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  • Day 60

    Frey - verkeilt im gallischen Dorf

    March 19, 2022 in Argentina ⋅ ☁️ 11 °C

    Die Landschaft rund um Bariloche ist in gewisser Weise ähnlich der österreichischen Nordalpen. Halbhohe Berge (die meisten Hügeln gipfeln sich zam auf ca. 2300 Meter) und große Seen (guad die hier da san wirklich bedeutend größer) geformt durch die eiszeitliche Gletschererosion schaffen ein Pendant zum Salzkammergut. Vielleicht hörts sich's hier aber auch schon auf mit den Parallelen. Die Seeufer sind großteils unverbaut und der Tourismus außerhalb der Städte ist weniger Individualtourismus (viele Autos) als organisierte Tagesausflüge zu einem Wasserfall, Rafting, Reiten oder zu Aussichtspunkten. Diese organisierten Ausflüge interessieren uns eigentlich goa ned - vor allem weil es Unternehmungen sind die wir von daheim bereits gut kennen oder weil wir ähnliches/intensiveres durchs Klettern und Wandern erleben.

    Ansonsten ein Hauch von alpenländischer Architektur und viel Schokoladenmanufaktur. Den hiesigen Hubert von Goisern hamma noch ned kennen gelernt aber nachdem Folklore in Argentinien im Vergleich zu Österreich viel mehr präsent ist - kann der a ned weit sein.
    Im Sommer Berg-, Bade- und Schokotourismus - im Winter gibt's neben heißer Schokolade sogar eines der bedeutendsten Wintersportzentren Südamerikas. Saisonpass (ohne Einschränkungen auf betriebsarme Zeiten) für Locals um mehr als 500 Euro - bei einer meist bedeutend kürzeren Saison als in den Alpen und einer Größe vergleichbar mit Hinterstoder. Saisonpass für Nicht-Locals: más!
    Die Berge sind unten grün und oben eher Kategorie Schotterhaufen. Also ist für die meisten Gipfel theoretisch (und praktisch) ned mehr als a gute Sandale nötig - vor allem wenn ma mit dieser a schon Erfahrung auf der Pasterze gesammelt hat. (Keine Namen aufgrund von potentiell strafrechtlichen Konsequenzen und Ausschluss aus alpinen Vereinen..)

    Umso verwunderlicher ist es, dass es einen Fleck gibt wo der Schotterhaufen noch der Erosion stand gehalten hat (wieder der Asterix: "..Ganz Gallien? -Nein!") und viele kompakte bis zu 200 Meter hohe Granittürme formt. Das Gebiet hier in Frey gilt als eine Schule des klassischen Klettern (Klettern mit mobilen Sicherungsmittel) und ist bekannt für harte Routenbewertungen. Ausgangspunkt hier in Frey bietet das gleichnamige Refugio (Andenvereinshütte) welches in ca. 3-4 Stunden vom Tal aus erreicht werden kann. Dieses Refugio, obwohl es nicht groß ist und von außen noch kleiner ausschaut, ist mit demselben Zauberspruch wie Señor Weasley's Zelt verhext: irgendwie gehen sich immer alle drinnen aus so dass niemand draußen sitzen muss der/die nicht will. Es wurde aus dem Material eines großen Felsblocks geschaffen und in dessen Geist hält es bisher auch größeren Veränderungen stand. Wobei dies eher an den engagierten Leuten rund ums Refugio liegt als an seinem Granitfundament.
    Immer wieder gab es Pläne das Refugio zu vergrößern, anders auszurichten und zu kommerzialisieren. Die über die vielen Jahre wechselnde Belegschaft seit jeher zumeist junger KlettererInnen wehrte sich bisher aber erfolgreich dagegen. ("Ganz Gallien? - Nein!..")
    So ist das Refugio Frey ein Kleinod an Herzlichkeit, Jugendkultur (Cucucuuuumbiaaaa) und geballten Wissen über jegliche Kletterroute in der Gegend. Die Schutzhütte erfüllt noch mit stolzer Selbstverständlichkeit ihre ursprünglichste Funktion: JedeR auch wenn campierend und in den meisten Alpenvereinshütten daheim 'Selbstversorger' geschimpft, darf ohne schiefen Blick oder blödem Kommentar die Räumlichkeiten zum Gschichtln druckn, Mate trinken oder essen nutzen. Sowas findet man in den Alpen leider nicht mehr oft vor. Trotzdem und gerade um diese Selbstverständlichkeit zu ermöglichen gibt es gutes Essen etc. um etwas Entgelt zu erwerben.
    Vergelt's Gott!
    Reagge(ton), Peace und Voigas! 🧡

    Zum Kraxeln bedarf es aller möglicher Körperteile und Extremitäten. Diese wollen zumeist mangels sonstiger Felsstruktur irgendwie in den Rissen verkeilt werden.* Reproduzierbar war für mich selten eine Bewegung oder geschweige denn eine ganze Seillänge - irgendwie hat man sich aber dann doch auf einmal am Ende des Risses wiedergefunden. Gestöhne und Gefluche inklusive!
    Den härtesten 4er haben wir hier vorgefunden (im Endeffekt doch eine Frey 6b) sowie die meisten Condor-Proximity Flights!
    Manchmal haben wir uns daher wie an der Hohen Wand gefühlt nur dass die ganzen Paragleiter hier Condore sind. Das Geräusch beim Vorbeiflug ist verwechselnd gleich!!

    PS.: Das Besteigen von (patagonischen) Bergen in Sandalen erfolgt auf eigene Gefahr. Über Risiken und Nebenwirkungen informiert sie ihr Arzt, Apotheker oder heiliger Geist des Vertrauens.

    PPS.: Im Winter lädt das Gebiet zum Skitouren und Rinnen fahren ein. Da kann man dann nicht nur eine machen sondern wegen kurzem Zustieg und mangels Höhenmeter wahrscheinlich 5! Mit den fetten Latten beläuft es sich wahrscheinlich auch auf genau so viele Kurven! Wie der patagonische Wind der Lawinengefahr und stabilen Verhältnissen zuträglich ist stell ich mal zur Diskussion..
    Eine Bekannte die davon mehr und vor allem lustig berichtet: https://www.tetongravity.com/story/ski/summer-o…

    *Falls möglich haben wir dann aber doch auf die wenigen Strukturen außerhalb des Risses zurück gegriffen - oder eigentlich "hin gegriffen". Von der Ferne waren wir also gut unterscheidbar von wirklichen Risskletterern.
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