• Ein Tag voller Höhenmeter

    May 21 in Germany ⋅ ⛅ 15 °C

    Wir hatten zwar den schönsten Schlafplatz, aber nicht die schlafreichste Nacht. Es war tatsächlich zu warm. Dann sind wir auch noch ab und an wegen leichter Schräglage übereinander gerollt. Beim nächtlichen Toilettengang, der sich nicht vermeiden ließ, hat mich der Fuchs zu guter letzt völlig empört ins Zelt zurück gebellt.
    07:00 Uhr klingelt der Wecker, damit das Zelt abgebaut ist, bevor andere aufwachen. Frühstück gibt es auf der Wanderbank.

    Heute geht es stetig bergauf, von Anfang an. Das, in Verbindung mit Sonne und wenig Schlaf, ist recht schnell ermüdend. Meine Uhr rechnet Höhenmeter in Stockwerke um - wir haben uns heute also auf 23 Kilometern 215 Stockwerke erlaufen. Fragt mich nicht, was das bedeutet! Auf alle Fälle habe ich jetzt das Körpergefühl einer Hundertjährigen.

    Höhen bieten Aussichten. Die erste genießen wir am Lohmturm, der liebevoll von einem Ortsverein gepflegt wird. Im Hüttenbuch finde ich eine Notiz von einem EB- Wanderer, der vor einigen Wochen hier entlang gewandert ist. Ein schöner Gedanke, man fühlt sich gleich verbunden. Kurz darauf treffen wir den 72 jährigen Vereinsvorstand, der erfolglos seine Jacke auf dem Gelände sucht und uns zu seinem selbstgebauten Traktor begleitet. Während seiner Suche tuckert der Traktor vor sich hin.

    Die Orte, die wir heute durchqueren, scheinen Mittagsruhe zu halten. Wir fragen uns, wie wir an Wasser kommen sollen, ohne einem Menschen zu begegnen. Spoiler: Wir haben es geschafft - wie, erfahrt ihr in den Fotos.
    Auf dem Weg in die Berge rechts der Saale schließt sich uns ein sportlicher Rentner an, der gerade seinen Gleitschirmflug beendet hat - ein Hobby, dass er mit 52 Jahren angefangen hat, auszuüben.
    Etwas weniger beflügelnd als der Herr ist die Mauer, die sich kurz darauf vor uns aufbaut. Mit dem Wachtürmchen könnte man meinen, dass wir uns an der unüberwindbaren Grenzmauer zwischen Ost- und Westdeutschland befinden, aber nein - es ist das obere Becken des Pumpspeicherwerks Hohenwarte. Als nächstes überlegen wir, wie wir einen Bruch der Mauer überleben würden.

    Ok, für die Dramaturgie habe ich einen Stopp unterschlagen: Das eigentliche Pumpspeicherwerk. Wir laufen keuchend drauf zu (natürlich bergauf), als auf einmal ein kleiner Zweitürer an uns vorbei rollt. Am Ziel angekommen, beobachten wir, wie drei ältere Herrschaften aus dem Auto steigen und unsere (!!!) Rastbank mit Aussicht in Beschlag nehmen! Und dann, dann packen die auch noch Kekse aus!
    Uns bleibt nur die nächste Bank - auf der windigen Brücke über den Rohrleitungen- und eine Reiswaffel mit Schokolade, immerhin! Dafür haben wir einen schönen Ausblick auf die Schleifen der Talsperre Hohenwarte und an der nächsten Bank gibt es dann endlich mal einen Stempel für das Wanderheftchen.

    Unser Ziel für heute ist eigentlich schon beim Loslaufen klar: ein Campingplatz mit Dusche. Den finden wir an der Lothramühle unten im Flusstal. Kurz vor dem Ziel verlaufen wir uns aber erstmal mit einer ungeahnten Selbstverständlichkeit, um dann festzustellen, dass wir einen schöneren Weg und noch dazu eine Abkürzung gefunden haben. Win win würde ich sagen!

    In der Lothramühle werden wir herzlichst empfangen von der Chefin, wir fühlen uns gleich wie zu Hause. Ächzend und kraftlos bauen wir das Zelt auf, um danach erstmal für immer in der Dusche zu verschwinden…. Ohne Duschmarken, wo gibt’s denn sowas! Als wir der Chefin vorschwärmen, wie toll die Dusche war, schlägt sie vor, dass wir ja morgen gleich nochmal duschen können und überhaupt können wir auch noch den ganzen Tag da bleiben.
    Auf dem Weg zwischen Dusche und Zelt begegne ich mehrmals dem vermutlichen Mann der Chefin, der gerade penibel Zaunslatten anschraubt. „Da sieht man, was man gemacht hat“, sage ich „Ja, und das Ende ist auch in Sicht - auch wenn es noch weit weg ist“ antwortet er. Eine Metapher? Bei der nächsten Begegnung überlegt er, ob er noch ein paar Zaunslatten holt. Ich schicke ihn in den Feierabend.
    Für uns Mädels gibt es noch ein leckeres Abendessen und für mich meinen allerersten offiziellen EB- Stempel im Wanderheftchen. Nun bin ich also auch offiziell auf dem „Weg der Freundschaft“ unterwegs.
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