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  • Day 67

    La Paz

    November 12, 2016 in Bolivia ⋅ ☀️ 12 °C

    Also, gestern Abend, als der Bus diese riesige Stadt erreichte, war ich schon beeindruckt. Zum einen von der schieren Größe. Und zweitens erschien diese Stadt ganz anders als alle anderen Städte in Südamerika. In meiner Vorstellung sah das mehr aus wie Mogadischu, aber ohne schwarze Einwohner. Die Straßen waren eher Staubpisten mit riesigen Steinen, richtige Rudel von Straßenhunden und kaum Geschäfte oder irgendwas.

    Dann hab ich in Maps.me gesehen das La Paz nicht einfach La Paz ist, da sind zwei Städte, La Paz und El Alto. Und letztere ist die größere Stadt. Sie liegt auf dem alti plano, der Hochebene in Südperu und Bolivien, von der ich gerade kam. La Paz liegt dagegen in einem Tal östlich von El Alto. Hier sieht es zwar auch nicht schön aus, aber besser als da oben. Es gibt alles was es in den anderen Städten auch gibt, außer einer schönen Altstadt. Fast wie Pforzheim, nur mit mehr Leuten. Die alle schwarze Haare haben und braun sind. Also auch nicht Mogadischu.

    Da ich niemals Vorurteile gewinnen lassen will, schauen wir uns gleich mal die Walkingtour an, hier mit der Red Cap agency. Und die ist auch nich frei, die kostet 3 Dollar, oder 20 Bolivianos. Aber dafür ist es eine der interessantesten Touren...

    Also fangen wir an mit der Geschichte von La Paz: Die Stadt wurde von den Spaniern als Station des Silbers von Potosi nach Peru gegründet. Sie ist der höchstgelegene Regierungssitz der Welt und heißt eigentlich "Nuestra Señora de La Paz", unsere Frau des Friedens. Mit Frieden ist es aber nicht weit wenn man direkt mit einer Sehenswürdigkeit der anderen Art beginnt, das San Pedro Gefängnis. Das ist ein bisschen anders als die meisten Gefängnisse der Welt, angefangen bei der Tatsache das man sich hier seine Zelle selbst kaufen muss. Da gibt es dann alles von der Lusxuszelle mit Ausblick, Netflix Account und eigener Dusche bis hin zu einem Loch ohne alles. Da sich die Insassen die Zellen kaufen müssen, ziehen da auch ganze Familien ein. Ist ja dann wie eine Wohnung. So entsteht dann eine ganze Gesellschaft im Gefängnis, da die Leute ja ein Einkommen brauchen um die Rechnungen zu bezahlen. Also gibt es da Restaurants, Geschäfte und Bars. Alles was man in einer Kleinstadt braucht, und die wohl größte und bekannteste Koksproduktion der Welt.
    Um dieses Koks auch nach draußen zu verkaufen entwickelte der britische Insasse Thomas McFadden die Idee, eine geführte Tour durch das Gefängnis anzubieten. Dabei wurde dann ordentlich Koks verkauft. Nachdem McFadden frei kam und verschiedene Leute die Tour weiterführen wollten, kam es zu Messerattaken, Vergewaltigungen und Raub. Also gibt es heute keine Tour mehr, alle Touren wurden verboten.

    So viel dazu, dann gibt es in La Paz auch einen großen Straßenmarkt wie in jeder bolivianischen Großstadt. Dieser ist viel mehr als nur eine Einkaufsmöglichkeit. Erstmal gibt es hier mehr Arten von Kartoffeln zu kaufen als ich kenne, weswegen die Leute in La Paz auch Kartoffelkopf, chicuta, genannt werden.
    Zusätzlich funktioniert dieser Markt auch als Partnerbörse. Die Frauen ziehen die bekannte Andentracht aus den Dokus an und gehen zum Markt. Da wird dann die Hüfte ordentlich ausgestopft, das zeigt die Gebährfreudikeit. Die Waden verstecken die Frauen, das ist wichtig, gut merken.
    Die witzigen Hüte tragen sie wegen der englischen Bahnarbeiter, die im 19. Jahrhundert die Eisenbahnen bauten. Wenn der Hut lotrecht sitzt, sind die Frauen vergeben, sitzt er im Winkel, sind sie Single. Und wenn sie mit einem flirten und interessiert sind, dann zeigen sie einem die Waden, deshalb versteckt.
    Und was die Frauen angeht, die mögen Männer mit vollem Haar und dicken Bäuchen.
    Also ist der Markt auch immer ein Ausschau nach dem Hut der nicht mehr gerade sitzt und wer mit wem wo und überhaupt.

    Nächste Station ist der Hexenmarkt. Dort gibt es alles was die Einheimischen brauchen in Sachen Magie. Da gibts dann Aphrodisiaka, Medizin, Gegenstände für Flüche und zur Heilung usw. Was die Touristen am meisten anzieht sieht man in den Bildern, das sind hydrierte Lamaphöten. Diese muss man Opfern wenn man zB ein Haus baut, heiratet oder ein Auto kauft. Dazu gibts dann ne Legende das bei großen Gebäuden so Lamaphöten nicht ausreichen, weshalb man einfach Obdachlose opfert. Die werden unter Drogen gesetzt und bevor sie das Bewusstsein verlieren werden sie einbetoniert. Ist nur ne Legende und niemand würde es zugeben, aber man hat nach Abriss von alten Gebäuden Überreste von Menschen gefunden. Also wer weiß?

    Die letzte Station ist der Präsidentenpalast und das Thema: Evo Morales. Der Präsident von Bolivien, der nun versucht entgegen der Verfassung eine dritte Amtszeit zu bekommen. Nach dem gescheiterten Referendum, in dem er die Bolivianos befragt hat ob er nochmal antreten soll, und seinem Versuch noch eines anzusetzen, könnte man meinen er mutiert zum Diktator wie es so oft passiert. Aber die Situation ist etwas komplizierter.
    Bolivien hatte nicht viele gute Präsidenten, obwohl es in 191 immerhin 88 Präsidenten gab. Also alle zwei Jahre im Schnitt. Manche davon sind im Palast verbrannt, weshalb er "palacio chamuscado" genannt wird. Der letzte längere Präsident, Lozado, war sehr USA freundlich und privatisierte viele Staatsfirmen und Sparte Bolivien generell fast in den Ruin. In den darauffolgenden Protesten erschoss das Militär mehr als 60 Personen, meist Polizisten die Leute beschutzen wollten. Auch nich gut.
    Evo Morales dagegen hat viel gutes getan, er verstaatlichte die Firmen wieder um Bolivien eine gute Einnahmenquelle zu sichern.
    Morales schloss auch die Indigenen mit in die Politik ein, er ist selbst Indio und die machen den Großteil der Bevölkerung in Bolivien aus. Aber er ist auch ein Populist, der offen gegen Schwule ist und Fast Food für Haarausfall verantwortlich macht. Obwohl er es selbst isst. Und nach eine Volkszählung wollte er Kondome verbieten lassen, es gäbe zu wenig Bolivianos. Hat einen Aufschrei gegeben und die Sache war vom Tisch.
    Nun wird sich zeigen ob Evo, der immer noch sehr viel Unterstützung im Volk hat, was man überall sehen kann, selbst zum Problem wird.
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