machen die Nacht zum Tage und tausende Menschen sind auf den Beinen. Der Bahnhof von Shinjuku gilt als der verkehrsreichste Bahnhof der Welt. Angeblich steigen hier mehr als 3,6 MILLIONEN Menschen JEDEN Tag in oder aus einem Zug oder einer U-Bahn, es gibt 36 Gleise und mehr als 200 Ausgänge. Wenn man sich verläuft, heißt das schnell mal 30 Minuten Umweg. Dass wir dort nicht immer noch rumirren ist eigentlich ein Wunder, aber Dank Google Maps klappt es mit der Orientierung ganz zu unserem Stolz die Woche über sogar sehr gut. 😬
    Reizüberflutet fallen wir am ersten Abend nur noch müde in unser Bett in unserem geräumigen *räusper* 11 Quadratmeter - Zimmer (da ist das Bad schon mit eingerechnet) - Tokioter Standardmaße für Hotelzimmer. 🙌

    Bevor wir weiter erzählen, was wir so erleben, vielleicht ein paar allgemeine Dinge, die uns im Gedächtnis bleiben werden:
    - die Japaner sind unglaublich zuvorkommend, höflich und freundlich. Man hat das Gefühl, ein ganzes Land hat einen Benimmkurs gemacht. Wir erleben so hilfsbereites Personal, egal ob im Hotel, in Restaurants oder bei Sehenswürdigkeiten, wie sonst fast nirgends auf der Welt. Man geht grundsätzlich respektvoll miteinander um und bemüht sich stets, niemanden um einen rum zu stören. Uns ist klar, dass wir als Touristen natürlich oft nur das Schöne an einem Ort sehen, aber trotzdem: von der ersten Minute an fühlen wir uns hier wohl, umsorgt und willkommen. Wir sind begeistert von den Japanern, die wir kennenlernen dürfen und von dieser positiven, aufmerksamen Grundstimmung. Wir würden uns wünschen, etwas davon nach Deutschland importieren zu können und nehmen uns vor, am besten bei unserem eigenen Benehmen anzufangen. Vielleicht steckt es andere ja genauso an, wie es uns gepackt hat.
    - Tokio ist eng, bunt, laut und verrückt. Aber nicht überall. Wir erleben viele Ecken, in denen man problemlos gemütlich mit dem Radl oder als Fußgänger unterwegs sein kann und auch grün ist es Dank der vielen Parks immer mal wieder. Manchmal ist man einfach in einer ganz normalen Stadt.
    - alles ist tatsächlich wahnsinnig zweckmäßig und organisiert. Das fängt bei den Armaturen im Bad an (und ja: alles was ihr über japanische Toiletten gehört habt, stimmt 🤣) und hört bei den vorgegebenen Fußwegen in der U-Bahn auf. Wir denken uns des Öfteren, warum so manche Idee noch nicht zu uns übernommen wurde. Detaillierte Beispiele können wir leider nicht nennen, denn die Sachen importieren wir jetzt nach Europa und werden reich und reisen nur noch. 😉

    Los geht es für uns in Tokio dann erst mal mit einer Reise in die Höhe: wir fahren auf den Sky Tree und schauen von 450 Metern auf die Stadt herunter, die so groß ist, dass man bis zum Horizont nur Häuser sieht. Wir bekommen ein gutes Gefühl, wie weit sich Tokio erstreckt.
    Im Nachbarviertel Asakusa bummeln wir danach durch die Gassen, bestellen mit Händen und Füßen unser erstes richtiges japanisches Essen (wir bekommen tatsächlich das, was wir möchten 😉) und besuchen den buddhistischen Senso-Ji-Tempel.
    Leider fallen ja unsere Souvenirs der Reise sehr spärlich aus. Es passt einfach nicht alles, was man in sieben Monaten gerne kaufen würde, in unsere Rucksäcke. Aber wir erfüllen uns in Tokio einen Wunsch und kaufen uns ebenfalls in Asakusa in einem kleinen engen Laden gute japanische Messer. Jetzt kann Zuhause wie beim Profi geschnippelt werden! Wir könnten hier im Viertel auch noch passend dazu täuschend echt aussehende Plastik-Repliken von Essen kaufen, können uns aber dann gerade so zurückhalten. 😬
    Nach der ganzen Rumlauferei schlägt dann der Jetlag zu und wir müssen zu unserer Schande gestehen: für mehr als noch ein bisschen Spazieren durch den Ueno-Park hat’s am ersten Tag dann nicht mehr gereicht. Müde fallen wir früh ins Bett.

    Fit für neue Abenteuer wagen wir am nächsten Tag eine Fahrt in der U-Bahn zur Rush Hour. Und es ist so, wie man sich das vorstellt: alle stellen sich zwar brav an wenn der Zug einfährt und jeder lässt auch erst alle Leute aussteigen. Aber dann gibt’s kein Halten mehr. Alle wollen rein, alle drücken und quetschen und mit Hilfe des Bahnpersonals von außen kommen dann auch alle rein. 🙈 In der U-Bahn muss man keine Angst haben, umzufallen - man ist sicher eingeklemmt zwischen den Leuten. Was total furchtbar klingt, ist allerdings besser zu ertragen als so manche U-Bahnfahrt in München, denn die Leute sind diszipliniert und es wird nicht gesprochen, nicht gegessen und die Anweisung, das Handy lautlos zu stellen, von allen befolgt. Man könnte eine Stecknadel fallen hören.
    Lauter geht’s danach im Manga-/Technik-Viertel Akihabra zu. Leider sind wir unter Tags hier und erleben nicht die ganzen 180% bunt, aber das macht nichts: 3 Stunden in einem der größten Technikkaufhäuser der Welt, extrem gehaltvolle Ramen und viele Manga-Mädchen lassen uns erahnen, wie es hier nach Sonnenuntergang zugeht. Außerdem wagen wir uns immer mal wieder in die riesigen Gaming Arcades, also Tempel für Automatenspieler jeder Art. Egal ob Teddybären angeln, Egoshooter, Trommeln oder Autorennen - hier gibt’s alles und Hauptsache, es ist bunt und unfassbar laut. Manchmal stehen auch einfach hunderte „Kaugummiautomaten“ nebeneinander. Wer kauft denn dieses ganze Zeug??? 😂
    Und der Tag hält noch ein Highlight für uns bereit: das 🙌 Robot Restaurant!!! Wir erwarten die totale Reizüberflutung und bekommen mehr als das! Das Ganze ist eine absolute Touristen-Sache, aber es ist wahrscheinlich das Verrückteste, was wir je erlebt haben. Schon die Pre-Show ist fast zu viel für die Sinne. In einem Raum voller bunter Blinkelichter macht eine Roboter-Band (verkleidete Menschen) ohrenbetäubende Partymusik, dazu tanzen hübsche Japanerinnen in knappen Pailletten-Kostümen, die von Geisha bis Samurai alles an japanischer Kultur durch den Kakao ziehen, was man sich vorstellen kann. Die Stimmung ist schon jetzt prächtig und das Hirn kommt mit Verarbeiten gar nicht mehr hinterher. 😂 Bei der echten Show danach lassen wir uns von überdimensionalen Robotern, Tänzern, Lasern, Musik und Knalleffekten nur noch mitreißen und kommen aus dem hysterischen Lachen gar nicht mehr heraus. Wir haben uns selten so sinnlos und gut unterhalten gefühlt, wie an diesem Abend. Das Ganze ist so schwer zu beschreiben, dass wir nur empfehlen können sich mal ein zwei Videos auf YouTube zum Robot Restaurant anzusehen. Oder Ihr geht auf Facebook, Pit hat dort auch ein Hammer Video gepostet. 👍

    Nach all dem künstlichen Neon-Tokio wird es am nächsten Tag Zeit, sich mal die echte Stadt anzusehen. Bei einer Walking Tour rund um den Meiji-Schrein erfahren wir viel über die religiösen Traditionen der Japaner, wie sich das Land im 19. Jahrhundert dem Westen öffnete und wie man im Shinto-Schrein einen Wunsch korrekt an die Götter äußert. Bei vielen geschichtlichen und Glaubensthemen zeigt sich wieder der Pragmatismus der Japaner: man pickt sich hier z.B. aus einigen Religionen einfach das Beste heraus. Heiraten in einer Kirche, Trauern im buddhistischen Tempel, Wünsche äußern im Shinto-Schrein und wenn sie nicht in Erfüllung gehen, dann einfach den Schrein wechseln 😬. Und an Weihnachten gibt es eigentlich nur eine Tradition: man geht zu KFC - denn das kommt dem Truthahn noch am nächsten.
    Nach so viel Geschichte erleben wir im Szeneviertel Harajuku wieder das zeitgenössische Tokio. Hier also kaufen diese ganzen Manga-Mädels ihre Schulmädchen-Röcke und kleiden sich die Hippster der Stadt mit teuren Sneakers und der aktuellsten Mode ein. In den kleinen Gassen bummeln wir zwischen Designershops und essen super Gyoza. 😍
    Aber dann müssen wir auch schon wieder zurück nach Shinjuku. Heute steht nämlich noch eine Ausgehtour auf dem Programm.

    Oh verdammt... wir haben ja schon einen riesigen Text geschrieben! Weiter geht’s mit Tokio im nächsten Post. 😅
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