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  • Day 37

    Mittel zum Zweck.

    April 21 in Switzerland ⋅ ☁️ 3 °C

    Es gibt ja bekanntlich für alles ein erstes Mal. So erging es mir auch heute. So feierte ich meine Premiere in Winterthur auf der Schützenwiese.

    Durch meinen Arbeitskollegen Ciril wurde ich bereits mental vorbereitet, was mich erwarten wird. Diesmal ist es wirklich anspruchsvoll das Kollektiv FCW in Worte zu fassen. Von Antifa, über sozialistische, teils kommunistische Züge bis hin zu wahnsinnig freundlichen, offenen und super netten, leidenschaftlichen Fans. Die Politik lasse ich hier mal gekonnt aus dem Spiel. Der Sektor B, bei den Einheimischen besser bekannt als Bierkurve ist ein Wohlfühlort für Fussballfans.

    Das Wetter war greislich. Kalt, Schneeregen und eisiger Wind. Die Wettervorhersage war so schlecht, dass ich sogar darüber nachgedacht habe, nach Luzern zum FCB-Match zu gehen und von dem Dach geschützt, meinen liebsten Ballsport zu verfolgen. Gut, habe ich mich anders entschieden. Einen solchen Stadionsprecher habe ich noch nie erlebt. Zuerst begrüsst er die Gästefans aus dem fernen Bärn, als hätte er sie zu Kaffee und Kuchen im trauten Heim eingeladen. Zudem gab er beim Verkünden der Aufstellungen, wo passend, seinen Senf dazu. Bei David von Ballmoos, Kapitän und souveräner Torhüter der Berner, sagte er "im Goal, beschdens bekannt bi üs in Winti, de David von Ballmoos". Beim zweiten Tor der Berner hiess es "Leider erzielt der gerade eingewechselte Lukasz Lakomy das 1:2". Geiler Typ.

    Das Stadion, ähnlich wie das Brügglifeld, alt, klein und charakterstark. Eine tolle Kulisse für das Topspiel des 33. Spieltages. Das Bier war wirklich gut. Zunächst dachte ich, dass Haldengut meinen Gaumen streichelt. Als ich mich dem langjährigen FCW-Fan Gregor über den hier gezapften Hopfensaft gesprochen habe, wies er mich darauf hin, dass es sich hier um ein Gebräu aus dem Hause Chopfab handelt. Er beschrieb es als "chotzgrusig". Nun ja, als ich wusste, was ich hier in meinen Korpus einführte, war meine Euphorie über das flüssige Gold auch etwas gebremst. Ich beschrieb es nur als "Mittel zum Zweck".

    Das Spieltagserlebnis wurde massiv gesteigert durch Dardan, den ich zufällig ansprach da Matteo di Giusto nicht in der Startformation aufzufinden war, was mich dezent erstaunte. Wir führten Gespräche über Fussball, den Kosovo, die kosovarische Küche und Politik. Ein ganz feiner Kerl, der mich darauf auf ein weiteres Bier einlud. Bereits vor Anpfiff zeigte die Bierkurve, das sie viel Pyrotechnik durch die Sicherheitskontrolle bringen konnten und alle voll funktionstüchtig waren.

    Nun zum Spiel.

    Wir wussten, dass es gegen YB wichtig war, die ersten 30 Minuten unbeschadet zu überstehen. Dies gelang. Winti war in den ersten 15 Minuten sogar stärker als der Gegner aus der Hauptstadt. Chance um Chance wurde erspielt mit teils sehr ansehnlichem Fussball. Beide Mannschaften spielten Fussball auf Augenhöhe, ein Unterschied war nur darin zu erkennen, dass die Young Boys mit jeder Aktion gefährlich werden konnten. Um ehrlich zu sein, war die Bierkurve eine der leiseren Fansektionen, die ich erlebt habe. Vor allem im Kontrast zur Muttenzerkurve letztes Wochenende.

    Halbzeit. Dardan lädt mich auf ein Bier ein. Faleminderit & gezuar!

    LFG, zweite Halbzeit. Das Spiel ist ähnlich, wie im ersten Durchgang ausgeglichen. Winterthur erarbeitet sich jedoch immer wieder Chancen, ist jedoch in der Vollendung verschwenderischer als deutsche Supermärkte im Umgang mit Backwaren. Lustigerweise haben Gregor und ich eine uralte, aber nach wie vor wahre Fussballweisheit kundgetan. "Machste se vorne nicht, kriegste se hinten". So wars dann auch. Nach einem Angriff der Berner, bei dem die Abwehr der Winterthurer zu weit weg vom Mann war, fiel das 1:0 durch Monteiro in der 70. Minute , der alles für eine EM-Nominierung tut.

    Scheisse.

    Mund abputzen und weitermachen.

    Winti zeigte sich unbeeindruckt vom Rückschlag und kam elf Minuten später durch den eben eingewechselten Turkes zum Ausgleich. Grenzenloser Jubel und ein Gefühl, dass nur der Fussball einem geben kann. Darum liebe ich diesen Sport. Come on!!

    So schnell wie die Freude aufkam, war sie bereits wieder verflogen. Der gerade eingewechselte Lukasz Lakomy erzielte das 1:2 durch einen abgefälschten Freitoss, der effektiv als Eigentor gewertet wurde. Danach kam nicht mehr viel zwingendes vom Heimteam.

    Aus und vorbei.

    Ein wirklich tolles Erlebnis ist vorbei. Wie schnell sich die Dinge ändern können. Zuerst wollte ich gar nicht nach Winterthur, dann ist es eines der tollsten Fussballerlebnisse, dass ich in der Schweiz erleben durfte. Mit frohem Gemüt, einem dicken Lachen im Gesicht und zwei Bechern als Souvenir begebe ich mich wieder in bekannte Gefilde, nach Aarau. Das Wetter und der Aargau präsentieren sich von seiner besten Seite. Akustisch wird die Szenerie durch Pink Floyd mit Coming back to life untermalt. Weltklasse. Ich fühle mich einfach glücklich und freue mich auf die Person, die mich in Aarau ar Aare erwartet.

    Danke Winti. Danke Dardan, danke Gregor und Andi. Ihr habt das Spiel zu einem denkwürdigen gewandelt. Nun steht mir die grosse Herausforderung bevor, zu entscheiden welche Bilder es in den heutigen Footprint schaffen.

    Ach Fussball, du bist einfach toll.

    Bis nächste Woche, da ist einiges geplant 😏
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