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  • Day 96

    Samaipata - Am Ellenbogen der Anden

    November 5, 2022 in Bolivia ⋅ ☀️ 27 °C

    Da unser letzter Stopp, Cochabamba nur ein Zwischenstopp war, fuhren wir am nächsten Morgen Richtung Samaipata. Ich war etwas betrübt, da meine Powerbank im Hostel gestohlen wurde, an in Ort wo man sich in vermeintlicher Sicherheit wähnt. Noch beim Frühstück erfuhren wir, dass im nahe gelegenen Santa Cruz seit Tagen Straßenblockaden errichtet waren und die Menschen streiken würden. Wir mussten also auf die „alte Straße“ ausweichen und buchten einen kleineren Bus. Dieser war tatsächlich geräumiger und bequemer als erwartet. Es ließ sich eindeutig besser zehn Stunden auf einem gepolsterten Sessel, als auf einer Plastikschale reisen, auch wenn es keine Toilette gab. Dennoch war es eine spannende Anreise. Wie so oft waren wir die einzigen Weißen, wurden hier und da kritisch beäugt und auch wir schauten uns verwundert so manche Szenarien an. So auch der Mittagsstop: die Businsassen strömten in ein kleines Haus, in dem wenige Speisen angeboten wurden. Für umgerechnet 2,20€ bekamen wir zwei Mittagessen. Bei mir, wie so oft, einfach nur Reis mit einem Ei und einer Kartoffel (yey 🙄). Von unseren Mitreisenden wurden die Gerichte innerhalb von wenigen Minuten rein gespachtelt, sodass das Lokal eigentlich sofort wieder leer war, wobei wir noch die Hälfte auf den Tellern hatten. Aus Angst, der Bus würde ohne uns los fahren, schaufelten nun auch wir den Rest hinein. Ich konnte gerade noch auf Toilette gehen, aber auch nur, weil ich den Fahrer gebeten hatte zu warten. Nach dessen dicker Mahlzeit war dieser wieder motivierter und sauste die Serpentinen entlang. Untypischer Weise lief in diesem Bus mal kein Fernseher mit ohrenbetäubender Lautstärke aber die Mitreisenden schafften den Lärmpegel dann auch selbst. Nach Beschallung durch YouTube Videos schauende Eltern, rumrennende Kindern, Beruhigung der Babys mit weiteren Videos, Windel- und Hähnchengeruch waren wir dann irre froh, in Samaipata angekommen zu sein.

    Einer Empfehlung folgend waren wir im Serena Hostel untergekommen. Aufgebaut von einem Niederländer, versprach sein schöner großer Garten, der Blick über das Städtchen von unserer Terrasse und das reichhaltige Frühstück einen wunderbaren Aufenthalt. Dieser Ort wurde tatsächlich zu etwas Besonderem, in vielerlei Hinsicht und zusätzlich durch die tollen Menschen bereichert, die wir in dieser kleinen Oase antrafen. Wir blieben sechs Nächte und genossen den Ort.
    Direkt am nächsten Morgen erzählte uns Gustavo, ein Volontär aus Uruguay, dass er vor hätte mit Theresa, einer weiteren deutschen Reisenden, einen Ausflug zu unternehmen. Kurzer Hand schlossen wir uns an und fuhren zu viert zum El Fuerte, einer Festung aus Prekolonialzeiten. Auf einem großen Felsen konnte man verschiedene Gravuren im Stein, Reste von Hütten und spirituelle Stätten der Inka und anderer Kulturen sehen. Man sah von hier aus auch die Weite der Gegend und wir bekamen richtig Lust, weitere Wanderungen an den folgenden Tagen zu unternehmen. Vor allem war der Nachmittag jedoch deshalb so schön, da wir merkten, dass wir auf einer Wellenlänge schwammen und eine feine Zeit miteinander hatten. Am nächsten Morgen gesellte sich noch Eric hinzu, ein weiterer sehr netter junger deutscher Volontär und komplettierte unsere dufte Runde.
    In den kommenden Tagen lernten wir nicht nur uns besser kennen, sondern auch den Besitzer Bert und das Städtchen Samaipata. Gerade mal ca. 4000 Leute leben dort, wobei eine beachtliche Menge aus verschiedenen Ländern zugezogen sind. Mir wurde Samaipata durch persönliche und Blog-Berichte, als künstlerisches, gelassenes und freundliches Städtchen wärmstens empfohlen. Es gibt in der Tat kleine süße Cafés im Hippie-Stil, farben- und pflanzenreiche Hinterhöfe, schöne Läden zum Schmökern und einen kleinen Markt. Alles recht überschaubar und jeder kennt wohl jeden. Das bekommen wir auch mit, als wir merken was so für Geschichten, vor allem über die Zugezogenen, erzählt werden. Bei mir machte sich immer mehr das Gefühl breit, dass dieses vermeintliche Paradies seine tückischen Seiten hat. Wir lernten immer mehr komische Vögel kennen, unseren Gastgeber eingeschlossen. Bert ist kein einfacher Mensch und unseren lieben Volontäre hatten ihre Schwierigkeiten mit ihm. Selbst uns fiel sofort seine pedantische und penible Art auf. Als weitere Gäste (eine Niederländerin und eine Irländerin) neunzehn Minuten zu spät zum Frühstück kamen, wir aber noch am Tisch saßen, bekamen sie dennoch kein Frühstück. Nach deren vierundzwanzigstündiger Anreise, hatte er kein Verständnis, dass sie erstmal Schlaf nachholen mussten.
    Glücklicherweise war Bert nicht die ganze Zeit präsent und wir alle hatten eine fantastische Zeit zusammen. Wir kochten abends zusammen, scherzten, sprachen in mind. drei Sprachen miteinander und genossen den wunderbaren Garten. Der Blick ins Tal erinnerte mich total an die Toskana in Italien.

    In der Nähe des Hostels gab es ein Refugium für Tiere, die verletzt waren oder gerettet werden mussten. Natürlich wollten wir uns die Tiere nicht entgehen lassen und liefen mit Theresa hin. Eine Schweizerin hat an diesem Ort ein Auffanglager für Affen, Vögel, Schildkröten, Wildkatzen, ein Tapir und viele mehr geschaffen. Sie schien leider nicht sehr gesprächig aber wir durften herum laufen und uns alles ansehen. Leider müssen viele in Käfigen gehalten werden aber ich hatte bei einigen das Gefühl, dass sie auch recht viel Platz haben. Vor allem bei einem Gehege, wo es gestattet war hinein zu gehen, da die Tiere alle zutraulich waren. Wieder einmal konnte ich mit so vielen Tieren kuscheln: ein zutrauliches Wildschwein, ein Reh, dass uns als Salzleckstein benutzte, neugierige Tucans und witzige Agutis (Nagetiere). Selbst ein freilaufendes Äffchen hatte sich kurz auf meine Hand gesetzt. Leider konnten wir nicht so richtig heraus finden, welche Tiere nun wieder ausgewildert werden können oder welche ihr Leben in Käfigen verbringen müssen.
    An einem anderen Tag unternahmen wir eine Wanderung zum Ellbogen der Anden. Es hatten sich in der Zwischenzeit eine Französin, Aurelie im Hostel eingefunden, die mit uns drei Deutschen mit laufen wollte. Unsere kleine Hostelfamilie war mittlerweile auf acht Leute herangewachsen und wir hatten eine gute Zeit zusammen.
    Die Tageswandertour begann bei bestem Sonnenschein. Gabi, eine Argentinierin fuhr uns zum Startpunkt und wir kletterten den Berg hinauf. Ab diesem Punkt wanderten wir den Bergkamm entlang und hatten einen fantastischen Blick über die Bergspitzen. Die Sonne schien mit voller Kraft auf uns herab und man konnte sich denken, warum es hier nur wenige Pflanzen schaffen zu existieren. Nur wenige Hügel weiter begann jedoch der Regenwald, alles war grün und von Wolken bedeckt. Faszinierende Landschaftsformationen so nah beieinander. Unser Ziel war der Fluss im Tal und eine wohltuende Abkühlung im frischen Wasser. Nach einem kleinen Badespaß folgten wir dem Flusslauf und endeten an drei sehr schönen Wasserfällen. Unser Guide war leider sehr wortkarg und auch wieder ein recht spezieller Typ, sodass wir nicht so viel über die Umgebung erfuhren, jedoch hatte ich den Tag und die Natur sehr genossen.
    Samaipata ist wirklich ein Besuch wert und man kann hier wunderbar Zeit verbringen. Bert‘s kleine Oase am Hang ermöglicht einem einen ganz besonderen Aufenthalt und die Einheimischen sind irre nett. Ein wenig hatte ich das Gefühl, dass irgendeiner mal angefangen hat, in diese Gegend auszuwandern und viele gefolgt sind. Dadurch hat sich ein kleines Konglomerat an unterschiedlichen, um nicht zu sagen sehr speziellen Charakteren angesammelt, die alle denken, sie wären zu erst da gewesen. Es gelingt allerdings leicht, denen aus dem Weg zu gehen und die Lage der Stadt und die herrliche Umgebung zu genießen.

    Wieder einmal fiel ein Abschied schwer. Besonders Gustavo und Eric hatten uns eine wunderbare Zeit und ein tolles Frühstück gezaubert. Aurelie blieb noch ein wenig bei ihnen aber die restlichen der Truppe machten sich gemeinsam auf den Weg zur nächsten Station: Sucre.
    Mit einem weiteren Bummelbus, viel Sonnenschein und guter Laune im Gepäck ging es weiter 10 Stunden Richtung Westen.

    Sucre ist neben La Paz eine weitere Hauptstadt und hat mich total begeistert. Bisher fällt es mir, außer man fährt durch das tiefste Hinterland, nicht sonderlich auf, dass Bolivien das ärmste Land Südamerikas ist. Sucre wirkt mit seinen vielen weißen Gebäuden fast schon edel. Die Stadt ist recht unaufgeregt, hat viele große grüne Plätze und einen sehr schönen belebten Markt. Leider fiel mir jedoch dann der Kontrast von arm und reich sehr auf: es gibt viele die betteln müssen, vor allem Indigene und noch schlimmer waren darunter viele Kinder. Wiederum fällt auch in Bolivien auf, dass Einheimische immer etwas spenden.
    Wir nutzen ein Angebot des Hostels und ließen uns von einer zauberhaften Studentin 4 Stunden durch die Stadt führen. Wir aßen bolivianische Schokolade, erfuhren mehr über die Stadt und die indigenen Völker und beendeten unsere Tour an einem Aussichtspunkt mit wunderbarem Sonnenuntergang und anschließendem Hagel. Die Regenzeit beginnt nun mit dem Sommer und es regnete das erste Mal in der Stadt in diesem Jahr.
    Wir nutzten die Zeit in Sucre auch, um einzigartige Fußabdrücke von Dinosauriern zu besuchen. Unweit der Stadt wird limestone abgebaut, wobei eines Tages von einem Deutschen ein Fußabdruck entdeckt wurde. Der Fund wurde zu einer Sensationen, denn biologische Prozesse hatten tausende Fußabdrücke konserviert und am Ende versteinert. Interessanter Weise sind diese auf einer flachen Ebene zu sehen, die fast senkrecht zum Boden steht. Auf Grund von tektonischer Verschiebungen wurde der einst horizontale Seeboden aufgerichtet und wirkt nun wie eine Mauer mit Millionen von Jahren alten Zeugnissen von den Dinos. Die detailgetreuen und lebensgroßen Nachbildungen der Dinosaurier im Außenmuseum waren auch sehr beeindruckend und interessant als Größenvergleich.

    Wir blieben etwas länger als geplant in Sucre, jedoch hatte sich die Zeit wirklich gelohnt. So konnten wir auch unsere nächste Tour etwas besser planen und freuen uns nun tierisch auf ein paar Tage in der größten Salzwüste der Welt. Man muss für diesen Ort Touren buchen, sodass wir ab Montag 3 Tage zu sechst und einem Guide unterwegs sein werden. Ich freue mich wie verrückt auf die kommende Zeit, mitten in der Natur, auf 5000 Meter Höhe in einer ganz speziellen Umgebung.
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