• Travnik

    August 19, 2022 in Bosnia and Herzegovina ⋅ ☁️ 25 °C

    „Wesire und Konsuln“ ist ein Buch von Ivo Andrić, das ich mir für faule Stunden mitgenommen hab. Es erzählt, wie 1807 ein napoleonischer und ein österreichischer Konsul ins tiefe Tal von Travnik kommen, wie sie sich mit dem aus Istanbul bestellten Wesir von Bosnien anfreunden, wie den reichen Türken der stolzen Hauptstadt (bis 1850) das alles gar nicht gefällt und wie sie im Kaffeehaus Lutvina kahva sitzen und über den Untergang der „schönen Stille“ schimpfen. Sehr schön zu lesen! In genau dem Kaffeehaus sitze ich, und schimpfe im Stillen über das Verschierte, das in meiner Gemüsesuppe schwimmt.
    Travnik gefällt mir gut. Es ist von steilen, dunkelgrünen Hängen umgeben, die Burgruine ist von überall zu sehen. Ich sitze da oben, höre zu, wie Muezine aus 2 Richtungen singen und genieße die Stimmung im Tal. Irgendwie unabsichtlich mach ich eine Wanderung auf für meine Sandalen viel zu steilen Wegen hinauf zu einer Kapelle. Ich verirr mich weiter in das kleine Dorf velika bukovica, 2 Frauen, die gerade beim Kühe Melken waren lachen mich an und aus und erklären mir (glaube ich) dass hier keine Straße direkt zurück nach travnik führt, ich muss über den steilen Pfad zurück. Unten schreibe ich einer der Frauen die sich auf Facebook vernetzen wollte mit Google translate dass ich gut angekommen bin. „Gut, mein Schatz“ schreibt sie, und dass ich bald auf einen Kaffee vorbei kommen soll.
    Im Untergeschoß der „bunten Moschee“ im Zentrum gibt es ein Kaffeehaus. Die Gäste hören zu, wie sich ein junger Mann und eine verschleierte Frau mit Mikrofonen unterhalten. „Er ist Katholik und sie ist meine Frau“ erklärt mir der Herr, der mir türkischen Kaffee bringt. Der Dialog zwischen den Religionen soll gefördert werden. Als ich ihm dazu gratuliere sagt er, ich soll mal auf Facebook schauen - die Veranstaltung hat viele kritische Kommentare bekommen.
    Mein Apartment ist in einer der viele Betonbauten. Auch diese Gegend schau ich mir ein bisschen an, weil da spielt sich schließlich das echte Leben der meisten ab. In Sarajevo hab ich die viel höheren, hässlichen Bauten nur aus der Ferne gesehen.
    Es ist ist anders alleine zu sein und ich muss mich erst dran gewöhnen. Es ist weniger lustig und auf andere Weise intensiv. Lustigerweise gehts dem französischen Konsul zu Beginn ganz ähnlich (siehe Bild).
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