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  • Day 18

    Ankunft in Varanasi 2

    February 23, 2017 in India ⋅ 🌙 19 °C

    Endlich draußen aus dem Zimmer machen wir uns in Richtung Ganges auf zu den Ghats. Im abfotografierten Reiseführer habe ich gelesen, dass hier jeden Abend um 19 Uhr eine heilige Zeremonie zu Ehren des Ganges, der als Gottheit Ganga verehrt wird, stattfindet. Beim einchecken haben wir übrigens erfahren, dass morgen ein Feiertag zu Ehren von Shiva ist und deswegen viele Pilger und Gläubige in der Stadt sind. Morgen soll es dann eine fette Party geben.
    An den Ghats ist viel los. Man sieht Sadhus, Kühe, Bettler und Arme, Verkäufer, Touristen, Frauen in Saris, Männer mit und ohne Turban und so weiter und so fort. Wir laufen staundend durch das Gedränge und wundern uns darüber, wie sauber der Ganges ist. Hatten wir doch das Bild von einer vermüllten, ungenießbaren Drecksbrühe vor Augen.
    Wir setzen uns auf eine der vielen Treppen, die das Ufer säumen. Die Stufen führen bis ins Wasser, um den Gläubigen ein Bad im heiligen Fluss zu ermöglichen.
    Das Problem in Indien ist, dass man sobald man an einer Stelle verharrt, sofort von allen Seiten angequatscht wird. "Yes Mam look Mam I have nice shop, Pashmina Shawls just 100 Rupees, come look", oder "hello Sir where do you want to go, can I help you please, money, money". Mit der Zeit geht es uns so auf die Nerven nicht mal kurz zehn Minuten in Ruhe gelassen zu werden. Das Schlimmste ist eigentlich, dass jeder nur Geld von dir will. Nachdem wir ein paar Fotos mit Indern gemacht haben, die unbedingt ein Selfie haben wollten, kommt eine Art Priester zu uns und fängt an Julien zu segnen und ihm dabei durch die Haare zu wuscheln. Er wünscht uns eine baldige Heirat und viele Kinder. Das erste soll schon im Dezember kommen. Ähm ok, bitte nicht?! Das Gespräch hat mit der üblichen Frage nach unserer Herkunft begonnen. Nach einer Segnung haben wir nie gefragt, diese geschieht einfach so. Man kann sich dagegen auch nicht wehren. Schließlich wird mir auch noch über den Kopf gestrichen und der Mann murmelt Formeln auf Sanskrit oder Hindi. Dann ist er fertig und will Geld. Als wir ihm keines geben wird er sauer und funkelt uns böse an. Mich nervt diese Haltung uns gegenüber so ungemein! Nur weil wir westliche Touristen sind heißt das nicht, dass wir jedem ungefragt unser Geld in den Arsch schieben können. Im Vergleich zu den Menschen hier sind wir natürlich sehr wohlhabend, andererseits kann man in Europa auch nicht für 3€ im Restaurant schön essen gehen und mit 15€ am Tag gut über die Runden kommen. Bei Touren geben wir unseren Guides immer brav Trinkgeld und runden allgemein meistens auf. Aber die Wohlfahrt sind wir dann auch nicht. Und was mich noch tierisch wütend macht - im Hinduismus geht es ja viel um Karma und Wiedergeburt. Da kommt also ein Priester und will uns scheinbar etwas Gutes tun. Im Endeffekt tut er aber nichts rein aus gutem Willen, sondern will von vornherein nur das Geld. Wir geben also nichts und der Mann zieht verärgert ab. Es setzt sich noch ein junger Mann zu uns und redet ein bisschen mit uns bis er dann meint, er habe da hinten einen Shop ob wir nicht mitkommen wollen, er macht uns gute Preise. Zur Hölle wir wollen NICHT!
    Als langsam die Sonne untergeht fängt die Zeremonie an. Es wird durchgehend mit Glocken gebimmelt und fünf Männer führen synchron das Ritual aus indem sie Singen, Wasser aus einer Muschel spritzen lassen, mit Feuer und Rauch hantieren und spezielle Bewegungsabläufe durchführen. Es ist wirklich beeindruckend und die Stimmung ist durchzogen von Ehrfurcht und einer gewissen Spiritualität. Es ist großartig! Fast alle machen Fotos oder filmen, viele in- und ausländische Touristen sitzen in Booten auf ddm Ganges und betrachten das Spektakel von dort aus.
    Frauen verkaufen Blumenketten und kleine Schälchen mit Blumen und einer Kerze, die man im Fluss auf Reise schicken kann. Ein kleines Mädchen setzt sich zu uns und will mir Aufkleber für die Stirn, Postkarten oder Pigmentpulver verkaufen. Ich lehne ab, aber die Kleine ist so süß und hat eine so angenehme Art, dass sie mich irgendwie um den Finger wickelt. Sie spricht erstaunlich gutes Englisch und ich frage ob sie denn zur Schule gehe. Sie antwortet, dass das zu teuer sei. Trotzdem kann sie Englisch, ein bisschen Spanisch und Französisch. Stolz erklärt sie, dass sie alles vom Umgang mit Touristen gelernt hat. Wir sprechen kurz auf Spanisch miteinander. Ich bin traurig darüber, dass so ein kluges Köpfchen nicht zur Schule gehen kann. Als ich frage was es denn mit den Pigmenten auf sich habe, fängt sie mit einer Seelenruhe an, ein Muster auf meine Hand zu stempeln. Schließlich willige ich ein eine Packung mit den Aufklebern zu kaufen und sie meint ich kann geben was ich will. Mit 50 Rupien geben wir ihr deutlich zu viel, aber die Kleine hat unser Herz einfach im Sturm erobert. Sie bleibt noch eine Weile bei uns Sitzen und wir schwätzen ein wenig, bis sie aufsteht und sich weiter ans Verkaufen macht.
    Wir verfolgen die restliche Zeremonie, die insgesamt über eine Stunde dauert und gehen danach noch kurz ans Wasser. Dort werden wir von einem Jungen gesegnetn (bekommen einen roten Punkt), der dann auch Geld haben will. Immer das Gleiche 🙄Julien erklärt ihm, dass wir das ja gar nicht wollten und er deswegen jetzt auch kein Geld verlangen kann. Stinkig geht er.
    Der Platz lichtet sich recht zügig nach Ende der Zeremonie und wir halten noch nach dem Mädchen Ausschau, da sie meinte ihre Schwester mache Henna Tatoos und ich sowieso gerne eines hätte. Wir finden sie aber nicht mehr.
    Auf der Suche nach einem Restaurant verirren wir uns in den verwinkelten Gassen. Wir haben Hunger und sind erschöpft. Nach langem Suchen finden wir endlich zurück in die Lodge. Wir beschließen einfach hier etwas zu essen. Ich bestelle ein Sandwich mit Tomate und Käse und Julien Spaghetti mit Tomatensoße 😊 wir warten in einem der gemütlichen öffentlichen Bereiche und bekommen live mit wie zwei sehr nette französische Familien, die als Backpacker unterwegs sind, ewig warten um anschließend mitgeteilt zu bekommen, dass es doch kein Zimmer mehr für sie gibt. Inzwischen ist es 22 Uhr und die Armen warten seit sechs Uhr Abends. Auf Grund des Feiertags sind so gut wie alle Unterkünfte ausgebucht. Wir haben Mitleid mit den Armen, als der komische Empfangsmann meint sie könnten auf dem Boden schlafen. Ihnen wurde versprochen, dass wenn die zwei freien Zimmer um 21 Uhr noch nicht belegt sind, sie diese haben können. Dem war dann nicht so, da um kurz vor zehn noch zwei Chinesinnen einchecken. Läuft ja super die Organisation hier! Ich habe in der Zwischenzeit auf booking geschaut und laut den Infos dort müssten noch drei Zimmer frei sein. Mit dieser Info geht die Diskussion weiter, die Franzosen sind uns jedoch dankbar. Wir wollen schon anbieten, dass einer von den sechs Personen auch bei uns schlafen kann, als dann plötzlich doch ein Zimmer frei zu sein scheint. So müssen trotzdem drei im öffentlichen Raum auf dem Boden schlafen, doch die Männer meinen das sei ok. Wir fühlen mit den Armen mit und unterhalten uns noch kurz, dann dürfen die Frauen in ihr Zimmer und wir verabschieden uns nach oben. Indien du bist so unstrukturiert! Die Spaghetti waren übrigens fürchterlich - Wasser mit ein paar gekochten Tomaten sind keine Tomatensoße! 😂
    Ich gehe um 11 noch duschen, da wir morgen um Viertel vor sechs rausmüssen, und muss feststellen dass das mit den 24 Stunden warmem Wasser eine große Lüge ist. Bibbernd und mit nassen Haaren krieche ich zu Julien ins Bett - was für ein erster Tag in Varanasi!
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