• Polytrauma

    2024年12月17日, ネパール ⋅ ☀️ 19 °C

    Mein zweiter Tag in der Notaufnahme begann dank Prakash (dem Gastvater) bereits deutlich entspannter als der erste. Großzügig stellte er mir sein Mofa zur Verfügung, damit ich die morgendliche Hektik im überfüllten Bus oder in einem Taxi umgehen konnte. Mit einem kühlen Fahrtwind im Gesicht und einer Prise Abenteuergefühl machte ich mich also auf den Weg zum Manipal Teaching Hospital. Die Fahrt durch Pokhara war eine Wohltat und Herausforderung zugleich: Vorbei an kleinen Teestuben, geschäftigen Straßenhändlern und im Hintergrund immer die majestätischen Silhouetten des Himalayas, inmitten eines Verkehrs, der keinen Regeln zu folgen scheint – ein Start in den Tag, der kaum besser und herausfordernder hätte sein können.

    Kaum angekommen, holte mich der Ernst der Notaufnahme allerdings schnell wieder in die Realität zurück. Ein schwer verletzter Patient wird eingeliefert – ein 18-jähriger Junge, der von einem Auto erfasst worden war. Schon auf den ersten Blick ist klar: Es geht ihm schlecht. Er war bleich, zitterte unkontrolliert und hatte vor Schmerzen die Augen geschlossen. Seine Kleidung war zerrissen, und sein Atem flach und schnell. Zu allem Überfluss hatte er bereits vor zwei Tagen einen gebrochenen Unterarm erlitten, der bereits im Gips lag. Wen einer einen schlechten Start in die Woche hatte, dann dieser junge Mann.

    Die Versorgung des Polytraumas war – gelinde gesagt – chaotisch. Ich beobachtete, wie es an Organisation und Struktur fehlte. Niemand hatte zu Beginn die Wirbelsäule immobilisiert, obwohl der Verdacht auf ernsthafte Verletzungen nahe lag. Auch ein Wärmemanagement gab es nicht. Der Junge zitterte so stark, dass seine ganze Liege vibrierte. Eine Decke war anfangs nirgends zu sehen, geschweige denn ein aktives Wärmesystem. Erst hier im Krankenhaus wird der Junge auf eine Spine-Board gelegt, eine Art Hartplastik-Trage, die verhindern soll, dass die Wirbelsäule belastet wird. Das hektische Treiben der Ärzte und Pfleger fühlte sich wie ein Durcheinander an, ohne klaren Plan oder Führung. Immer wieder führten Ärzte aus unterschiedlichen Fachrichtungen dieselben Untersuchungen durch: Abtasten des Bauches, Abhören der Lungen, Pupillenkontrollen – doch keiner koordinierte sich mit dem anderen. Der Patient wurde mehrmals unnötig hin und her bewegt, das Gesicht voller Schmerz, was mir innerlich die Luft abschnürte.
    Erst nach einer guten halben Stunde wurde ein Ultraschallgerät herbeigeschafft. Immerhin ein sehr modernes, welches der Chefarzt mit seinem Handy bedient. Bildqualität für den Moment ausreichend. Ich stand an der Seite und sah auf dem Handy, wie dunkle, unheilvolle Flächen sichtbar wurden: freie Flüssigkeit im Bauchraum. Ein eindeutiges Zeichen – der Junge hatte wahrscheinlich eine innere Blutung. Die Zeit lief gegen ihn, und erst jetzt wurde ein CT angefordert. Der gesamte Ablauf war geprägt von Unruhe, von Einzelaktionen ohne Zusammenspiel. In solchen Momenten wurde mir bewusst, wie wertvoll Leitlinien, Struktur und Protokolle in der Traumaversorgung sind. Hier in Nepal sah ich ein ganz anderes Bild.

    Inmitten dieses turbulenten Morgens wurde ich plötzlich überrascht: Die zwei deutschen PJlerinnen hatten von mir erfahren und suchten mich in der Notaufnahme auf. Pauli und Valerie, zwei Medizinstudentinnen aus München, begrüßten mich mit einem offenen Lächeln und stellten sich direkt vor. Wir kamen sofort ins Gespräch und teilten unsere Eindrücke vom Klinikalltag, von Nepal und dem Abenteuer Famulatur. Es tat gut, vertraute Stimmen zu hören, die ähnliche Erfahrungen machten wie ich. Spontan beschlossen wir, uns für den Abend zu verabreden – eine schöne Abwechslung.

    Den Nachmittag verbrachte ich schließlich im Bluesheep, einem gemütlichen Café in Lakeside. Mit einem guten Kaffee in der Hand und der Sonne im Gesicht ließ ich die Erlebnisse des Vormittags sacken. Die Atmosphäre hier war wie Balsam für die Seele – entspannt, unbeschwert und voller Leichtigkeit.

    Am Abend traf ich Pauli und Valerie wie geplant. Unser Ziel war das Open-Air-Kino, ein echter Geheimtipp in Pokhara. Mit Pizza und kühlen Getränken ließen wir den Tag ausgelassen ausklingen und genossen die besondere Atmosphäre unter dem Sternenhimmel. Der Film, Into the Wild, war ein emotionales Meisterwerk, das uns alle berührte. Die Geschichte eines Alleinreisenden, auf der Suche nach seinem Glück, weit weg von Freunden und Familie. Da blieb kein Auge trocken.

    So endete mein zweiter Tag in Pokhara – ein Tag voller Kontraste zwischen Chaos und Ruhe, zwischen Ernst und Leichtigkeit.
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