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  • Day 26

    #10 La Paz

    May 26, 2022 in Bolivia ⋅ ☁️ 13 °C

    Es ist schwer, La Paz in wenige Worte zu fassen. Aber beginnen wir mit der Geografie: Schier endlos erstreckt sich die Hochebene (Altiplano) auf rund 4.000 Meter Höhe, die sich vom Titicacasee bis zur Region La Paz zieht. Dann so langsam kündigen immer dichter werdende Häuseransammlungen „El Alto“ an. Die größere Schwester von La Paz liegt noch im Hochtal. Erst dann stürzt sich die Stadt Meter für Meter nach unten - und man erreicht La Paz, die Verwaltungshauptstadt Boliviens. Schon beim ersten Blick staunt man, wie hier eine so große Stadt entstehen konnte.

    Dieser geografische Gegensatz bringt andere Gegensätze hervor. Er entscheidet zum Beispiel zwischen arm und weniger arm - sprich El Alto und La Paz. Außerdem beeinflusst er die Mobilität. Da ist zum einen das steile und verzweigte Straßennetz für die riesige Menge an Autos und Kleinbussen. Zum anderen schwebt rund 30 Meter darüber mühelos die hochmoderne Teleférico - ein Netz aus mittlerweile elf Gondellinien. Gemeinsam trotzen sie der Geografie und dem täglichen Verkehrschaos, verbinden beide Stadteile und ziehen sich leise und kontinuierlich die Hänge rauf und runter. Damit ist sie der komplette Gegensatz zur lauten, stinkenden und chaotischen, aber trotzdem beeindruckenden Stadt darunter. Für die Bewohner:innen ist die Teleférico das effizienteste und günstigste Mittel der Fortbewegung - und auch ihr ganzer Stolz. Für uns Tourist:innen zeigt sie La Paz aus der Vogelperspektive. Weit hinten die mächtigen Gipfel der Anden, unter uns das alltägliche Leben der Menschen. So schwebten wir einen ganzen Nachmittag über Märkte, Menschen und Häuserdächer hinweg.

    Ob mit der Gondel, zu Fuß oder im Rahmen einer Stadtführung: In keiner anderen Stadt Lateinamerikas tauchten wir so sehr in die Kultur ein. Hier gibt es keine Hochglanzviertel wie in Lima. Man ist sofort mittendrin. Zum Beispiel in den großen Märkten, bei deren Ständen sich bekannte und unbekannte Obst- und Gemüsesorten sammeln, darunter zig verschiedene Kartoffelarten. Jeder Stand gehört einer Dame, der „Casera“. Und jede Casera hat eine Vielzahl treuer Kund:innen, die ausschließlich bei ihr einkaufen. Treue schlägt hier Wettbewerb. Und so reiht sich Casera an Casera - fast immer mit den gleichen Waren. Außerdem streiften wir durch den Hexenmarkt (mercado de brujas): hier wird alles - von Kräutern über Opfergaben bis hin zu Liebestränken - verkauft, aber auch Kunsthandwerk. Wir konzentrierten uns auf letzteres. Berauschend ist die Stadt ohnehin.

    So wie die Gondeln von La Paz ist auch die Politik Boliviens in ständiger Bewegung. Daher ein kurzer Exkurs: Auch wenn bei La Paz der Friede im Namen steckt: die jüngere Geschichte bewies gegenteiliges. Zahlreiche Grafittis zeugen noch von den Unruhen in Folge der Wahlen 2019 und 2020. Im Mittelpunkt: Evo Morales - der erste indigene und langjährige Präsident Boliviens, der 2019 für eine weitere Amtszeit antrat. Während seine ersten Jahre Anfang der 2000er von großen Reformen geprägt waren, konzentrierte sich seine Politik anschließend auch auf den Machterhalt. Beispielsweise wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass mehrere Amtszeiten ermöglicht wurden. Die neu gebauten, hochmodernen und überdimensionalen Regierungsgebäude inmitten der Stadt fügen sich ein in dieses Bild - und verdeutlichen die wachsende Distanz zwischen Macht und Menschen.

    2019 gewann Morales die nächsten Wahlen, auch wenn es nicht danach ausgesehen hatte. Der Vorwurf der Wahlfälschung stand im Raum - und führte letztlich zur Flucht Morales nach Mexiko. Nach einjähriger Abstinenz ist seine Partei mittlerweile wieder an der Macht, er selbst kehrte zurück - und nimmt nun im Hintergrund weiter entscheidend Einfluss.
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