- Show trip
- Add to bucket listRemove from bucket list
- Share
- Day 9
- Wednesday, December 18, 2024
- ☀️ 20 °C
- Altitude: 894 m
NepalSammitara28°14’7” N 83°59’50” E
Dhiraj lebt
December 18, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 20 °C
Der morgendliche Verkehr ist die erste Herausforderung des Tages. Um genau zu sein, ist es eigentlich die zweite. Die erste - und in meinen Augen auch die größere - ist es, das warme Bett zu verlassen. Unter den beiden kuscheligen Decken, die etwas schwerer und viel zu groß sind, baut sich über Nacht die wohlige Wärme auf, die jeder und jede kennt. Das Haus verfügt über keinerlei Heizung. Wenn die Temperaturen abends beginnen zu fallen, erreichen sie früh am Morgen ihren Tiefpunkt. Dann liegt das gesamte Tal im morgendlichen Tau, der alles was draußen steht und liegt mit einem feinen, kalten Wasserfilm belegt. Da auch die Fenster nicht doppelt verglast sind, geht es mir unter den wärmenden Decken doch am besten. Aber, der zweite Wecker bringt mich zurück in die Wirklichkeit. Jetzt muss ich wirklich aufstehen. Frühstück und Kaffee, dann den Helm auf und ab in den morgendlichen Berufsverkehr.
Das erste, was ich in der Notaufnahme mache, ist mich zu erkundigen wie es dem Patienten vom Dienstag geht. Der 18 jährige Mann, der vom Auto erfasst wurde. Ich hatte seine Verlegung und weitere Diagnostik nicht mehr mitbekommen. Dr.Nav erzählt mir, dass das CT gleich mehrere Befunde ergeben hat, die dem Jungen den Intensivplatz beschert haben, wo er aktuell liegt. Ich beschließe ihn zu besuchen, weil er gestern mit mir gesprochen hat und sich bedankt hat, dass ich das Wärmemanagement übernommen habe. Tatsächlich habe ich mit einem ganz alten Warmluftgerät und mehreren Wolldecken eine improvisierte Wärmedecke gebastelt. Die Interns hatten das Wärmegerät einfach neben den Patienten gestellt. Dass die Warme Luft dabei nach oben steigt und nicht annähernd zum Patienten kommt, war da zweitrangig. Also habe ich das in die Hand genommen. Erst wurde ich ein wenig belächelt, aber als der Patient sich bei mir bedankte und aufhörte zu zittern wie ein Aal, gab es Lob. Ich versuche dir nächsten Tage mal ein Bild von dem Gerät zu machen. Als ich damit zugange war habe ich natürlich keine Zeit dafür gehabt. Aber auch das Krankenhaus besitzt keine Heizungen. Zumindest nicht dort wo ich bisher war. Auf vielen der Bilder sieht man die Ärzte mit dicken Winterjacken. Sie arbeiten den ganzen Tag in diesen Jacken. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Notaufnahme nicht so gut ausgestattet ist. Ich werd die nächsten Tage meine Augen mal offenhalten.
Ich bekomme das Patienten LogBuch. Statt Computern, gibt es diese Bücher, um die Patientendaten zu erfassen. Der 18 jährige Mann heißt Dhiraj. Verlegt auf die SICU (Surgical Intermediate Care Unit). In roter Schrift steht unter seinem Namen das Wort CREDIT. Die Behandlung wird er also nach seiner Genesung bezahlen müssen. Daneben die Zeit, die er in der Notaufnahme verbracht hat. Es sind 5 Stunden und 54 Minuten. Das ist eine sehr lange Zeit für einen kritisch verletzten Patienten. Im Ultraschall war schon klar, dass es eine innere Blutung gibt. Aber da es so etwas wie einen Schockraum nicht gibt, dominiert eben ein wenig Chaos die Notfallversorgung und damit geht auch viel Zeit ins Land.
Auf dem Weg zur chirurgischen Intensivstation treffe ich die beiden deutschen PJlerinnen. Pauli und Valli überreden mich im Café noch ein Kaffee zu trinken. Weil ich sowieso in die Richtung muss ist es eine willkommene Pause. Die Sonne scheint und wir tauschen uns aus. Für heute Abend verabreden wir uns zum Bar Hopping. Die beiden verlassen Pokhara bereits am Samstag und wir wollen wenigstens einmal zusammen losziehen.
Auf der Intensivstation werde ich freundlich empfangen. Als ich erkläre, dass ich Dhiraj gestern in der Notaufnahme mitversorgt habe, bringen sie mich zu ihm und zeigen mir die CT Bilder. Interessanterweise werden die Bilder hier wie früher in Deutschland auch , auf Röntgenfilmen ausgedruckt. So ist Schicht für Schicht des CT Scan auf dem Film abgebildet. Eine Radiologie Software gibt es weder in der Notaufnahme, noch auf der Intensivstation.
Nachdem ich mit Dhiraj gesprochen habe, schaue ich die Bilder an. Dazu die Diagnosen. Pneumothorax rechts, Leberblutung und Milzblutung. Damit lag er 5:54 h in der Notaufnahme. Ich bin wieder einmal erstaunt, was der menschliche Körper leisten kann. Viel mehr wundert mich die Tatsache, dass er noch gar nicht operiert ist. Lediglich eine Thoraxdrainage ragt aus seiner Brust und sorgt dafür, dass die Lunge sich wieder normal entfalten kann. Die beiden Blutungen scheinen für die Ärzte hier noch nicht so massiv zu sein dass gehandelt werden muss. Unglaublich.
Nachdem ich einige Zeit mit Dhiraj gesprochen habe, gehe ich zurück und verbringe den Rest des Dienstes in der Notaufnahme. Dann geht es nach Hause. Etwas erholen und ausruhen bevor es ins Nachtleben geht.Read more













