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  • Day 120

    Der Tempel von Sinawava

    November 30, 2021 in the United States ⋅ ☀️ 21 °C

    Auch an diesem Tag kämpfe ich gegen meinen Körper, aber ich schaffe es zumindest um 12 im Park zu sein, anstatt um 2 wie am Vortag. Ich halte kurz am Miniatur-Fort, das kurz vor dem Nationalpark aufgebaut ist und freue mich über die Verspieltheit des Erbauers. Leider ist hier aber geschlossen, nur Anschauen erlaubt! Auch geht es vorbei an Planwagen-Camps und zahlreichen Kirchen, so vielen, dass man sich wirklich nur wundern kann, wer diese alle besucht. An einer Stelle finden sich nebeneinander vier Kirchen – mormonische, wie ich an der Architektur auszumachen glaube. Aber warum auch nicht, schließlich ist die Dichte an den Heiligen der Letzten Tage hier natürlich auch am größten (ca. 60%).

    Diesmal kann ich nun auch den Zion Canyon Drive bis zum Ende durchfahren – am Vortag war der Zugang wegen zu vieler Besucher bereits gesperrt - „früh“ zu kommen lohnt sich also. Leider gibt es kaum Haltemöglichkeiten am Wegesrand, zu schön sind die rötlich-orangenen Felswände, die sich rechts und links von mir in den Himmel erheben, sodass ich gerne öfter halten würde. Überall säumen stattliche Bäume, deren Blätter sich bereits gelb verfärbt haben, den Wegesrand. „Ja“, stelle ich fest, „Zion erscheint mir ein recht passender Name für diese Idylle“ – auch die Bezeichnung des Tempels von Sinawava, den ich ansteuere. Denn der Ort ist umhüllt von diesen wunderbaren und extrem hohen Bergen, so geschützt und dennoch exponiert in der Landschaft, die mehrgliedrigen Felstürme ragen wie Säulen empor.

    Ich mache mich auf zum „Riverside Walk“, wechsle zwischen dem betonierten (!) Rollstuhlweg und dem Fußweg am Fluss, suche immer ein Plätzchen in der Sonne. Das Wetter ist wieder fantastisch, dennoch ist es schon durch die herbstlichen Temperaturen recht frisch und die hohen Bergwände werfen ihre Schatten auf uns. Der kleine Fluss schlängelt sich durch die Landschaft, das Wasser ist so klar, es erinnert mich an die Strömung in Costa Rica, in der wir baden waren.

    Hier ist deutlich mehr los als an den anderen Zielen, auch kommen mir einige Familien mit Kindern von den „Narrows“ entgegen, mit triefenden Schuhen. Diese Engpässe hier, die teilweise durch tiefe Schluchten verlaufen, können von den Besuchern watend bewandert werden – im Sommer, wie ich annahm. Abgesehen davon, dass ich gar nicht gedacht hätte, dass überhaupt jemand kurz vor Wintereinbruch die Flusswanderung noch macht, so beeindruckt mich die Tatsache besonders, dass hier einige dies sogar mit ihren Kindern durchführen und zumindest einen Teil dieser 8-stündigen Tour auf sich nehmen. Ich erinnere mich auch an Freunde der Familie in den Rocky Mountains, die ganz selbstverständlich ihre Kinder mit in die Wildnis, zum Jagen und zu jeglichen anstrengenden und gefährlichen Touren mitgenommen haben und frage mich, wie wohl die Eltern meiner Schüler mit solchen Situationen umgehen würden.

    Nach der „Wanderung“ (Spaziergang!) entschließe ich mich Richtung Page aufzubrechen, es geht durch den Nationalpark Richtung Canyon Overlook auf nahezu 2300 Meter Höhe, das Auto windet sich über den Pass mit sagenhaften Ausblicken, vorbei an der Ponderosa Ranch (ja, so heißt die wirklich!), bei der Bisons grasen, bei der ich eigentlich am Vortag eine Stargazing Tour gebucht hatte. Die 2,5-stündige Fahrt durch Utah beeindruckt mich, die Weite des Landes, die roten, grauen, gelben, beigen, orangenen Felsen und Berge, die in der Ferne zu sehen sind. Das ist einer der Gründe, warum ich mich so sehr auf diese Tour gefreut habe – dieses Gefühl der Freiheit und der Weite, bei der ich das Gefühl habe, tiefer einatmen zu können als sonst – das ist so typisch USA für mich. Aber Touren hier müssen immer gut durchdacht sein, was ich zum Glück habe, so finde ich die nächste Tankstelle erst nach ca. 1,5 h vor. Traurigen Herzens muss ich am Bryce-Canyon vorbeifahren, dieser entfällt durch meine vorangegangene Angeschlagenheit nun leider genauso wie das Sterneschauen. Kurz vor Page/Arizona umhüllt die geschichtet en Felsen rosanes, weiches Licht, es geht vorbei an der Toadstool Route. Einfach wunderschön!

    Nach einem fetten Burger-Menü bei Shacker's beende ich den Tag wie so oft in den USA – wer hätte es gedacht – im Hot Tub. Ich werde zu einem Gläschen Wein und vielen Gesprächen eingeladen – die Amis sind einfach unschlagbar, was Offenheit und Freundlichkeit anbelangt. Am Ende des Tages habe ich das Gefühl, dass dieser Tag ganz und gar „The American way of life“ verkörpert hat.
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