• Schweiß, Euphorie und und Schrecken

    August 12 in Vietnam ⋅ ☁️ 31 °C

    Ich verlängere meinen Tagesausflug um eine weitere Nacht. Mit einer paneurpäischen Gruppe und einem Kiwi machen wir uns auf den den hiesigen Nationalpark in Cat Ba. Für 1,20 Euro das Mopped volltanken und dann auf dem Rücksitz die atembereraubende Landschaft um mich herumzugenießen. Kurvige Straßen tragen uns vorbei an den wilden Hunden, langsameren Mopeds und während sich in mir zum ersten mal seit längerer Zeit dieses bestimmte kribbeln im Bauch spüre entspannen sich meine verkrampften Hände, welche sich aus Gewohnheit und ein bisschen Angst am Gepäckträger festhalten. 

    Der Aufstieg zum Berg dauert knapp 45 Minuten. Ich unterschätze dabei aber wie sehr sich die Klimabedingen hier verändert haben. Wir sind im Dschungel, also wirklich Dschungel. Fast 40 Grad und riesiger Luftfeuchtigkeit kommt der kurze, aber heftige Regenschauer gerade recht. Vielleicht hatte Tokio Hotel doch recht. Wir lassen uns von den äußeren Bedingungen nicht abschüttlen und kämpfen uns zur Hütte und zum Peak wo wir unsere Regen- und Schweißgeträngten T-Shirts auswringen. Die Hitze ballert hier oben unglaublich, dass Eukalyptus aus dem Moskitospray brennt auf meiner Haut und ich habe kurz die Sorge, dass das länger anhalten könnte. Spätestens mit unserem Abstieg vergesse ich das Gefühl und bin froh wenige Zeit später wieder am Tourishop unten angekommen zu sein. Neben der Flasche Wasser kaufe ich ein ziemlich billiges (spreche hier von der Verarbeiteung) Shirt. 

    Der Fahrtwind kühlt meinen Körper angenehm runter und die anschließende Dusche und Sprung in den Pool tut das übrige. Banh Mi, Fried rice und der frischgepresste Maracujasaft bringen die Energie zurück.

    Ich bleibe stark, als ich von der Gruppe gefragt werde ob ich beim Pubcrawl wieder dabei sein möchte. Weil ich aber morgen weiterziehen möchte und umbedingt Schlaf brauche verneine ich. 10 Minuten später sitze ich aber auf dem Mopped von Tuen (vor allem weil wir uns geschworen haben, dass wir “nur 30 Minuten” dort sein werden). Die anderen sind überrascht, als wir doch in der Bar eintreffen. Wir spielen ein paar Runden Billard und gehen dann in die Karaoke-Bar nebenan. Die gebuchte Stunde geht unglaublich schnell vorrüber. Vom Tequillasong, “99 Luftballons”, “all I wanted was you” von Paramore (ja, war mein Pick und ich fühl mich plötzlich wieder 13) und vielen anderen ist alles dabei. 

    Die 5er Gruppe, die sich ursprünglich zum Pubcrawl angemeldet hat nehmen ein Taxi und wir (Tuen und ich zusammen auf einem und Mohamed, einer der Volunteers aus dem Hostel) die Motoroller. 

    In meinem Kopf passiert nun alles in Zeitlupe: Wir sind noch in der Stadt, sitzen noch keine Minute auf unserem rollenden Gefährt. Das Tacho zeigt etwa 30km/h an. Er ist kurz unaufmerksam und sieht nicht, dass sich die den kurzen Abschnitt von Kiesweg. Über den Helm vom Tuen neigt sich Mohameds Körper stark nach links. Wir kommen zum stehen und rennen zu ihm. Er liegt auf der Straße, eine Sandale an seinem Fuß, die andere steckt im Radkasten fest. Seine Hände bluten, da er sich instiktiv damit abgefangen hat und wahrscheinlich schlimmeres verhindert hat. Er ist schwer ansprechbar und unsere Plan ihn zum Hostel zu fahren unmöglich. Ich rufe die 115 und gebe mein Handy an einen der vielen Locals, die angehalten haben und helfen wollen. Statt einem Krankenwagen wird uns gesagt ein Taxi zu nehmen. Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber 2 Minuten später steht ein Fahrzeug neben mir, der Fahren macht uns deutlich, dass Mohamed sich nicht hinsetzen soll, breitet eine Decke im Kofferraum aus. Es grenzt für mich fast an Unmenschlichkeit ihn dort so zu sehen, offensichtlich unter Schmerzen gekrümmt auf der Rückbank eines VW Sharans. Wir erreichen das Krankenhaus und irgendwie scheint es dort kaum jemanden zu kümmern. Wir müssen ziemlich dafür kämpfen Hilfe zu bekommen und die Sprachbarriere ist trotz Googleübersetzter immer noch eine Barriere. Wir sind in einem Raum mit drei Liegen. Der Mann, der neben ihm liegt wirkt wie ein Geist, seine Tattoos auffällig. Vor uns stehen zwei grün uniformierte, welche nicht nach Krankenpflegeen aussehen. Später erfahre ich, dass es Polizisten sind und es sich bei dem Mann mutmaslich um ein Mitglied einer Gang handelt, welche kurz zuvor mit einer anderen in einen Konflikt geraten ist. Doch in diesem Moment weiß und interessiert mich das auch nicht. Eine ältere Krankenschwester tupft irgendein Desinfektionsmittel auf seine Wunden und seine Haut verfärbt sich gelb. Sie ist nicht wirklich zimpelich, was sich auch Mo´s Gesicht deutlich abzeichnet. Wir versuchen es gemeinsam wegzulachen. Der administrative Teil kostet uns eine gute halbe Stunde. Mohammed wird diese Nacht im Kranknenhaus verbringen, da um 7 Uhr sein Fuß geröntgt wird um einen Bruch auszuschließen. Er bedankt sich mehrmals, wenn auch deutlich geschwächt. Also lassen wir ihn in diesem viel zu hellen Raum neben einem mutmaßlichen Kriminellen zurück.  

    Tuen und ich wechseln fast kein Wort. “Priviligiert” ist das einzige, was mir im Kopf herumschwirrt, als wir uns mit deutlich verringerter Geschwindigkeit auf den Weg zurück machen. Ich bin in diesem Moment unglaublich dankbar dafür das Glück zu haben, nur aus reinem Zufall in einem Land geboren zu sein, in welchem ich überall und bedingungslos Hilfe bekomme und wünsche mir gleichzeitig, dass dies jedem Menschen zu Teil werden solle.

    Die gute Nachricht zum Schluss: Mohamed wird am nächsten Tag entlassen, sein Fuß ist nicht gebrochen und bis auf die Schürfwunden geht es ihm gut. Hallelujah und Alhamdulillah.
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