• Denis Schatilow

Nepal

Famulatur und Backpacking in Nepal Read more
  • Trip start
    December 10, 2024

    Die Reise beginnt

    December 10, 2024 in Germany ⋅ ☁️ 5 °C

    Nach zehn wunderbaren Tagen in Deutschland geht es heute auf die nächste Reise. Ein Land, das nicht gegensätzlicher sein könnte. Vom warmen Tansania mit einem krönenden Strandurlaub auf Sansibar geht es heute auf den asiatischen Kontinent. Nepal wird definitiv anders, aufregend und abenteuerlich. Meine Reise beginnt in Düsseldorf. Um 8 Uhr klingelt der Wecker und weckt nicht nur mich, sondern auch Erik. Damit ich nicht in aller Frühe aufstehen muss und mit dem Zug durch den Niederrhein gurke, habe ich Erik dazu genötigt, dass ich in der WG nächtigen kann, obwohl mein Zimmer noch durch die Untervermietung belegt war. So gibt es am frühen Morgen noch einen frischen Kaffee. Auf Erik ist Verlass.
    Zehn Minuten fußläufig erreiche ich den Düsseldorfer Hauptbahnhof und steige in den ICE nach Frankfurt. Natürlich inklusive Verspätung, noch bevor der Zug überhaupt in Düsseldorf einfährt. Von Essen nach Düsseldorf sind es bereits 20 Minuten. Ich habe zum Glück genug Zeit eingeplant, am Ende ist es aber auch egal, denn in Frankfurt wartet eine ganz besondere Überraschung, wie ich später feststellen werde. Und wie die Deutsche Bahn so durch die Gegend fährt, gibt es folgende Durchsage vom Lokführer: „Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund einer Fehlleitung in Köln fällt der Halt in Siegburg aus. Wir sind auf einer abweichenden Zugtrasse gelandet und erreichen Frankfurt Flughafen heute mit einer Verspätung von 40 Minuten.“ Da ich die Verspätung ja bereits bei der Buchung vor Monaten erwartet habe, muss man auch hier sagen: Auf die Deutsche Bahn ist Verlass!

    In Frankfurt angekommen, fühle ich mich natürlich sofort wohl. Endlich wieder Flughafenluft. Der größte Flughafen in Deutschland macht einfach Spaß. So viel Spaß, dass ich am China-Airlines-Schalter lande und alle sich wundern, wieso es meine Reservierung nicht gibt. Ich muss zugeben, es war mein Fehler. Anstatt auf den riesigen Tafeln nachzuschauen, welchen Schalter ich benötige, habe ich gegoogelt, wo die Schalter von China Airlines zu finden sind. Also mit dem Skytrain und meinem Backpack vom Terminal 1 zu Terminal 2. Dort sorge ich erstmal gehörig für Irritationen. Denn bis wir alle merken, dass ich mit Air China gebucht habe und zum Terminal 1 muss, vergehen 25 Minuten. Also Backpack wieder auf und zurück zu Terminal 1. Dort klappt dann alles wie geplant und die Überraschung tritt in Erscheinung: Abflug statt um 13:45 erst um 16:00 Uhr. Immerhin kann ich einchecken und den großen Backpack loswerden. Nach der Sicherheitskontrolle setze ich mich ans Fenster eines italienischen Restaurants, und Urlaubsfeeling kommt auf. Mit leckerer Pizza und anschließender Versorgung mit Getränken durch die Airline vergeht die Wartezeit wie im Flug. Um 16:00 sitze ich im Flieger und lehne mich zurück.

    Nepal wird anders. Aber ich glaube, sehr besonders. Ich freue mich nicht nur darauf, meine Gastfamilie kennenzulernen, sondern auch auf die Herausforderungen in der Klinik, die großartige landschaftliche Vielfalt und eine sehr spannende Kultur. Ich spreche auch hier nicht Nepali, habe aber die wichtigsten Phrasen ein wenig einstudiert. Bekannt ist Nepal vor allem fürs Wandern. Aber auch fürs Paragliding und Rafting ist Nepal eine hervorragende Adresse. Ich hoffe, ich kann tief in die spirituelle Welt Nepals eintauchen – mit den hunderten Tempeln und Gebetshäusern. Drohne, Kamera und auch die GoPro sind wieder dabei, um die schönsten Momente festzuhalten. In knapp 24 Stunden werde ich in Nepal ankommen. Ein Umstieg in China steht vorher an, aber auch darin bin ich ja mittlerweile geübt. Jetzt aber erstmal der Nachtflug nach Chengdu.
    Natürlich bin ich nicht weniger aufgeregt. Ich weiß absolut nicht was mich erwartet. Ich vertraue aber auf mein Selbstbewusstsein und mein Lächeln, dass auch hier wieder alles gelingt.
    Ready for departure.
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  • Update aus Chengdu

    December 10, 2024 in China ⋅ ☁️ 7 °C

    Guten Morgen!
    Nach knapp 9,5 Stunden Flug bin ich gut in Chengdu angekommen. Ein riesiger und moderner Flughafen, der ziemlich einsam und verlassen wirkt. Weder viele Flugzeuge, noch viele Menschen sind hier zu finden. Warum auch immer man so große Flughäfen baut. Die Chinesischen Behörden sind dafür umso skeptischer und genauer was die Security Kontrolle betrifft. Mit Pass und Visum für Nepal ist alles in Ordnung. An der Sicherheitskontrolle aber werde ich rausgefischt. Fotos und Videoaufnahmen strengstens verboten. Ich muss meinen gesamten Rucksack ausleeren. Die Drohne und die GoPro werden genauestens begutachtet. Jede einzelne Ersatz-Batterie wir auf ihre Kapazität gecheckt. Ich muss zugeben, ich habe die Beförderungsbedingungen von China nicht nachgeschaut. Aber ich bleibe gelassen. In dem Moment war ich einfach froh, nicht in einen separaten Bereich geführt worden zu sein. Neben der Schleuse wo ein deutscher Tourist nach dem anderen gecheckt wird leere ich also nach und nach meine Tasche. Auch mein Stethoskop und die Pupillenleuchte habe ich im Handgepäck. Wofür ich die Leuchte brauche werde ich gefragt. Nachdem ich erkläre, dass ich ein Praktikum in Nepal mache und Medizinstudent bin entspannen sich die beiden Männer, die auf den Röntgenbilder mein Gepäck analysieren und die zugehörigen Teile mit mir ausfindig machen. Da ich aber auch knapp 5 Stunden Aufenthalt habe, bin ich weiter gelassen. Nach einer Dreiviertelstunde kann ich durch und weil ich wirklich hundemüde bin, steuere ich direkt die Business Lounge der StarAlliance an. Mit meiner Kreditkarte bekomme ich dort ein vergünstigten Zutritt und lasse mich erst bekochen, anschließend massieren und lege mich dann noch zwei Stunden hin.
    Mein Wecker klingelt eine Stunde vor Abflug nach Kathmandu. Erholt bin ich nicht, aber für die nächsten 4 Stunden Flug muss es reichen. Noch schnell am Chinesischen All-you-can-eat Buffet vorbei und ab zum Gate. Nächster halt: Kathmandu.
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  • Namaste in Kathmandu

    December 11, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 10 °C

    Der Flieger von Chengdu in China nach Kathmandu ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Flug wird nur vier Stunden dauern, und ich bin so müde, dass ich kurz nach dem Abheben einschlafe. Als ich wieder aufwache, liegt unter uns eine Berglandschaft, die wie gemalt wirkt. Wohin das Auge reicht: ein Bergkamm nach dem anderen. Dieser Anblick ist wirklich majestätisch. Diese massiven Gesteinsbrocken liegen dort unten unerschütterlich und millionen Tonnen schwer, während ich hier in einer kleinen Alublechbüchse 10.000 Meter über ihnen schwebe. Wahrscheinlich sind es eher weniger, da der höchste von ihnen über 8.000 Meter misst. Leider sitze ich auf der anderen Seite des Flugzeugs und zudem am Gang. Den Mount Everest muss ich mir dann also am Wochenende anschauen, wenn es wieder in die Luft geht. Noch knapp zwei Stunden, und ich werde Nepal betreten.

    Tatsächlich überkommen mich gemischte Gefühle. Vor allem liegt das daran, dass ich zu viel Zeit habe, nachzudenken. In China funktionierte trotz WLAN im modernen Terminal weder WhatsApp noch Instagram. Ich vermute, dass die amerikanische Firma, die dahintersteht, keinen guten Stand in China hat und die Apps daher gesperrt sind. Anders kann ich es mir nicht erklären. Aber es lenkt einen auch weniger ab.
    Ich hatte meinen Eltern versprochen, mich regelmäßig zu melden, weil ich weiß, dass sie bei langen Flugreisen wahrscheinlich aufgeregter sind als ich. „Geht nicht, gibt’s nicht“ – ein Satz, den ich bei der Feuerwehr gelernt habe. Und so gehe ich eine App nach der nächsten durch, bis ich bei FindPenguins die Chatfunktion entdecke (hätte auch früher draufkommen können). Der Kontakt ins Nest steht.

    Zurück zum Landeanflug: Kathmandu ist riesig von oben. Hohe Häuser und wenig Platz. Das ist natürlich gerade dann ein Problem, wenn die Erde bebt – so wie 2015. Viele Gebäude waren damals zerstört worden. Mittlerweile sind die beliebten Sehenswürdigkeiten und Tempel größtenteils wieder aufwendig restauriert. Damals im Einsatz: ISAR Germany. Da schließt sich ein kleiner Kreis, nein, viel mehr ist es eine kleine Verbindung.

    Ich steige aus dem Flieger und staune nicht schlecht. Der Flughafen ist klein. Sehr klein. Und heruntergekommen. Sehr heruntergekommen. Meine ersten Gedanken sind, dass es anstrengend wird, durch Pass- und Zollkontrolle zu kommen – wer weiß, wie das gleich ablaufen wird. Immerhin war der Flughafen Kathmandu 2015 auf Platz 3 der schlechtesten Flughäfen der Welt (Worst Airports 2015j). Zu meiner Überraschung tritt nichts davon ein. Da ich mein E-Visum im nepalesischen Generalkonsulat in Köln beantragt und ausgestellt bekommen habe, kann ich ohne Wartezeit direkt zur Passkontrolle. Die meisten Touristen füllen hier ein Visa-on-Arrival aus und tummeln sich in der Warteschlange. Auch zwei weitere Sicherheitskontrollen verlaufen einwandfrei, und man begrüßt mich überall: „Namaste!“
    Schnell noch Bargeld abheben, eine SIM-Karte kaufen und ab zum Taxi.

    Hier ergibt sich der erste Kontakt: Santosh Denish fährt mich durch den wilden und unübersichtlichen Verkehr zum Hotel. Er betreibt selbst auch noch ein Touristikbüro oder etwas in der Art und bietet allerlei Touren an. Auch wenn er sehr nett und zuvorkommend ist, bin ich zunächst zurückhaltend. Der Transfer kostet mich 1.400 NPR (Nepalesische Rupien), was ungefähr 10 Euro entspricht. In den nächsten Tagen muss ich mich erst einmal an die neue Währung gewöhnen. Die Fahrt schien mir nach meinem Gefühl etwas überteuert, war aber auch ein privates Taxi.

    Da es schon dunkel ist, als ich im Hotel ankomme, laufe ich nur noch ein wenig in der Nähe des Hotels durch die Gassen und sauge den Flair der Umgebung auf. Alles leuchtet und ist bunt. Ich fühle mich wohl. Alles doch gar nicht so verkehrt. Die Skepsis ist verflogen. Das Abenteuer Nepal kann beginnen. Morgen möchte ich Kathmandu besichtigen und in die Kultur eintauchen.
    Um 8:30 Uhr werde ich dafür abgeholt. Ich bin gespannt, was der Tag bringt. Für heute gibt es einen kleinen ersten Eindruck.
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  • Sieben auf einen Streich

    December 12, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 17 °C

    Mein erster Tag in Kathmandu: Eine Reise durch Geschichte, Kultur und Spiritualität

    Obwohl die Nacht lang war und ich wirklich gut geschlafen habe, merke ich den langen Flug. Ich bin kaum erholt und müde. Da ich aber möglichst viel erleben will, habe ich um 8:30 einen Termin mit Buphin. Vorher muss ich mich am Frühstücksbuffet ordentlich stärken. Der Tag wird lang. Ich möchte in kurzer Zeit möglichst viel sehen. Buphin ist Guide und lebt in Nepal mit seiner Frau und Tochter. Nach einem kurzen kennenlernen geht es auch schon los. Der Zeitplan ist eng.
    Kathmandu – die Hauptstadt Nepals – ist ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart auf einzigartige Weise miteinander verschmelzen. Der Tag war besonders beeindruckend, denn ich habe alle sieben UNESCO-Welterbestätten des Kathmandutals besucht. Jede dieser Stätten erzählt eine Geschichte von Spiritualität, kultureller Vielfalt und Widerstandsfähigkeit. Buphin kennt sich nicht nur geschichtlich, sondern auch spirituell sehr gut aus. Es ist sehr interessant ihm zuzuhören und tief in die verschiedenen religiösen Stätten einzutauchen. Die sieben UNESCO-Welterbestätten umfassen Tempel, Paläste und Stupas, die alle ihren eigenen Charakter haben. Besonders beeindruckt hat mich, wie hier verschiedene religiöse Gemeinschaften – Hindus und Buddhisten – seit Jahrhunderten friedlich zusammenleben und miteinander ihre Rituale pflegen. Die Menschen um uns sind sehr freundlich und grüßen freundlich. Sie laden mich immer wieder ein an den verschiedenen Tempeln die Gebetsrollen anzustoßen und im Kreis um die Tempel zu laufen. Eine Einladung schlage ich selten aus und so laufe ich immer wieder mit Buddhisten oder Hindus um die heiligen Stätten. 80% der nepalesischen Bevölkerung gehört dem hinduistischem Glauben an. Interessant war der Fakt, dass an der Außenseite vieler Tempel Kamasutra-Schnitzereien zu sehen sind. Es sind hunderte verschiedene. Man sagt, dass es eine Aufforderung an die Menschen ist, sich fortzupflanzen und so die Population aufrechtzuerhalten. Spannende These, aber durchaus sehr interessant.

    Am Durbar Square von Kathmandu trifft man auf prachtvolle Pagoden, die von hinduistischer Architektur geprägt sind. Gleichzeitig liegt nicht weit davon entfernt die Boudhanath-Stupa, eines der größten buddhistischen Heiligtümer der Welt. Hier haben sich tibetische Flüchtlinge niedergelassen und einen lebendigen Ort geschaffen, der mit Gebetsfahnen und dem rhythmischen Klang von Gebetsmühlen erfüllt ist. Die Gebetsfahnen flattern friedlich im Wind. Es hat schon etwas meditatives.

    Ein weiteres Highlight war der Besuch des Swayambhunath-Tempels, der aufgrund der vielen Affen, die ihn bevölkern, auch als „Affentempel“ bekannt ist (nur Kulturbanausen nennen ihn so). Von hier aus bietet sich ein spektakulärer Blick über die Stadt – ein Moment der Ruhe und Besinnung inmitten des geschäftigen Treibens; perfekt für ein Erinnerungsfoto.

    Während meiner Besichtigungstour wurde ich immer wieder daran erinnert, wie verheerend das Erdbeben von 2015 für diese Region war. Viele Gebäude tragen noch heute die Narben dieser Katastrophe. Besonders am Patan Durbar Square und in Bhaktapur konnte man die provisorischen Stützen aus Holzbalken sehen, die beschädigte Tempel und Paläste vor dem Einsturz bewahren. Trotz der Zerstörung ist die Hoffnung und der Stolz der Menschen hier deutlich zu sehen. Restaurierungsarbeiten sind immernoch im Gange, und es ist inspirierend zu sehen, wie die Bevölkerung ihr kulturelles Erbe bewahrt.

    Das öffentliche Krematorium in Pashupatinath
    Ein weiterer faszinierender, wenn auch emotionaler Ort war das Pashupatinath-Tempelgelände, Nepals wichtigster hinduistischer Tempel am Ufer des Bagmati-Flusses. Hier finden die traditionellen Feuerbestattungen statt, ein Ritual, das Leben, Tod und Wiedergeburt symbolisiert.

    Auf den Ghats, den Treppen am Fluss, beobachtete ich, wie Verstorbene von ihren Familienmitgliedern vorbereitet und anschließend auf den Holzscheiten verbrannt wurden. Während die Angehörigen beteten und Abschied nahmen, treibt die Asche der Verstorbenen im Fluss davon – ein symbolischer Übergang in den Zyklus der Wiedergeburt.
    Dieses Ritual hatte eine stille Würde, und obwohl es für Außenstehende ungewohnt sein mag, vermittelte es einen tiefen Einblick in die hinduistische Vorstellung von Leben und Tod. Auch, dass diese Rituale öffentlich sind und das Fotografieren und Filmen erlaubt und sogar gewünscht ist, gehört zu der offenen und einladenden Religion der Hindus hinzu. Allerdings ist der Zutritt in den Tempel nur Hindus gestattet. Ich muss also draußen bleiben, was aber auch sehr spannend ist. Das Ritual an sich ist wirklich nichts für schwache Nerven. Der Leichnam wird zuerst durch die Familienangehörigen aufgebahrt und auf einen leicht abschüssigen Stein direkt am Ufer gelegt. Nacheinander wäscht jedes Familienmitglied die Füße des Körpers und immer wieder werden Gebete und Rituale mit Feuer und Farben durchgeführt. Nach der intensiven Verabschiedung wird der Körper in ein Tuch gewickelt und auf die vorbereiteten Holzschichten gelegt. Wichtig ist, dass der älteste Sohn das Feuer nun entzündet. Gibt es keinen Sohn, so ist der Sohn der Schwester oder des Bruders der/des Verstorbenen gefragt. Gibt es auch dort keine Söhne, so ist es einer Person gestattet, die für den/die Verstorbene so wichtig wie ein eigener Sohn ist. Die sterblichen Überreste werden in der Nähe des Mundes zuerst entzündet und nun brennt das Holz um die 4 Stunden. Anschließend wird der Aschehaufen in den Fluss geschoben und so schließt sich der Kreis des Lebens. Alle 5 Elemente des Hindu Glaubens sind am Flussufer repräsentiert. Die ganzen Informationen umfassen noch einiges mehr, würde aber leider den Rahmen hier sprengen.

    Kathmandu ist eine Stadt, voller Gegensätzen und Hatmonie, die mich mit ihrer Vielfalt und Energie in ihren Bann gezogen hat. Es ist faszinierend, wie hier jahrhundertealte Traditionen in einer modernen, manchmal chaotischen Welt weiterleben. Die friedliche Koexistenz der verschiedenen religiösen Gemeinschaften, die Entschlossenheit der Menschen nach der Tragödie von 2015 und die tief verwurzelte Spiritualität machen Kathmandu zu einem unvergesslichen Ort. Es ist nicht verwunderlich, dass hier gleich sieben Weltkulturerbestätten beheimatet sind.

    Mein Tag war ein Streifzug durch Geschichte, Glauben und Menschlichkeit – und morgen tauche ich in das kulinarische Nepal ein.

    Die Sehenswürdigkeiten zusammengefasst:
    - Pashupathinath-Tempel
    - Swayambhunath-Tempel
    - Boudhanath-Stupa (eine der größten Weltweit)
    - Durbar Square (ehem. Königspalast)
    - Patan Durbar Square
    - Bhaktapur Durbar Square
    - Changunarayan-Tempel
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  • Holy Friday

    December 13, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 18 °C

    Langsam habe ich mich an die Zeitumstellung gewöhnt und die Nacht war viel erholsamer als gestern. Ich bin nur einmal aufgewacht. In der Nacht vorher war es 3 oder 4 mal. Der Morgen beginnt zunächst unspektakulär und ich schaue beim Frühstück in den Nepal Reiseführer, den ich netterweise in Deutschland als Leihgabe erhalten habe. Ich beschließe am Vormittag den Stadtteil Thamel auf eigene Faust zu erkunden. Es ist der touristische Stadtteil Kathmandus, die schönen und kleinen Orte liegen mehr im verborgenen. Ich schnappe mir meine Kamera und ziehe los.
    Thamel ist überlaufen von kleinen Händlern und fleißigen Menschen, die Waren von einer Ecke zur anderen transportiere. Im geschäftigen Herzen des Stadtteils findet man, wenn man möchte, alles was das Herz begehrt. Von Gewürzen über Streetfood bis hin zu den teuersten Marken der Trekking-Welt ist wirklich alles dabei. Anders als in Tansania, sind die Händler nicht so penetrant und grüßen freundlich aber belassen es auch dabei, wenn man freundlich zurück grüßt und weiter läuft. An einer Straßenecke, schaue ich nochmal in den Reiseführer. Mein Plan war es eigentlich rund eine Stunde herumzutrollen und einige tolle Aufnahmen einzufangen. Dann aber spricht mich ein sehr netter Herr an. Es ist Ganesh, er ist auf dem Weg zu einem Tempel. Wir kommen ins Gespräch und nach einigen Minuten lädt er mich ein ihm zu folgen und die Zeremonie mitzumachen. Wieder einer dieser Momente die ich beim alleine reisen so liebe. Ich ergreife die Chance und folge ihm. Auf dem Weg zum Kumari Tempel erklärt er mir eine Menge über den Hinduismus. Das „Ohm“ im Hinduismus ist ein zentraler Bestandteil des Mantras, das beim Meditieren und Beten ausgesprochen wird. Eigentlich wird es mehr gesungen. Da die Zahl 8 eine heilige Zahl ist (weil sie umgekippt auch das Unendliche verkörpert), werden Gebete immer entweder 8 mal oder 108 mal aufgesagt. Diese bestehen dann meist aus ca. 5-6 Wörtern. Auch am Tempel ist diese Zahl wichtig. Warum, das erklär ich später.
    Wir kommen am Kumari Tempel an. Ein kleiner schicker Tempel, in den man nicht hineingehen kann. Im inneren ist ein Schrein aufgebaut. Ein kleines Fenster ist Tagsüber geöffnet, damit die gläubigen Menschen diesen Schrein anbeten können. Ganesh weist mich an, ihm zu folgen. Wir laufen im Uhrzeigersinn um den kleinen Tempel. Überall außen herum hängen kleine Glocken. Acht von ihnen wird jeder von uns läuten. Welche ist egal. Viele andere tun es uns gleich. Und alle Menschen lächeln mich an und begrüßen mich. Als wäre es das normalste der Welt, dass ein Tourist hier die Glocken läutet. Dabei bin ich weit und breit der einzige. Denn dieser Tempel ist ein wenig abseits der Hauptstraßen. Wer ohne local hierher kommt guckt sich das Treiben an, würde aber niemals mitten drin sein. Nachdem wir um den Tempel herum gelaufen sind stehen wir vor dem Fenster, der den Blick ins Innere zulässt. Ein Wesen im Schneidersitz mit 8 Armen sitzt auf dem Schrein. Ganz in Gold und glänzend. Leider habe ich den Namen dieser Gottesfigur schon wieder vergessen. Ganesh beginnt ein kleines Gebet. Er sagt es acht mal auf. Dann nimmt er eine rote wachsähnliche Stange und bittet mich meine Sorgen die ich habe in Richtung des Fensters zu sagen. Ich solle dies sieben mal wiederholen, sodass es insgesamt acht mal ergibt. Danach hält er den roten Wachsstift über eine Kerzenflamme und drückt mir diesen auf die Stirn. Eine Frau kommt auf mich zu und hängt mir eine Blütengirlande um den Hals. „Namaste!“ (Ich grüße das göttliche in dir). Dann nimmt Ganesh eine der Blüten, drückt diese in einem kleinen Behälter am Tempel aus und setzt mir die Blüten auf den Kopf. Das selbe macht er bei sich. Dann bedankt er sich bei mir, dass ich Nepal besuche und nimmt mich noch ein Stück mit. Ein kleines Erinnerungsfoto darf natürlich nicht fehlen. Im Hintergrund ist der Tempel zu sehen. Ich bin total begeistert. Nicht nur von der interessanten Zeremonie, sondern auch davon, dass Ganesh mich teilhaben lässt und auch das umstehende Menschen mich so herzlich begrüßen.

    Bevor ich am Abend eine Foodtour in Thamel habe, möchte ich mir noch was gutes tun. In Nepal sind Massagen an jeder Ecke zu bekommen. Vor allem für die vielen Wanderer, die aus den Bergen nach mehreren Tagen zurück kommen. Ich möchte aber zu einer ganz bestimmten Massage. Die SeeingHands sind eine gemeinnützige Organisation, die Blinde Menschen als Masseurinnen und Masseure ausbilden. Ohne diese Einrichtung wären diese Menschen arbeitslos und hätten es noch schwerer. Mal abgesehen von den widrigen Verkehrsbedingungen, die für Menschen mit Visusverlust lebensgefährlich sind. Ähnliche Zustände wie schon in Tansania. Viel Verkehr, aber keine Regeln. Ich rufe also bei den SeeingHands an und buche eine 90minütige Massage. Die Philosophie, dass Menschen mit Seheinschränkungen besonders feine Tastsinne haben und deshalb hervorragende Massagen ausführen, gibt es schon seit hunderten Jahren. Kamal, der seit seiner Kindheit blind ist, knetet mich durch. Danach fühle ich mich wie neu geboren. Und es ist tatsächlich die beste Massage, die ich bisher hatte. Kein Wunder: Seit 8 Jahren ist Kamal Teil des Teams und ist sehr froh, dass er die Möglichkeit hat, arbeiten zu dürfen. Die SeeingHands helfen auch beim täglichen Leben und bieten Wohnraum für Menschen mit Behinderungen.

    Am Abend holt mich dann Deepak am Hotel ab. Zusammen mit Antje, einer holländischen Flugbegleiterin, die mittlerweile in Dubai lebt und für FlyDubai arbeitet, begeben wir uns ins Nachtleben von Kathmandu. Wir besuchen verschiedenen Restaurants und probieren die Highlights der nepalesischen Küche. Neben der Herstellung, erzählt Deepak uns alles über den Ursprung der Gerichte und die dazugehörige Kultur. Es ist nicht verwunderlich, dass die großen religiösen Gemeinschaften des Hinduismus unf Buddhismus den größten Anteil an der Geschichte der Gerichte haben. Besonders lecker sind Momo! Plural übrigens auch Momo genannt, und nur Kulturbanausen sprechen von Momos, sagt Deepak. Sie erinnern ein wenig an Mante, ein Gericht aus der russischen Küche. Gedämpfte Teigtaschen mit Fleischfüllung. Besonders lecker ist, dass die Füllung aus Büffelfleisch besteht. Rinder bzw. Kühe werden hier gar nicht geschlachtet. Kühe sind heilige Tiere und das Nationaltier in Nepal, deshalb leben diese auch friedlich daher und werden nicht angerührt. Die Büffel müssen herhalten und den Konsum der Menschen decken. Ein Highlight ist das kleinste Restaurant der Welt. Wir passen zu dritt gerade so rein und Beinfreiheit sucht man vergeblich. Umso mehr schmecken die Panipuri, frittierte Bällchen, die erst wenn sie kalt sind mit Kartoffel und Kichererbsen gefüllt werden. Zusammen mit etwas Zitronenessig beträufelt schmecken sie hervorragend. Die Schärfe der Gewürze ist genau richtig.
    Als wir durch insgesamt 6 Restaurants durch sind und einen hervorragenden Sweet Lassi zum Ende der Tour trinken, rollen wir jeder davon und ich mache es mit im Hotel gemütlich. Morgen steige ich wieder in den Flieger. Ich freue mich auf Pokhara, dort werde ich meine Famulatur beginnen und meine Gastfamilie kennenlernen.
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  • Namaste in Pokhara

    December 14, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 18 °C

    Nachdem ich gestern eine ausgiebige Foodtour durch Thamel in Kathmandu gemacht habe, schlafe ich heute wieder aus. Der Late-Check-out um 12 Uhr lässt es allemal zu. Am Frühstücksbüffet checke ich noch den Flugstatus meines Flugs, denn ich habe mich entschieden, mit dem Flieger nach Pokhara weiterzureisen. Mit dem Bus wäre ich 7–10 Stunden unterwegs, je nach Verkehrsbedingungen. Der Flug dauert 25 Minuten. Das ist mal ein kleiner Unterschied. Noch ahne ich nicht, dass mal wieder alles anders wird als gebucht. Aber dazu gleich mehr.

    In Pokhara erwartet mich heute meine Gastfamilie. Ich habe über Air B’n’B von Deutschland aus eine sehr interessante Anzeige gefunden. Bina und Prakash, ein nepalesisches Ehepaar, werden mich beherbergen. Sie wohnen in einem schönen Haus mit drei Stockwerken und einem Rooftop, auf dem man verweilen kann. Nur fünf Minuten zu Fuß liegt der Phewa-See. In der Anzeige hatte ich gelesen, dass 10 % meines Übernachtungspreises an Binas Hilfsorganisation gehen. Da habe ich nicht lange überlegt und sofort gebucht. Ich freue mich sehr auf die Begegnung mit ihnen.

    Die Vorfreude steigt also, während ich in meinem Taxi auf dem Weg zum Flughafen sitze. Die Verabschiedung am Hotel war sehr herzlich. Generell ist die Gastfreundschaft extrem hoch. Bei den Nepalesen gilt: Behandle deine Gäste, als seien sie gottähnlich. Diese göttliche Gastfreundschaft ist überall spürbar. Schon beim Check-in habe ich sehr hilfsbereites Personal angetroffen. Wenn ich mal auf Guides in der Lobby gewartet habe, dann gab es einen Masala-Tee aufs Haus. Es mögen Kleinigkeiten sein, aber in Deutschland oder Europa, wo jede Dienstleistung ein Preisschild trägt, ist es doch anders. Meinen Dank drücke ich auch ein Stück weit im Trinkgeld aus, lasse aber auch zwei Tafeln der Schokolade da, die ich mitgebracht habe.
    Der Weg zum Flughafen ist mühsam. Überall hupen Autos und Mofas. Sie drängeln sich durch jede freie Lücke. Diese Verkehrsbedingungen sind wirklich anspruchsvoll. Mein Taxifahrer hat sichtlich Mühe. Ich schätze ihn auf Anfang zwanzig. Ich vermute, dass er den Führerschein noch nicht allzu lange hat, da er sichtlich angestrengt den Verkehr analysiert. Und wie wir so im Stau stehen, merke ich auch, dass nach drei Tagen in Kathmandu mein Hals in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich habe keine Maske getragen, obwohl es empfohlen wird. Die ganzen Abgase, der Staub und der Dreck, der in der Luft herumschwirrt, hinterlassen Spuren. Jetzt ist es aber auch zu spät.
    Als wir den Flughafen erreichen, gehe ich direkt zum Yeti-Airlines-Schalter, da ein Online-Check-in nicht geklappt hat. Zu meiner Überraschung werde ich jetzt schon vom Personal informiert, dass mein Flug statt um 14:40 Uhr erst um 16:55 Uhr abheben soll. Na toll. Ich hatte nicht vor, rund fünf Stunden an einem Flughafen zu verweilen, der nicht zum Entspannen und Warten gebaut ist. Meine Enttäuschung im Gesicht, kommt eine Mitarbeiterin von Yeti Airlines hinterher und bittet mich, ihr zu folgen. Man habe eine Lösung für mich gefunden. Es geht mit ihr zusammen an der Warteschlange für den Sicherheitscheck vorbei. Übliches Prozedere wie immer: Gepäck wird durchleuchtet, und dann nichts wie hin zur Gepäckabgabe. Dort steht tatsächlich ein weiterer Mitarbeiter. Er nimmt mein Aufgabegepäck entgegen und verschwindet damit.
    Auch das ist mein Glück! Denn anstelle von 20 kg Freigepäck schleppt er da gerade 22,5 kg weg. Auch da muss ich wieder grinsen. Keine Zeit, um mein Handgepäck zu wiegen. Wieder Glück. Statt 5 kg habe ich da nämlich 8,5 kg auf dem Rücken. Aber das Gute ist: Ich erwische einen Flieger, der bereits startklar ist. Man hat mich netterweise umgebucht auf einen Flug, der statt um 11:00 Uhr jetzt um 13:15 Uhr abhebt. Jackpot!
    Mit Übergepäck, aber überglücklich steige ich ein. Fensterplatz. Besser hätte es nicht laufen können! Das bedeutet für mich nämlich atemberaubende Blicke auf die schneebedeckten Gipfel des Himalayas. Mit der Kamera versuche ich, diesen weißen Riesen einzufangen. Keine Chance. In echt wirkt es tausendmal schöner.
    Keine 30 Minuten später setzen wir auch schon in Pokhara auf. Ruckzuck kommt das Gepäck aufs Band, und ich mache mich auf den Weg zum Taxistand. Die Fahrt ist hier deutlich günstiger, weil ich die App InDrive verwende (ein Tipp aus der Heimat).
    Als der Taxifahrer mich an der Straße, wie bei Air B’n’B angegeben, absetzt, sehe ich das Haus, welches auf den Bildern zu sehen ist, nicht. Hausnummern gibt es hier aber auch nicht. Also rufe ich zusammen mit dem Taxifahrer die hinterlegte Nummer an. Bina ist am anderen Ende und entschuldigt sich erst einmal. Sie steckt im Stau fest und kommt auch gerade heute aus Australien mit ihrem Mann. Binas Tochter ist Ärztin und lebt in Australien. Die Haushälterin kommt mir aber entgegen und holt mich am Taxi ab. Sie lässt mich rein und zeigt mir das Haus. Sie führt mich in die zweite Etage. Mein Zimmer ist einfach eingerichtet. Ich habe ein eigenes Bad, und direkt nebenan ist das Wohnzimmer mit einem unglaublichen Ausblick auf die World Peace Pagoda. Jeden Abend geht dort die Sonne unter. Solange Bina und Prakash noch nicht da sind, nutze ich die Zeit und packe meinen Backpack aus.

    Als die beiden zu Hause ankommen, begrüßen mich beide sehr herzlich. Wir lernen uns kennen, trinken einen Kaffee zusammen und erzählen von der jeweiligen Reise. Die beiden waren rund 22 Stunden unterwegs aus Melbourne. Da ist mein 30-minütiger Flug ein echter Witz dagegen. Mit dabei haben sie Hannah, ihr Enkelkind aus Australien. Sie verbringt zum ersten Mal Zeit allein bei ihren Großeltern. Hannah ist ungefähr sieben. Das genaue Alter muss ich nochmal erfragen. Mit mir traut sie sich aber noch nicht zu sprechen. Obwohl sie nur Englisch spricht und mich deshalb eigentlich auch gut versteht, kommt kein Ton heraus. Naja. Vielleicht in den nächsten Tagen.
    Zum Abend lädt Bina mich ein, mit ihnen zu essen. Sie hat Dal Bhat gemacht und einen sehr leckeren Salat dazu. Genau so habe ich mir das vorgestellt: Teil einer Familie zu sein und die Kultur so kennenzulernen. Ohne Schnickschnack und ohne Guides, die dafür bezahlt werden.

    Da mein Famulaturstart auf Montag verschoben wurde, habe ich morgen Zeit, Pokhara kennenzulernen. Nach einem kurzen Telefonat in die Heimat ziehe ich mich zurück. Ich mache mir am Abend einen Plan für den morgigen freien Sonntag. Normalerweise beginnt die Arbeitswoche hier sonntags. Nur der Samstag ist frei. Für mich aber ein verlängertes Wochenende. Über Bina‘s NGO berichte ich in den nächsten Tagen mehr.
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  • Nervenkitzel am Himalaya

    December 15, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 16 °C

    Gestern habe ich den Tag genutzt um ein wenig was zu erleben. Neben der Wanderung zur World Peace Pagoda, habe ich meinen Adrenalinspiegel in die Höhe getrieben.
    Zuerst ging es mit dem Cable Car auf den Sarangkot Mountain. Von dort oben hatte ich einen traumhaften Blick auf die Annapurna Bergkette mit den schneebedeckten Gipfeln. Neun Minuten dauert die Fahrt mit der Gondel auf 1786m. Nach unten hab ich es deutlich schneller geschafft. Ein 1,8Km langes Drahtseil spannt sich über das Tal. Der Höhenunterschied zwischen Bergstation und Talstation beträgt 600 Höhenmeter. Ich meine nicht den Lift, sondern die Längste ZipLine der Welt.
    Nach einer kurzen Sicherheitseinweisung werde ich in den Stuhl geschnürt. Der Mitarbeiter funkt die Bodenstation an. Das Funkgerät knistert. „You good to go“, lässt sich durch das knistern raushören. 5. 4. 3. 2. 1. Go!
    120km/h geht es ins Tal. Blick auf die Berge. Die Schaukel wird immer schneller. Was auf dem Video so schön entspannt aussieht ist unfassbar schnell. Und die 1,8km sind bei der Geschwindigkeit wirklich schnell um. Da ich nicht genug bekommen habe, lasse ich mich an der Bodenstation schon wieder festzurren. Diesmal ein Klettergeschirr und zwei Klettverschlüsse an den Unterschenkeln. Dann geht es auf eine Plattform. Diese ragt etwa 20 Meter vom Rand der Klippe hinaus. Zwei Mitarbeiter befestigen das Seil an den Kletrverschlüssen. Und wie ich nach unten blicke, hoffe ich, dass diese Klettverschlüsse bloß gut halten. In die eine Hand bekomme ich die GoPro. Jetzt trete ich an den Rand der Plattform heran. „Weiter, Weiter“, sagt der Guide immer wieder und ich watschle im Entengang kleine Zentimeter weiter. Bis nur noch meine Fersen die Plattform berühren. Jetzt habe ich wirklich Schiss. Ich mach kein Geheimnis draus. In dem Moment habe ich wirklich gedacht wie bescheuert ich selber bin. Stehe da in Nepal an ner Plattform und gucke 90m in die Tiefe. Und 70m davon werde ich gleich in die Tiefe stürzen. Wieder ein Countdown. Dann lassen die beiden Guides los. Ich lehne mich nach vorne und stürze in den Abgrund. Schon nach einem Bruchteil einer Sekunde stoße ich einen Schrei raus. Todesangst. Bis nach nichtmal 3 Sekunden das Gummiseil spannt und ich auf und ab baumle. Was eine bescheuerte Idee. Aber was für ein geiles Gefühl. So fühlt sich Fliegen an, oder so ähnlich !
    Viel Spaß mit den Videos!
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  • World Peace Pagoda

    December 15, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 13 °C

    Mein Start in die Famulatur hat sich auf Montag verschoben, obwohl die Woche in Nepal mit dem Sonntag beginnt. Da aber alle anderen Famulanten auch erst am Montag wieder da sind, hat mich der zuständige Mitarbeiter gebeten, ebenfalls erst am Montag zu erscheinen. Insgesamt sind sieben australische und ein oder eine weitere deutsche Famulant*in vor Ort. Ich bin gespannt, ob ich einige oder sogar alle morgen schon kennenlerne.

    Um den Tag möglichst komplett auszunutzen, geht es heute zur World Peace Pagoda. Es ist eine buddhistische Stupa, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen einer Initiative von japanischen Mönchen erbaut und mit lokalen Gremien eröffnet wurde. Es gibt zahlreiche Weltfriedenspagoden auf der Welt, und sie sollen symbolisch den Frieden und die Harmonie unter den Völkern fördern. Die bekannteste in Europa steht wohl in Großbritannien, und sogar in Deutschland gibt es eine. Sie steht in Bonn, direkt in der Nähe des Rheins. Auch ich musste das erst hier lernen und kannte die World Peace Pagode in Bonn nicht.
    Die weiße Stupa mit der charakteristischen Kuppel erhebt sich auf einem Hügel über dem Phewa-See und bietet eine atemberaubende Aussicht auf die Annapurna-Bergkette.
    Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dorthin zu gelangen. Die leichteste ist natürlich, mit dem Auto oder einem Motorrad hochzufahren und die letzten Meter zu laufen. Man kann auch mit einem Boot übersetzen und dann den Berg hinaufwandern. Ich entscheide mich allerdings für die etwas längere Wanderung nach oben. Ich starte in Pokhara Lake Side, direkt am See, quasi gegenüber der Pagode. Entlang des Sees sieht die Landschaft so malerisch aus, dass ich alle paar Minuten anhalte, um Fotos zu machen. Nach einiger Zeit muss ich einen kleinen Bach, der ein Ausläufer des Sees ist, überqueren. Die kleine Fußgängerbrücke knarzt, als ich sie betrete, und beginnt ein wenig zu schwingen. Als ich in der Mitte bin, bemerke ich, dass unter mir ein paar Planken fehlen. Das ist genau die Art von Wanderung, die ich gesucht habe. Es geht entlang von kleineren Reisfeldern und dann steil den Berg hinauf. Nach rund einer Stunde und 40 Minuten erreiche ich die World Peace Pagode. An der religiösen Stätte ist es nicht gestattet, laut zu sprechen, und Mitarbeiter achten darauf, dass dies strikt eingehalten wird. Auch die Schuhe müssen an der Pagode ausgezogen werden. Aus der Nähe ist die weiße Stupa noch majestätischer, als sie es aus der Ferne schon war. Sie ist nach traditionellen buddhistischen Architekturprinzipien gebaut und enthält vier Buddha-Statuen. Diese repräsentieren die vier wichtigsten Lebensereignisse Buddhas: Geburt, Erleuchtung, erste Predigt und Tod. Man kann auf drei verschiedenen Ebenen um sie herum laufen. Wichtig dabei ist, da es sich um einen Tempel handelt, stets im Uhrzeigersinn zu laufen. Auch darauf achtet ein Mitarbeiter sehr genau. Der Blick von der Pagode ist wirklich unglaublich: ein spektakulärer Ausblick über den Phewa-See, und im Hintergrund erheben sich die riesigen, schneebedeckten Gipfel der Annapurna-Bergkette des Himalayas.

    Nach einem Kaffee mit Blick auf die Berge beschließe ich, den gesamten Weg auch wieder zurückzuwandern. Ich wollte erst den Weg über den See nehmen, da ich aber sicher bin, dass ich noch einmal hierherkommen werde, hebe ich mir die Bootsfahrt auf. Ich laufe also den langen Wanderweg durch den üppigen und ruhigen Wald entlang des Phewa-Sees hinab. Nach rund der Hälfte merke ich, dass ich neue Wanderschuhe brauche. Meine Füße fangen an zu schmerzen. Aber aufgeben geht nicht. Deshalb laufe ich weiter. Als es langsam dämmert, komme ich wieder am Haus von Bina und Prakash an. Meine Füße glühen. Bevor ich im Januar ins Himalaya-Gebirge starte, muss ich dringend neue Wanderschuhe einlaufen – ein Plan, den ich mir für die laufende Woche vornehme. Lieber zu früh als zu spät damit anfangen.

    Zu meiner Überraschung bereitet Bina schon das Abendessen vor. Sie hat selbst gebackenes Brot gemacht, und es gibt noch Dal Bhat (Reisgericht) von gestern. Ich muss demnächst direkt aufschreiben, wie die Gerichte heißen, deren Namen so kompliziert für europäische Ohren klingen. Wobei mein Namensgedächtnis bekanntermaßen sehr, sehr, sehr schlecht ist. Nach dem Essen helfe ich Bina beim Abräumen. Wir kommen ins Gespräch, und ich frage sie jede Menge über ihre Hilfsorganisation. Sie lädt mich ein, wenn mein Zeitplan es zulässt, mittags ihre Einrichtungen anzuschauen. Ich werde noch genauer darüber berichten. Die NGO jedenfalls heißt KOPILA Nepal. Sie betreibt Schutzhäuser für sexuell misshandelte Kinder und Frauen. Direkt unter uns im Erdgeschoss ist eines dieser Schutzhäuser. Dort leben aktuell zwölf Mädchen und Frauen. Auch wenn Nepal ein nach außen friedliches und freundliches Land scheint, erstrecken sich die Probleme mit häuslicher und sexueller Gewalt von den Familien bis zu den Schulen, in denen Lehrer übergriffig werden. Wir sprechen noch lange über dieses Problem, bis wir zu müde sind. Bina leidet noch unter Jetlag, und ich bin völlig fertig von meinem Tag. Da mir die Augen zufallen, werde ich von meinem Adrenalinkick am Morgen in den nächsten Tagen berichten. Auch ein Gasgeruch und eine defekte Gasleitung haben uns heute noch auf Trab gehalten. Aber soweit ist alles sicher!
    Bis morgen!
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  • Wettlauf gegen die Zeit

    December 16, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 13 °C

    Die Nacht war ziemlich mäßig. Mitten in der Nacht wache ich mit starken Kopfschmerzen auf. Ich vermute, dass ich gestern zusammen mit Prakash beim Abstellen der Gastherme einfach zu viel eingeatmet habe. Schon am Abend hatte ich mäßige Kopfschmerzen. Da aber das Gas abgedreht ist und die Badtür geschlossen war, kann es nicht wieder ausgetreten sein. Doch die Kopfschmerzen lassen mich um 2 Uhr nachts nicht wieder einschlafen. Also greife ich zu IBU-Lysin (Wirkeintritt innerhalb von 5–10 Minuten) und schlafe wieder ein wie ein Baby.

    Gegen 7:30 Uhr klingelt mein Wecker. Ich frühstücke noch schnell und mache mich auf den Weg zum Manipal Teaching Hospital. Der Versuch, mit dem Bus zu fahren, gestaltet sich äußerst schwierig. Es gibt von Lake Side keine direkte Busverbindung. Ich rufe mir über die InDrive-App ein Motorrad-Taxi und lasse mich bis vor die Tür bringen. Das Gebäude des Krankenhauses ist sehr groß und massiv gebaut – (fast) alle Departments unter einem Dach, wie es sich für ein Krankenhaus gehört. Mit 750 Betten ist es das größte in Pokhara und eines der größten in Nepal. Die Klinik hat auch eine Radiologie mit CT und MRT, was mein Herz als gelernter MTR höher schlagen lässt.

    Zuerst bin ich aber mit Jivnath Niure (im Bild links) verabredet. Er koordiniert die Famulanten aus aller Welt. Nach einigen Formalien händigt er mir mein Namensschild aus und bringt mich zu Prof. Dr. Maskey (im Bild rechts). Prof. Maskey ist der ärztliche Direktor. Er begrüßt mich, bietet mir einen Kaffee an, und wir quatschen ein wenig – erst über mich und dann über das Krankenhaus. Er reißt kurz die Geschichte des Hauses an und ist immer wieder stolz darauf, dass Famulanten aus der ganzen Welt hierherkommen, um zu lernen. Was er auch sagt, ist, dass die ärztlichen Mitarbeitenden und Studierenden vor Ort von uns lernen sollen. Für ihn bedeutet internationaler Austausch auch die Erweiterung des Wissens seiner Kolleginnen und Kollegen. Keine zwei Stunden später in der Notaufnahme werde ich noch hautnah miterleben, was er damit meinte.
    Wir sprechen rund 15 Minuten miteinander. Immer wieder fragt er, wie das Studium in Deutschland abläuft und wie es aufgebaut ist. Alles in allem ist es ein sehr herzliches und angenehmes Gespräch. Nachdem wir uns ausgetauscht haben, unterzeichnet er ein Schreiben mit meinem Namen und allen Daten, das Jivnath ihm hinhält, und damit bin ich offiziell als Famulant im Haus tätig.

    Ich werde von ihm zum Leiter der Notaufnahme gebracht. Hier werde ich die nächsten zwei Wochen verbringen. Vor der Notaufnahme steht ein Security-Mitarbeiter. Auch hier scheint das nötig zu sein. Ich werde durchgewunken und direkt zu Dr. Nav gebracht, einem kleinen, rüstigen Mann Ende 40. Auch er begrüßt mich sehr herzlich und steigt mit mir direkt in die Patientenversorgung ein.
    Die Notaufnahme besteht aus einem sehr großen Raum. In der Mitte steht eine Kanzel, und auf der einen Seite ist Platz für vier Patienten der Kategorie Grün (kein Notfall). Auf der anderen Seite gibt es drei Plätze für die Kategorien Gelb und Rot (Überwachung und absoluter Notfall). Zwischen den Tragen gibt es Vorhänge, die zugezogen werden können. Alles erinnert an eine amerikanische Emergency-Serie, zumindest was die Raumaufteilung betrifft.
    Da es in Nepal keinen Rettungsdienst – geschweige denn Notärzte – gibt wie bei uns, lässt der erste echte Notfall auch nicht lange auf sich warten. Es gibt zwar Krankenwagen, diese dienen aber lediglich dem Transport. Medizinisches Personal fährt nicht mit. Das Prinzip lautet hier „Load & Go“ (Einladen und ab ins Krankenhaus – in Deutschland haben wir zum Glück Rettungsdienst, Notärzte und das Prinzip „Stay & Play“). Erst hier im Krankenhaus beginnt die Suche nach dem Problem und im besten Fall die Behandlung.

    Plötzlich wird es hektisch. Ein bewusstloser Patient wird mit dem Krankenwagen gebracht. Laut Aussagen der Angehörigen soll dieser Zustand vor rund einer Stunde eingetreten sein. Nach wenigen Sekunden ist klar: Herz-Kreislauf-Stillstand. Dr. Nav beginnt mit der Reanimation. Die Nurses versuchen, einen Zugang zu legen, und die Interns fangen an, den Patienten zu beatmen. Mir fallen nach und nach immer mehr Dinge auf, die wir anders gelernt haben. Natürlich gehen in meinem Kopf alle Alarmglocken an, aber man muss sich in diesem Moment auch immer wieder sagen, dass man erstens Gast ist und zweitens die Ärzte und das Personal hier gar nicht unbedingt die Möglichkeiten haben, es so auszuführen, wie die Leitlinien in Deutschland es vorgeben.
    Als der erste Intern Dr. Nav bei der Kompression des Oberkörpers ablöst, traue ich meinen Augen kaum. Der Intern drückt mit beiden Händen fest auf der linken Seite des Brustkorbs, ungefähr auf Höhe der Brustwarze des Patienten. Auch Dr. Nav bemerkt das, korrigiert den Intern und fordert ihn auf, in der Mitte der Brust auf das Brustbein zu drücken. Immer wieder muss er Frequenz und Tiefe korrigieren. Als der Intern nach ein oder zwei Minuten sichtlich ins Schwitzen kommt, stelle ich mich zur Verfügung, um abzulösen. Wir tauschen durch, und ich starte so, wie ich es gelernt habe. Dr. Nav ist zufrieden und lobt mich: „This is a perfect technique, you see what Dr. Denis is doing“, sagt er in Richtung der Interns.
    Wenn Dr. Nav wüsste, dass ich in meinem Kopf ständig „Ha ha ha ha Stayin’ Alive“ von den BeeGees singe, wüsste er, warum ich zumindest bei der Frequenz recht gleichmäßig bin. Für alle Umstehenden besser, dass ich es nicht laut tue. Spätestens dann hätten wir noch mehr Notfälle.
    Nach knapp fünf Minuten Reanimation wird es zu einer Fortbildung. Weil der Patient wahrscheinlich so lange ohne Kreislauf war, sind die Chancen gleich null, dass er diesen Tag überlebt. Dr. Nav nutzt das Momentum, um den Interns praktische Fertigkeiten mitzugeben. Jeder von ihnen muss nochmal ran, und ich soll korrigieren. Für mich als Famulant ist das eine unangenehme Aufgabe. Ich bin mir aber sicher, dass Prof. Maskey genau das meinte, als er gesagt hat, dass seine Mitarbeiter auch von den Famulanten lernen können.

    Wir versuchen noch rund 15 Minuten, den Patienten zurückzubekommen – vergeblich. Todeszeitpunkt: 10:05 Uhr. Der 39-jährige Patient wird von der anwesenden Kriminalpolizei in die forensische Abteilung gebracht.

    Später, als ich schon auf dem Weg nach Hause bin, bekomme ich einen Anruf, ob ich bei der Obduktion dabei sein wolle. Ich weise meinen Fahrer direkt an, umzudrehen. Das lasse ich mir nicht entgehen.
    Die nächste Stunde verbringe ich dann in der Postmortem Hall. Ein kalter, gefliester Raum. In der Mitte steht ein silberner Tisch. Darauf erkenne ich den Patienten vom Morgen wieder. Zusammen mit dem Forensiker widmen wir uns dem leblosen Körper.
    Er zeigt mir, welche Schnitte ich machen soll. Dann nehme ich das Skalpell und schneide vom Kinn hinunter bis zum Schambein. Wir arbeiten uns bis zum Brustkorb gemeinsam durch. Mit einer Rosenschere (!) schneidet er durch die Rippenknorpel und hebt das Brustbein ab. Am Ende liegen alle inneren Organe neben dem Körper. Ein Assistent kümmert sich um den Kopf und entnimmt das Gehirn.
    Für mich ist das alles ziemlich neu. Im Studium hat jeder deutsche Student Körperspenden bearbeitet und den Geruch von Formalin noch gut in Erinnerung. Aber einen kürzlich Verstorbenen habe ich bisher noch nicht vor mir liegen gehabt – schon gar nicht mit dem Ziel, alle Organe zu entnehmen. Der Geruch, der einem in die Nase steigt, ist eine Mischung aus Metzgerei und frischem Blut. Bis der Darminhalt inspiziert wird. Darauf muss ich, glaube ich, nicht näher eingehen.

    Die Todesursache laut Forensiker: akutes Herzversagen (Herzkranzgefäße verkalkt).

    Damit endet mein erster Tag im Manipal Teaching Hospital um 17 Uhr. Ich freue mich auf das Abendessen mit Bina und Prakash. Am Abend gibt’s dann noch zwei wundervolle Telefonate in die Heimat, ehe ich mich jetzt erhole.
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  • Polytrauma

    December 17, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 19 °C

    Mein zweiter Tag in der Notaufnahme begann dank Prakash (dem Gastvater) bereits deutlich entspannter als der erste. Großzügig stellte er mir sein Mofa zur Verfügung, damit ich die morgendliche Hektik im überfüllten Bus oder in einem Taxi umgehen konnte. Mit einem kühlen Fahrtwind im Gesicht und einer Prise Abenteuergefühl machte ich mich also auf den Weg zum Manipal Teaching Hospital. Die Fahrt durch Pokhara war eine Wohltat und Herausforderung zugleich: Vorbei an kleinen Teestuben, geschäftigen Straßenhändlern und im Hintergrund immer die majestätischen Silhouetten des Himalayas, inmitten eines Verkehrs, der keinen Regeln zu folgen scheint – ein Start in den Tag, der kaum besser und herausfordernder hätte sein können.

    Kaum angekommen, holte mich der Ernst der Notaufnahme allerdings schnell wieder in die Realität zurück. Ein schwer verletzter Patient wird eingeliefert – ein 18-jähriger Junge, der von einem Auto erfasst worden war. Schon auf den ersten Blick ist klar: Es geht ihm schlecht. Er war bleich, zitterte unkontrolliert und hatte vor Schmerzen die Augen geschlossen. Seine Kleidung war zerrissen, und sein Atem flach und schnell. Zu allem Überfluss hatte er bereits vor zwei Tagen einen gebrochenen Unterarm erlitten, der bereits im Gips lag. Wen einer einen schlechten Start in die Woche hatte, dann dieser junge Mann.

    Die Versorgung des Polytraumas war – gelinde gesagt – chaotisch. Ich beobachtete, wie es an Organisation und Struktur fehlte. Niemand hatte zu Beginn die Wirbelsäule immobilisiert, obwohl der Verdacht auf ernsthafte Verletzungen nahe lag. Auch ein Wärmemanagement gab es nicht. Der Junge zitterte so stark, dass seine ganze Liege vibrierte. Eine Decke war anfangs nirgends zu sehen, geschweige denn ein aktives Wärmesystem. Erst hier im Krankenhaus wird der Junge auf eine Spine-Board gelegt, eine Art Hartplastik-Trage, die verhindern soll, dass die Wirbelsäule belastet wird. Das hektische Treiben der Ärzte und Pfleger fühlte sich wie ein Durcheinander an, ohne klaren Plan oder Führung. Immer wieder führten Ärzte aus unterschiedlichen Fachrichtungen dieselben Untersuchungen durch: Abtasten des Bauches, Abhören der Lungen, Pupillenkontrollen – doch keiner koordinierte sich mit dem anderen. Der Patient wurde mehrmals unnötig hin und her bewegt, das Gesicht voller Schmerz, was mir innerlich die Luft abschnürte.
    Erst nach einer guten halben Stunde wurde ein Ultraschallgerät herbeigeschafft. Immerhin ein sehr modernes, welches der Chefarzt mit seinem Handy bedient. Bildqualität für den Moment ausreichend. Ich stand an der Seite und sah auf dem Handy, wie dunkle, unheilvolle Flächen sichtbar wurden: freie Flüssigkeit im Bauchraum. Ein eindeutiges Zeichen – der Junge hatte wahrscheinlich eine innere Blutung. Die Zeit lief gegen ihn, und erst jetzt wurde ein CT angefordert. Der gesamte Ablauf war geprägt von Unruhe, von Einzelaktionen ohne Zusammenspiel. In solchen Momenten wurde mir bewusst, wie wertvoll Leitlinien, Struktur und Protokolle in der Traumaversorgung sind. Hier in Nepal sah ich ein ganz anderes Bild.

    Inmitten dieses turbulenten Morgens wurde ich plötzlich überrascht: Die zwei deutschen PJlerinnen hatten von mir erfahren und suchten mich in der Notaufnahme auf. Pauli und Valerie, zwei Medizinstudentinnen aus München, begrüßten mich mit einem offenen Lächeln und stellten sich direkt vor. Wir kamen sofort ins Gespräch und teilten unsere Eindrücke vom Klinikalltag, von Nepal und dem Abenteuer Famulatur. Es tat gut, vertraute Stimmen zu hören, die ähnliche Erfahrungen machten wie ich. Spontan beschlossen wir, uns für den Abend zu verabreden – eine schöne Abwechslung.

    Den Nachmittag verbrachte ich schließlich im Bluesheep, einem gemütlichen Café in Lakeside. Mit einem guten Kaffee in der Hand und der Sonne im Gesicht ließ ich die Erlebnisse des Vormittags sacken. Die Atmosphäre hier war wie Balsam für die Seele – entspannt, unbeschwert und voller Leichtigkeit.

    Am Abend traf ich Pauli und Valerie wie geplant. Unser Ziel war das Open-Air-Kino, ein echter Geheimtipp in Pokhara. Mit Pizza und kühlen Getränken ließen wir den Tag ausgelassen ausklingen und genossen die besondere Atmosphäre unter dem Sternenhimmel. Der Film, Into the Wild, war ein emotionales Meisterwerk, das uns alle berührte. Die Geschichte eines Alleinreisenden, auf der Suche nach seinem Glück, weit weg von Freunden und Familie. Da blieb kein Auge trocken.

    So endete mein zweiter Tag in Pokhara – ein Tag voller Kontraste zwischen Chaos und Ruhe, zwischen Ernst und Leichtigkeit.
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  • Dhiraj lebt

    December 18, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 20 °C

    Der morgendliche Verkehr ist die erste Herausforderung des Tages. Um genau zu sein, ist es eigentlich die zweite. Die erste - und in meinen Augen auch die größere - ist es, das warme Bett zu verlassen. Unter den beiden kuscheligen Decken, die etwas schwerer und viel zu groß sind, baut sich über Nacht die wohlige Wärme auf, die jeder und jede kennt. Das Haus verfügt über keinerlei Heizung. Wenn die Temperaturen abends beginnen zu fallen, erreichen sie früh am Morgen ihren Tiefpunkt. Dann liegt das gesamte Tal im morgendlichen Tau, der alles was draußen steht und liegt mit einem feinen, kalten Wasserfilm belegt. Da auch die Fenster nicht doppelt verglast sind, geht es mir unter den wärmenden Decken doch am besten. Aber, der zweite Wecker bringt mich zurück in die Wirklichkeit. Jetzt muss ich wirklich aufstehen. Frühstück und Kaffee, dann den Helm auf und ab in den morgendlichen Berufsverkehr.

    Das erste, was ich in der Notaufnahme mache, ist mich zu erkundigen wie es dem Patienten vom Dienstag geht. Der 18 jährige Mann, der vom Auto erfasst wurde. Ich hatte seine Verlegung und weitere Diagnostik nicht mehr mitbekommen. Dr.Nav erzählt mir, dass das CT gleich mehrere Befunde ergeben hat, die dem Jungen den Intensivplatz beschert haben, wo er aktuell liegt. Ich beschließe ihn zu besuchen, weil er gestern mit mir gesprochen hat und sich bedankt hat, dass ich das Wärmemanagement übernommen habe. Tatsächlich habe ich mit einem ganz alten Warmluftgerät und mehreren Wolldecken eine improvisierte Wärmedecke gebastelt. Die Interns hatten das Wärmegerät einfach neben den Patienten gestellt. Dass die Warme Luft dabei nach oben steigt und nicht annähernd zum Patienten kommt, war da zweitrangig. Also habe ich das in die Hand genommen. Erst wurde ich ein wenig belächelt, aber als der Patient sich bei mir bedankte und aufhörte zu zittern wie ein Aal, gab es Lob. Ich versuche dir nächsten Tage mal ein Bild von dem Gerät zu machen. Als ich damit zugange war habe ich natürlich keine Zeit dafür gehabt. Aber auch das Krankenhaus besitzt keine Heizungen. Zumindest nicht dort wo ich bisher war. Auf vielen der Bilder sieht man die Ärzte mit dicken Winterjacken. Sie arbeiten den ganzen Tag in diesen Jacken. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Notaufnahme nicht so gut ausgestattet ist. Ich werd die nächsten Tage meine Augen mal offenhalten.
    Ich bekomme das Patienten LogBuch. Statt Computern, gibt es diese Bücher, um die Patientendaten zu erfassen. Der 18 jährige Mann heißt Dhiraj. Verlegt auf die SICU (Surgical Intermediate Care Unit). In roter Schrift steht unter seinem Namen das Wort CREDIT. Die Behandlung wird er also nach seiner Genesung bezahlen müssen. Daneben die Zeit, die er in der Notaufnahme verbracht hat. Es sind 5 Stunden und 54 Minuten. Das ist eine sehr lange Zeit für einen kritisch verletzten Patienten. Im Ultraschall war schon klar, dass es eine innere Blutung gibt. Aber da es so etwas wie einen Schockraum nicht gibt, dominiert eben ein wenig Chaos die Notfallversorgung und damit geht auch viel Zeit ins Land.

    Auf dem Weg zur chirurgischen Intensivstation treffe ich die beiden deutschen PJlerinnen. Pauli und Valli überreden mich im Café noch ein Kaffee zu trinken. Weil ich sowieso in die Richtung muss ist es eine willkommene Pause. Die Sonne scheint und wir tauschen uns aus. Für heute Abend verabreden wir uns zum Bar Hopping. Die beiden verlassen Pokhara bereits am Samstag und wir wollen wenigstens einmal zusammen losziehen.

    Auf der Intensivstation werde ich freundlich empfangen. Als ich erkläre, dass ich Dhiraj gestern in der Notaufnahme mitversorgt habe, bringen sie mich zu ihm und zeigen mir die CT Bilder. Interessanterweise werden die Bilder hier wie früher in Deutschland auch , auf Röntgenfilmen ausgedruckt. So ist Schicht für Schicht des CT Scan auf dem Film abgebildet. Eine Radiologie Software gibt es weder in der Notaufnahme, noch auf der Intensivstation.
    Nachdem ich mit Dhiraj gesprochen habe, schaue ich die Bilder an. Dazu die Diagnosen. Pneumothorax rechts, Leberblutung und Milzblutung. Damit lag er 5:54 h in der Notaufnahme. Ich bin wieder einmal erstaunt, was der menschliche Körper leisten kann. Viel mehr wundert mich die Tatsache, dass er noch gar nicht operiert ist. Lediglich eine Thoraxdrainage ragt aus seiner Brust und sorgt dafür, dass die Lunge sich wieder normal entfalten kann. Die beiden Blutungen scheinen für die Ärzte hier noch nicht so massiv zu sein dass gehandelt werden muss. Unglaublich.
    Nachdem ich einige Zeit mit Dhiraj gesprochen habe, gehe ich zurück und verbringe den Rest des Dienstes in der Notaufnahme. Dann geht es nach Hause. Etwas erholen und ausruhen bevor es ins Nachtleben geht.
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  • Into the Night

    December 18, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 21 °C

    Nach einem Tag in der Notaufnahme mit mehr oder weniger dringenden Notfällen bin ich auf dem Weg in die Innenstadt. Direkt am See treffe ich Pauli und Valli. Der Plan ist, ein wenig durch die Bars direkt am See zu ziehen. Da es Mittwoch ist, gehen wir ohnehin nicht davon aus, dass es heute spät wird. Damit lagen wir jedoch falsch.

    Als wir an einer Karaoke-Bar vorbeikommen, packt uns der Kampfgeist. Ein wenig angeheitert legen wir am Mikro los. Wahrscheinlich keine Glanzleistung – wie man hören kann. Also ziehen wir weiter, damit die Menschen hier nicht länger unter unserer Gesangskunst leiden müssen.

    Am Ende des Abends landen wir dann doch in einem Club. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Mittlerweile ist es 2 Uhr, und wir lassen uns treiben. Ähnlich wie schon in Tansania sind die meisten Gäste hier männlich. Die wenigen jungen Frauen, die wir getroffen haben, sind Touristen, vor allem aus China und Indien. Aber auch die meisten Männer sind nicht von hier.

    An der Bar spricht mich Abishek an, ein athletischer junger Mann. Es stellt sich heraus, dass sich herumgesprochen hat, dass Deutsche im Club sind. Nicht schwer zu erkennen, wer das wohl sein könnte. Abishek ist Student aus Kathmandu. Er erzählt stolz, dass er im nächsten Jahr nach Deutschland kommt – als Teilnehmer der World University Games, die im gesamten Ruhrgebiet und in Berlin stattfinden. Natürlich lade ich ihn nach Düsseldorf ein. Seine Wettkämpfe im Taekwondo wird er in Essen austragen. Wie klein die Welt doch ist.

    Gegen 3:30 Uhr machen wir uns dann auf den Heimweg. Der nächste Tag wird also anstrengend. Doch hinter uns liegt ein wunderbarer Abend.
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  • Doppelt anstrengend

    December 19, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 14 °C

    Nach der kurzen Nacht, ist der Tag besonders anstrengend. Ich habe das Gefühl ein Güterzug ist über mich drüber gefahren. Aber wer feiern kann, der kann auch arbeiten. Diesmal laufe ich in die Klinik. Da ich mich gestern schon für den Frühdienst abgemeldet habe bin ich auf dem Weg zum Spätdienst. Die 4 Km Fußweg tun auch einfach gut. Mit genug Wasser im Gepäck vergeht zwar eine gute Stunde bis ich oben am Krankenhaus angekommen bin, dafür riskiere ich nicht in eine Polizeikontrolle zu geraten. Auch die Mädels sind angeschlagen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
    Der Fall des Tages ist ein junger Mann der auf dem Weg zur Schule von unbekannten verprügelt wurde. Er hat starke Kopfschmerzen, die ungewöhnlich erscheinen. Ein wenig durcheinander ist er auch. Nach einer kurzen körperlichen Untersuchung, entscheiden sich die Ärzte dazu ein CT vom Kopf zu machen. Nachdem sein Bruder die Kosten in der Eingangshalle am Schalter begleicht, wird der Patient zum CT gebracht. Ich begleite ihn und bin erstaunt, wie hier gearbeitet wird. Die Radiologie ist durchaus ein bekannter Arbeitsplatz für mich. Auch das etwas ältere CT Modell kenne ich aus kleineren Krankenhäusern in Düsseldorf während meiner MTR Ausbildung allerdings ist die auch schon knapp 10 Jahre her. Aber für die Verhältnisse hier ist das schon sehr fortschrittlich. Nur mit dem Strahlenschutz ist man hier nicht so genau. Damit sich der Patient nicht bewegt wird seiner Mutter eine Bleiweste angelegt. Sie muss im Raum bleiben. Absolut unnötig, da sie die Streustrahlung als unbeteiligte und unverletzte Frau abbekommt. Ich frage nach ob das hier so üblich sei. Das ist es. Ich halte mich zurück und kann innerlich nur mit dem Kopf schütteln. Denn der Patient ist weder ängstlich noch unruhig. Die Regeln sind die Regeln sagt der Mitarbeiter am Schaltpult. Das CT jedenfalls zeigt, was wir befürchtet hatten. Eine Blutung im Kopf. Sofort werden die Neurochirurgen informiert. Für den jungen Mann ein Glücksfall, denn viele Neurochirurgen gibt es in diesem Land nicht. Bis er allerdings verlegt wird vergeht wieder viel Zeit. Ich hoffe, dass ich die nächsten Tage nochmal nach ihm schauen kann.

    Gesundheitsedukation ist im Manipal Teaching Hospital auch überall präsent. Auf Hinweistafeln an alten ausgemusterten Fahrzeugen steht überall der Hinweis: kümmert euch um eure Gesundheit. Getreu dem Motto, wer sich nicht rechtzeitig kümmert, funktioniert nicht mehr.

    Am Abend gibt es köstliche MoMo und wieder die beste nepalesische Küche. Danach gehe ich nur noch ins Bett. Dieser Tag war doppelt anstrengend.
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  • Rund um Pokhara

    December 21, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 13 °C

    Die letzten beiden Tage habe ich es etwas ruhiger angehen lassen.
    Am Freitag hat Anil, ein sehr zuvorkommender Intern mit mir ein Tag Team gebildet. Wir haben uns gemeinsam die Patienten angeschaut, die durch die klapprige Schwenktür mit Einmalverglasung hindurch kamen. Nach der Triage (Ersteinschätzung), wurden die Patienten wie üblich auf die verschiedenen Dringlichkeitsbereiche verteilt. Heute gab es keine schwerverletzten oder kritische Patienten, was für alle eine Möglichkeit zum durchatmen war. Nichts desto trotz sind es täglich zwischen 40 und 60 Patienten nur von 8-15 Uhr.
    Für mich bietet der heutige Tag vor allem ein gutes Training in der Einschätzung von EKGs. Ein Thema wo ich sonst gerne einen großen Bogen drum gemacht habe. Aber mit der nötigen Zeit und auch mit etwas Nacharbeiten in der Unterkunft wird es von Tag zu Tag auch entspannter.
    Dann kam gestern noch spät in der Nacht die Eilmeldung über die Tagesschau App. Traurig was daheim in Magdeburg passierte. Ich will mir gar nicht vorstellen welches Bild die Rettungs- und Einsatzkräften dort vor Ort erwartet hat. Einer meiner großen Berufsziele ist es, Notarzt zu werden. Ein herausfordernder Beruf, vor allem wenn man mitten in einer Szene steht, die nicht nur Unfallort sondern auch Tatort ist.

    Der Samstag beginnt etwas später. Ich schlafe aus und gönne mir etwas Ruhe am Morgen. Dann gibt es leckeres Frühstück. Mit Kaffee und Porridge bin ich gestern für den Tag. Heute möchte ich etwas außerhalb von Pokhara eine Rund 250m lange Hängebrücke besuchen. Die Fahrt dort hin soll wohl eine Stunde dauern.
    Als ich los fahre, denke ich noch, dass alle immer mit Masken und Schals vermummt sind. Ob die so frieren bei der Sinne ? Aber weit gefehlt. Der ganze Staub von der Straße und der Smog hängt mir nach wenigen Minuten in der Lunge. Immer wieder ziehe ich mein Hemd und das Shirt hoch um wenigstens ein wenig eine Art Filter zu haben. Aber die Herausforderung auf der Straße ist real. Man muss unfassbar aufmerksam sein. Schnell fahren will und kann ich sowieso nicht. Dafür geht es zu chaotisch. Im Hinterkopf auch immer wieder die Bedingungen in der Klinik. Ich will dort auf keinen Fall als Patient landen. Es geht teilweise über gute neue Straßen, diese werden aber immer wieder unterbrochen von groben Schotter Pisten mit riesigen Schlaglöcher. Einige Abschnitte sind gewässert, damit es nicht so staubt. Das macht es nicht leichter mit dem Mofa dort hindurch zu manövrieren. Immer wieder merke ich auch, wie ich in dem Schlamm ein wenig hin und her schlittere. Nachdem ich aus Pokhara raus bin, wird der Verkehr ruhiger und angenehmer. Die Straßen aber schlechter. Nach 40 Minuten Fahrt geht es dann die Serpentinen in einem kleinen Dorf hoch. Es kann nicht mehr weit sein. Aber ich fahre immer wieder an der Brücke vorbei, weil ich den Weg nicht finde. Dann frage ich einen einheimischen jungen Mann. Er will mir den Weg zeigen und steigt auf. Wir fahren in eine Einfahrt und biegen kurz vor dem Haus auf einen kleinen tranpelpfad, der dann wieder etwas größer und schließlich zu einem Weg wird. Das hätte ich niemals allein gefunden. An einer Gabelung steigt der nette Kerl wieder ab und geht einen anderen Weg. Ich folge den Weg und stehe tatsächlich vor der Rupa Lake Suspension Bridge. Sie ist recht modern und massiv gebaut und überspannt den Rupa Lake auf 250m. Als ich sie betrete wackelt es ein wenig auf und ab. Aber das hält sich in Grenzen. Mit dem metallenen Boden, ist sie so schwer, dass ich alleine keine entscheidenden Bewegungen auslöse. Und so packe ich Mitten auf der Brücke die Drohne aus und mache ein paar Aufnahmen. Ein wahnsinnig schöner Blick über den See tut sich auf. Die Sonne wärmt mein Gesicht und macht aus dem Winter einen milden frühlingshaften Tag bei rund 20 Grad.
    Der Rückweg geht deutlich schneller als der Hinweg, auch weil ich jetzt schon die größten Schlaglöcher und besten Wege noch ein wenig im Kopf habe. Ruck zuck bin ich zurück in Pokhara. Ich stelle noch das Moped ab und ruhe mich aus. Am Abend geht’s dann nochmal zum See. In einem kleinen süßen Café mit Blick auf den See, lasse ich meinen Samstag ausklingen.
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  • Hoch hinaus

    December 22, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 14 °C

    Der nächste Tag hier in Pokhara entfaltet sich wie eine Geschichte, die mit jedem Kapitel spannender wird. Der Morgen beginnt früh, die klare Luft trägt den Duft der Berge, als ich mich auf den Weg zum Sarangkot-Berg mache. Die Fahrt dorthin ist schon ein Erlebnis für sich: Der Weg schlängelt sich in Serpentinen die Hänge hinauf, und mit jeder Kurve eröffnet sich ein noch spektakulärerer Blick auf die schneebedeckte Annapurna-Bergkette. Die Gipfel leuchten richtig im Morgenlicht, und es ist kaum zu glauben, dass diese Szenerie real ist.

    Oben angekommen, auf 1500 Metern Höhe, scheint die Welt endlos. Die Sonne wirft ihr goldenes Licht auf die umliegenden Hügel, und der Phewa-See glitzert wie ein riesiger Diamant in der Ferne tief unten im Tal. Alle paar Minuten starten hier oben die Paraglider mit ihren Kunden. Mein Pilot ist Tamsar. Er ist ziemlich klein, sehr aufgeschlossen und nett. Seit 10 Jahren fliegt er jeden Tag hoch oben über dem Tal. Bevor wir an der Reihe sind, frage ich, ob ihm dieser Job Spaß macht. Was er so verdient. Er liebt die Lüfte sagt er. Rund zwei Jahre dauerte die Ausbildung zum Piloten. Denn wer Paragliden möchte, der braucht eine Pilotenelizenz. Der Verdienst lag vor Corona bei 3000 $ im Monat, mehr als ein Arzt in Nepal verdient. Seit Corona sind es nur noch rund 500 $. Die Branche hat sehr gelitten und erholt sich nur sehr sehr mühsam. Wie bei einem Flughafen, gibt es hier zwei Beamte, die die Abflüge regeln. Jeder Pilot mit Lizenz hat einen Start-Slot. Als wir an der Reihe sind bekomme ich die letzten Sicherheitshinweise. „Zu Beginn kleine Schritte, dann auf mein Kommando rennen und auf gar keinen Fall hinsetzen. Du merkst wenn wir abheben, dann erst setzen.“ Ich spüre die Aufregung in mir, während der Gurt des Paragliders befestigt wird. Bei einigen vor uns hat das nämlich nicht gut geklappt. Die Kunden haben sich zu schnell gesetzt und der Start musste dann abgebrochen werden. Inklusive einer Schleiffahrt durchs Gestrüpp. Das will ich vermeiden. Tamsar wartet auf eine kleine Böhe. Dann zieht er an den Seilen, Luft füllt die Kammern des Schirms. Er gibt das Kommando. Wir tippeln los. Dann rennen wir gemeinsam.
    Plötzlich heben wir ab. Kein Motor, keine Turbinen, nur noch die Stille des Himmels und der Wind, der uns trägt. Die Freiheit ist überwältigend. Wir fliegen rund 20 Minuten 1500m über dem Boden. Als wir nach 30 Minuten Richtung Tal gleiten fragt Tamsar, ob ich ein wenig „tanzen“ wolle. Na klar, wenn ich schon mal da bin! Er beginnt und zieht spektakuläre Schrauben und Spiralen in die Luft, und ich lache laut vor Freude. Das ist nochmal ein ganz anderes Erlebnis.
    Von hier oben wirken die Berge des Annapurna-Massivs noch mächtiger, der See darunter friedlicher. Es ist ein Tanz mit dem Wind, ein Moment, der sich einbrennt. Schließlich gleiten wir sanft zur Landung am Ufer des Phewa-Sees. Als meine Füße den Boden berühren, fühle ich mich beflügelt, im wahrsten Sinne des Wortes.

    Am Nachmittag schenke ich meinem Körper Entspannung. Bei den Seeing Hands Nepal empfängt mich ein blinder Masseur mit einem warmen Lächeln. Seine Hände scheinen meine Verspannungen sofort zu spüren, und während er mit gekonnten Griffen arbeitet, spüre ich, wie der Stress der letzten Woche ablässt. Die Massage ist nicht nur eine Wohltat für meinen Körper, sondern auch eine stille Verbindung zu dieser inspirierenden Initiative, die Menschen mit Seebehinderungen in Nepal eine Chance gibt, erwerbstätig zu sein.

    Später am Nachmittag suche ich das The Juicery auf, einen kleinen Rückzugsort mit gemütlicher Atmosphäre und einem Garten, der zum Träumen einlädt. Mit einem dampfenden Kaffee in der Hand beobachte ich, wie die Sonne langsam hinter den Bergen verschwindet. Vögel zwitschern im Hintergrund, und die Zeit scheint stehenzubleiben.

    Der Abend gehört meiner Gastfamilie. Wir sitzen zusammen und teilen Geschichten und Lachen, während die nepalesische Fischsuppe serviert wird. Prakash, der für CBM Deutschland (Christoffel Blinden Mission) arbeitet erzählt von seinen Reisen nach Deutschland und was er so liebt. Bina will unbedingt Berlin besuchen.
    Die Aromen von Ingwer, Knoblauch und frischen Kräutern sind ein Traum. Zum Abschluss werde ich mit einem Glas Apple Brandy überrascht – ein kräftiger, fruchtiger Schnaps, der das Gespräch in Schwung bringt und mich noch tiefer in die Wärme dieser Kultur eintauchen lässt.

    Es ist ein Tag, der mich mit allen Sinnen berührt – die Höhen der Lüfte, die Serpentinen mit ihren Ausblicken, die Ruhe der Massage, die Aromen des Essens und die Herzlichkeit der Menschen.
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  • Panne mitten in Pokhara

    December 23, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 14 °C

    Der heutige Tag ist wirklich geprägt von Unterschieden – eine Mischung aus unvorhergesehenen Momenten, ehrlicher Menschlichkeit und Begegnungen, die einem das Gefühl geben, dass die Welt doch ein Dorf ist.
    Heute beginnt mein Tag mit einer kleinen Herausforderung. Auf dem Weg zu meiner Famulatur im Manipal Hospital, auf einem meiner täglichen Motorroller-Fahrten durch die lebendige Stadt, passiert es: Mitten auf der Straße stirbt mein Roller plötzlich ab. Ein Druck auf den elektrischen Anlasser – nichts. Ein energischer Tritt auf den Kickstarter – wieder nichts. Da bleibt nur eins: schieben.
    „Wer seinen Roller liebt, der schiebt“, sage ich mir selbst und mache mich an die Arbeit. Es sind noch zwei Kilometer bis zum Krankenhaus, aber in der Morgensonne fühlt sich jeder Meter doppelt so lang an.
    Nach einigen Metern schiebe ich an einer kleinen Werkstatt vorbei. Zwei Mechaniker sitzen vor einer offenen Motorhaube, während ein dritter einen Reifen flickt. Ich halte an und frage höflich, ob sie vielleicht kurz Zeit haben, sich meinen Roller anzusehen. Zu meiner Überraschung nicken sie sofort, schieben den Roller an die Werkstatt und beginnen, ihn auseinanderzunehmen. In einer Geschwindigkeit, die ich nur bewundern kann, stellen sie fest, dass die Zündkerze das Problem ist. Zündkerze raus. Neue Zündkerze rein. Innerhalb von zehn Minuten ist der Roller wieder zusammengebaut und fährt.
    Als ich nach den Kosten frage, sagt der Mechaniker mit einem Lächeln: „350.“ Mein europäischer Kopf denkt sofort: 3500 Rupien – na ja, ein stolzer Preis, aber es sind schließlich Handwerker. Doch dann lacht er und korrigiert mich: „Nein, nein, 350!“ Für nicht einmal drei Euro bekomme ich also eine neue Zündkerze und den Reparaturservice. Seine Ehrlichkeit ist bemerkenswert, und ich bin dankbar, dass ich so viel mehr als nur eine reparierte Zündkerze mitnehmen kann – eine Erinnerung daran, dass echte Menschlichkeit überall auf der Welt zu finden ist. Denn ich hatte bereits 3500 Rupien in der Hand. Er hätte sie nur noch nehmen müssen und das Geschäft seines Lebens wäre getan.

    Im Krankenhaus angekommen, erwartet uns ein intensiver Vormittag. Innerhalb einer Stunde kommen drei Patienten mit eindeutiger Symptomatik eines Schlaganfalls. Die Arbeit ist herausfordernd, aber auch unglaublich lehrreich. Zusammen mit den Interns versuchen wir das genau Bild der Symptome herauszufinden. Ein älterer Herr hat den klassischen hängenden Mundwinkel - Hemiparese links.
    Die Dame ende 40 kann ihre komplette linke Seite nicht mehr bewegen - Hemiplegie links. Berührungen an der linken Körperhälfte spürt sie auch nicht mehr. Für beide wird ein CT angemeldet. Leider dauert dies immer viel zu lange für meinen Geschmack. Aber andere Länder andere Sitten. Ohnehin bleibt hier nur die Option einer medikamentösen Behandlung. Der sogenannten Lyse. Dabei versucht man durch ein Medikament den Thrombus, der ein Gefäß verschließt, aufzulösen. Die Gefahr dabei ist, dass die Patienten innere Blutungen zu bekommen. Aber es ist die einzige Rettung. Eine Thrombektomie (Intervention mittels Katheter) ist in diesem Krankenhaus nicht verfügbar. Das nächste Krankenhaus wäre in Kathmandu. Bei einer Blutung im Gehirn könnten die Neurochirurgen hier übernehmen. Beide haben aber keine Blutung, zeigen die CT Bilder, die noch warm sind vom Drucker. Es braucht jetzt mehr als nur einen Arzt oder Ärztin um die Dosis der Lysetherapie zu berechnen. Ich halte mich mal im Hintergrund, weil auch ich in Mathe und Kommarechnung wirklich nicht annähernd Erfolg hatte in meiner Abiturzeit. Glücklicherweise konnte die Dame nach rund 1,5 Stunden ihrer medikamentösen Therapie ihre linke Körperhälfte erst wieder spüren und dann auch bewegen. Das war ein richtiger Erfolg und sorgte für Erleichterung beim Team und auch bei der Familie der Patientin. Beim älteren Herren sieht es dafür nicht ganz so gut aus. Der Mundwinkel hängt noch, es ist aber zum Glück, bei aller Traurigkeit, sein einziges Symptom. Sprechen und Verstehen funktioniert uneingeschränkt. Nach einem langen Tag im Krankenhaus sehne ich mich nach einer Pause und beschließe, in mein Lieblingscafé am See zu gehen.

    Die „Juicery“ ist der perfekte Ort, um abzuschalten und trotzdem produktiv zu sein. Mit einer Tasse dampfendem Kaffee, schnellem WLAN und einem traumhaften Blick auf den Phewa-See setze ich mich an meine Doktorarbeit. Die Ruhe des Ortes wird nur durch das leise Klirren von Geschirr und das Lachen anderer Gäste unterbrochen. Während ich schreibe, entdecke ich ein Schild, das einen Karaoke-Abend ankündigt. „Das könnte ein guter Ausklang für den Tag sein“, denke ich mir und nehme mir vor, später zurückzukommen.

    Am Abend lasse ich mich von den Aromen Nepals verführen. Auf meinem Teller landen gegrilltes Büffelfleisch, unglaublich gut mariniertes Hühnchen und frisch gebackenes Chapati, das ich in würziges Curry tauche. Gesättigt und glücklich mache ich mich auf den Weg zurück in die „Juicery“ zum Karaoke-Abend.

    Die Stimmung ist lebendig, und die Cocktail-Happy-Hour macht es leicht, ins Gespräch zu kommen. An einem großen Tisch finde ich mich bald mit einer bunten Gruppe wieder: Charly und Pallabi, zwei Freiwillige aus Essen, sechs Einheimische und Alex, ein Kanadier, der erst heute in Pokhara angekommen ist. Wir tauschen Geschichten aus, lachen viel, und ich staune, wie schnell man hier neue Leute kennenlernt.
    Auch wenn ich an diesem Abend nicht selbst ans Mikrofon trete, fühle ich mich wie ein Teil der Gemeinschaft. Die Gespräche ziehen sich bis in die Nacht, und ich freue mich schon darauf, viele von ihnen in den nächsten Tagen und Wochen wiederzusehen.
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  • Frohe Weihnachten Officer

    December 24, 2024 in Nepal ⋅ ☁️ 17 °C

    An diesem Morgen liegt Pokhara unter einer leichten Wolkendecke. Es wird heute nicht aufklaren. Ohne die wärmende Sonne, die das Tal erhellt, bleibt die Temperatur unter 20 Grad. Keine weiße Weihnacht – dafür liegt Pokhara zu tief. Leider ist auch der Blick auf die weißen Gipfel des Himalayas verhangen.

    Das Frühstück mit der Familie ist sehr bereichernd. Auch wenn wir kein Weihnachtsfest feiern, ist die Stimmung gut, und Bina und Prakash erzählen, was in den nächsten Tagen in Pokhara los sein wird. Den Auftakt macht das 1. Internationale Hot Air Balloon Festival, das heute beginnt. Bis zum 02.01.2025 werden verschiedene Künstler auf einer Bühne vor den Toren Pokharas auftreten. Die Ballons heben täglich ab. Am Mittag mache ich mich auf den Weg, um schon einmal nachzusehen.
    Da es etwa 15 Minuten mit dem Roller sind, entscheide ich mich heute zu fahren. Dann passiert das, was passieren musste: Ich schlängle mich durch den Verkehr. Plötzlich höre ich eine Trillerpfeife. Eine Hand am Straßenrand geht hoch. Ein junger Mann mit Schirmmütze tritt vor mir auf die Straße und zeigt auf mich. Er weist mich an, links ran zu fahren (Linksverkehr!). Es ist ein Beamter der Verkehrspolizei. Sofort gehen alle Alarmglocken bei mir an, und mein Puls steigt. Ich grüße freundlich und hoffe, dass meine Freundlichkeit vielleicht schon das Gröbste regelt.

    „Good afternoon, Sir. Merry Christmas.“ Der Polizist antwortet mir nicht. Er lächelt nicht einmal. Das kann ja heiter werden. Er will das Fahrtenbuch sehen – ein kleines Heftchen, in dem die Zulassung eingeheftet ist und die offiziellen Stempel der Behörden. Zum Glück hatte Prakash mir am ersten Tag gezeigt, wo ich dieses finde. Immer wieder fragt der Polizist: „Rent?“ und zeigt auf den Roller. Spätestens jetzt wird mir klar, dass er gar kein Englisch spricht. Ich versuche zu erklären, dass es kein Mietroller ist. Ich erwähne Kopila Nepal – so steht es auch im Zulassungsheft.
    Dann ruft er seinen Kollegen hinzu. Ein etwas älterer Polizist kommt dazu. Ich hoffe einfach, dass niemand meinen Führerschein sehen will, denn den habe ich nicht. Für Nepal benötige ich einen internationalen Führerschein. Beantragt habe ich diesen in Deutschland nicht, und somit bin ich tatsächlich ohne Fahrerlaubnis unterwegs. Zumindest formal. Der ältere Polizist fragt, ob ich bei Kopila arbeite. Selbstbewusst, und weil die beiden mich wahrscheinlich ohnehin nicht verstehen, sage ich, ich sei Doktor im Manipal Hospital, und krame meinen Mitarbeiterausweis heraus, den ich von Jivnath bekommen habe.
    Plötzlich lächeln beide. „Ah, Manipal.“ Ich erhalte die Papiere zurück, und die beiden ziehen den nächsten Roller aus dem Verkehr. Das war ja ein Kinderspiel. Der hohe Blutdruck und der schnelle Puls waren völlig unnötig. Man muss seine Vorteile ausspielen – ganz ohne Schmiergeld und mit den beiden Zauberworten „Manipal Hospital“.

    Am Festivalgelände angekommen, präsentieren die Piloten gerade ihre Ballons. Ein wunderbares Bild. Ich nehme mir vor, in den nächsten Tagen zu schauen, ob es möglich ist, mitzufahren.

    Den Abend lasse ich mit den bekannten Gesichtern in der Juicery ausklingen. Bei Live-Musik ist es ein sehr entspannter Heiligabend – ohne Food-Koma und ohne Termine. Tausende Kilometer von zuhause entfernt. Um ein wenig Heimat zu spüren, gibt es dann noch eine Live-Schalte zum Familienfest in Kalkar. Ein bisschen wehmütig wird man dann doch, wenn man nicht dabei ist.

    Frohe Weihnachten!
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  • DJ-Set im Heißluftballon

    December 25, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 13 °C

    Am ersten Weihnachtstag habe ich mir den Luxus gegönnt, auszuschlafen. Die ruhige Morgenluft und das sanfte Licht, das durch die Vorhänge fiel, ließen mich den Tag entspannt beginnen. Nach einem späten Frühstück machte ich mich auf den Weg zum Kahun Hügel, einem der weniger bekannten Aussichtspunkte in Pokhara.

    Der Aufstieg begann sanft, doch bald wurde der Weg steiler und anspruchsvoller. Die schmalen Pfade waren stellenweise von losem Geröll bedeckt, und ich musste aufpassen, nicht ins Rutschen zu geraten. Die Stille des Waldes, nur unterbrochen vom Zwitschern der Vögel und gelegentlichen Windstößen, die durch die Bäume rauschten, begleitete mich.

    Obwohl der Weg anstrengend war, trieb mich die Aussicht auf die versprochene Schönheit oben an. Und tatsächlich – als ich den Gipfel erreichte, wurde ich belohnt. Vor mir erstreckte sich ein atemberaubendes Panorama: Die schneebedeckten Gipfel des Annapurna-Massivs glitzerten in der Ferne, während der Phewa-See tief unten im Tal in der Sonne funkelte. Pokhara lag wie eine ruhige Oase dazwischen, umgeben von sanften Hügeln und üppigem Grün.
    Ich blieb eine Weile dort oben, um die Aussicht in mich aufzunehmen, die klare Bergluft zu atmen und die Ruhe zu genießen. Der beschwerliche Weg hatte sich mehr als gelohnt. Ein wenig komme ich hier auch auf andere Gedanken, denn Instagram ist voller Weihnachtsfeiern und Menschen, die sich zu Weihnachten wieder sehen. Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass da kein Heimweh aufkommt.

    Am Abend rundete ein besonderes Ereignis diesen Tag perfekt ab: das Internationale Heißluftballon Festival. Der Veranstaltungsort war voller Leben, mit Menschen aus aller Welt, die sich versammelt hatten, um die Pracht der Heißluftballons zu bewundern. Die Ballons, in allen erdenklichen Farben und Mustern, wurden startklar gemacht, während sich langsam die Dunkelheit über die Stadt legte. Ein DJ-Set untermalte die Szene mit rhythmischen Beats, und die Atmosphäre vibrierte vor Energie. Die beiden DJs die aus Kathmandu angereist sind, spielen das Set natürlich aus einem Heißluftballon und die Menge tobt.
    Die glühenden Ballons, beleuchtet von ihren Flammen, tauchten den Himmel in ein kleines Farbenspiel. Es war die perfekte Mischung aus Tradition und moderner Lebendigkeit. Der Abend klang mit Musik, Lachen und einem Gefühl von Staunen aus – ein unvergesslicher Abschluss dieses etwas anderen Weihnachtstags.
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  • Kopila Nepal

    December 26, 2024 in Nepal ⋅ ☀️ 20 °C

    Mein Tag startet mit einem schnellen Frühstück. Ich bin kein großer Frühstücksmensch. Mein Tag dürfte gerne auch ab 10 beginnen. Aber 7:30 ist nun mal gesetzt und um 8:30 bin ich in der Klinik. Wenn ich nicht wüsste, dass es der zweite Weihnachtstag ist, würde ich es unterwegs und im Krankenhaus gar nicht merken. Nur in LakeSide, dem Touristenviertel ist alles geschmückt und leuchtet.
    In den letzten Tagen habe ich einiges an Krankheitsbildern gesehen. Was durchaus häufiger vor kommt, sind Bissverletzungen. Vor allem die freilaufenden und wilden Hunde hier schnappen scheinbar gerne mal zu. Sie Streuner durch die ganze Stadt. Es gibt eine Menge von ihnen.
    Der Patient, der sich vorstellt, wurde von einem dieser Hunde gebissen. Leider ist es allerdings drei Tage her. Die Wunde hat sich massiv entzündet. Die Bisswunden sind einseitig zu erkennen. Beim Versuch seine Hand zu säubern und zu desinfizieren fangen die kleinen Löcher, die die spitzen Zähne hinterlassen haben erneut an zu bluten. Für den Mann ist die Prognose schwierig. Er ist Diabetiker, was auch dazu beiträgt, dass die Wunde nicht gut abheilt. Dazu nimmt er ASS100, ein Blutverdünner. Alles zusammen macht diesen Fall eben doch nicht so alltäglich.
    Der Patient wird mit Schutzimpfungen gegen Tetanus und auch gegen Tollwut versorgt. Anschließend geht’s zum Röntgen. Sollte dabei nichts heraus kommen wird er entlassen. In der Hoffnung, dass die Infektion abklingt. Ansonsten müssen die Chirurgen ran …

    Nach meiner Schicht, bin ich mit Bina, verabredet. Ich hatte ganz zu Beginn erwähnt, dass sie eine NGO gegründet hat. Ein Teil meiner Miete bei ihnen im Haus geht direkt in diese Organisation, was ich sehr gut finde. Sie hat mich eingeladen eines der Häuser zu sehen.
    Kopila Nepal wurde von Bina ins Leben gerufen um Kinder und Frauen, die Gewalt oder Misshandlung in der Familie erlebt haben einen sicheren Ort zu geben. Gleichzeit werden diese von Psychologen betreut. Ziel ist es, dass die Frauen und Kinder einen Weg in ihre Familien zurückfinden, mit mehr selbstbewusst sein, mit mehr Sicherheit und mit dem nötigen Respekt ihnen gegenüber.
    Ich treffe Bina in ihrem Büro. Ein einfach eingerichteter Raum mit zwei Arbeitsplätzen. An den Wänden hängen eine Menge Zertifikate und Auszeichnungen. Einige davon von der UN und der WHO. 2001 hat Bina diese NGO gegründet. Ich frage sie, ob es wirklich so nötig war, denn ich habe gedacht, dass die Menschen aufgrund des Hinduismus sehr friedlich leben. Der Buddhismus, auch als eine friedliche Religion bekannt, hat bei mir ähnliche Assoziationen ausgelöst. Bina allerdings sagt, dass Nepal nach außen und für Touristen als friedliches und friedliebendes Volk bekannt ist. Dieser Schein wird sehr intensiv aufrecht erhalten. Allerdings ist häusliche Gewalt und auch Gewalt in Schulen weit verbreitet und obwohl es seit einigen Jahren klare Gesetze gibt, wird es nicht gelebt. Das führt dazu, dass jede zweite Frau in Nepal einmal selbe körperliche oder sexuelle häusliche Gewalt selbst erlebt hat oder mitansehen musste. Besonders für Kinder ist dies sehr traumatisch. Ninas Mitarbeitende sind überwiegend Ehrenamtliche Menschen. Sie fahren in abgelegene Dörfer und klären Menschen auf. Sprechen mit Frauen und entscheiden zusammen mit den Behörden vor Ort wann es nötig ist Kinder oder Frauen anzubieten in die Obhut von Kopila Nepal mitzunehmen. Das Ziel ist es, die Kinder und Frauen mental zu stärken, aufzuklären und als mündige Frauen, die sich wehren zurück in die Familien zu integrieren falls das gewünscht ist. Wenn vor allem Frauen dies ablehnen hilft Kopila Nepal dabei, eine neue bleibe und ein neues Leben aufzubauen und Kontakte in einem neuen Umfeld zu knüpfen.
    In einem der Häuser, in dem ich heute zu Besuch bin leben vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen und geistig Behinderte. Viele Familien stoßen diese aus der Familie aus oder wollen nicht, dass diese gesehen werden. Hier werden sie betreut, gepflegt und therapiert. Neben den Psychotherapien die wöchentlich stattfinden existiert eine Bibliothek, eine Nähstube, eine Gemeinschaftsküche und eine Computer Ecke. Denn die Bewohner gehen auch zur Schule oder machen eine Ausbildung.
    Eine der Bewohnerinnen spricht mich an. Es ist eine ältere Dame. Sie hat lange in Amerika gelebt und kommt aus gutem Hause. Als sie psychisch erkrankt ist, hat sie den Alltag nicht mehr geschafft. Sie war überfordert und auch die Familie hatte keine Kapazität sie den ganzen Tag zu betreuen. Hier im shelter fühlt sie sich wohl. Alles ist ruhig und geordnet. Nicht so wie das Leben draußen sagt sie. Bina verrät mir, dass diese Dane seit 4 Jahren hier lebt und eine Rückführung in die Familie mehrfach gescheitert ist. Man muss dazu wissen, das psychische Erkrankungen in Nepal keine Rolle spielen. Die meisten Menschen sehen es nicht ein, dass psychische Erkrankungen existieren. Demnach gibt es kaum Anlaufstellen für diese Menschen.
    Angefangen mit zwei Schulen für Familien, die sich die Schulgebühren nicht leisten konnten, bis hin zu 4 Sheltern in denen verschiedene Schwerpunkte behandelt werden hat Bina seit 2001 tolle Arbeit geleistet. Ein wirklich spannendes Projekt. Die Finanzierung durch die UN läuft Ende dieses Jahres leider aus. Wer also noch Buße tun will, ich stell gern den Kontakt her 😌
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  • Voll auf die Zwölf

    December 27, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 14 °C

    Der Abend nimmt eine brutale Wendung. Aber von vorn: Heute habe ich eine Wanderung zur Pumdikot Shiva-Statue unternommen, zusammen mit Alex, einem Kanadier, und Omar, einem Spanier, die ich beim Karaoke kennengelernt hatte. Die Chemie zwischen uns passte von Anfang an, und so verabredeten wir uns für den gemeinsamen Trek hoch.
    Am Morgen starteten wir den Tag entspannt mit einem Frühstück in der Stadt, bevor wir uns mit einem Ruderboot über den Phewa-See bringen ließen. Es war ein malerischer Beginn unserer Wanderung. Das stille Wasser des Sees und die imposante Kulisse der umliegenden Berge gaben uns schon das Gefühl, dass es ein super Tag werden würde.

    Unsere erste Station war die World Peace Pagode. Von dort genossen wir einen atemberaubenden Ausblick auf Pokhara und den Phewa-See, bevor wir uns auf den Weg zur Pumdikot Shiva-Statue machten. Die Statue selbst, majestätisch auf einem Hügel gelegen, war ein imposanter Anblick – eine Mischung aus Spiritualität, Fabel und Natur.

    Ich nutzte die Gelegenheit auch, um meine neuen Wanderschuhe einzulaufen. Diese Schuhe zu finden, war allerdings eine echte Herausforderung. Weil ich auf großem Fuße lebe, habe ich mehrere Tage gebraucht um welche zu finden. Mit meiner Größe 46 war es fast unmöglich, in Pokhara etwas Passendes aufzutreiben, da die meisten Nepalesen sehr klein sind und entsprechend kleinere Schuhgrößen tragen. In den meisten Läden hörte das Angebot bei Größe 43 auf, was mich schon fast verzweifeln ließ. Umso glücklicher war ich, als ich schließlich doch ein Paar ergatterte. Sie waren anfangs noch etwas steif, aber der abwechslungsreiche Weg bot genug Gelegenheit, sie ausgiebig zu testen. Am Ende des Tages war ich froh, mich für sie entschieden zu haben – keine einzige Blase!

    Der Weg zurück war mir bereits vertraut, da ich ihn schon in meiner ersten Woche in Pokhara erkundet hatte. Doch in der Gesellschaft von Alex und Omar war es eine schöne Abwechslung.
    Zurück in Lakeside wurden wir von lauter Musik und der Aufregung einer Menschenmenge angezogen. Omar und ich waren neugierig und beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen. Zu unserer Überraschung landeten wir bei einem öffentlichen Boxkampf – und es war alles andere als gewöhnlich. Es handelte sich um einen Muay-Thai-Kampf zwischen zwei Frauen, die sich nichts schenkten. Es war brutal und gleichzeitig faszinierend zu sehen, wie technisch und kraftvoll die Kämpferinnen waren. Die Menge tobte vor Begeisterung, und die Atmosphäre war elektrisierend. Mehrfach trafen beide Frauen mitten ins gesicht. Auch der Ellbogen und die Füße trafen das gegnerische Gesicht des öfteren. Autsch! Es war ein echtes Spektakel, das den Tag auf unerwartete Weise abrundete.

    Müde, aber zufrieden und voller Eindrücke, ließ ich den Tag ausklingen und fiel ins Bett.
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  • 26. Pokhara Street Festival

    December 28, 2024 in Nepal ⋅ ☁️ 14 °C

    Heute geht’s in Pokhara mit einem echten Highlight zum Jahreswechsel los. Ich habe das Pokhara Street Festival besucht, eines der größten und aufregendsten Ereignisse in der Region. Es ist Nepals größtes Streetfestival. Ganz Nepal soll hier her kommen meint Bina. Das Festival findet jedes Jahr in Lakeside statt und verwandelt die Straßen in eine einzige große Feier. Vom 28. Dezember bis zum 1. Januar wird hier mit Musik, Tanz, Essen und Kultur der Jahreswechsel gefeiert.
    Mein Tag beginnt mit der großen Parade, die das Festival offiziell eröffnet. Die Straßen waren voller Menschen, die sich begeistert die Aufführungen der verschiedenen kulturellen Gruppen anschauten. Es gab traditionelle Tänze, farbenfrohe Trachten und Musik, die die Vielfalt Nepals beeindruckend widerspiegelte. Die Stimmung war lebendig, und man konnte die Energie förmlich spüren. Die Trommler, die Trompeten. Alle Teilnehmenden haben sich wohl auf diesen Tag gefreut.
    Während des Festivals ist der gesamte Bereich von Lakeside für den Verkehr gesperrt. Vom Fishtail Gate im Norden bis Jarebar im Süden dürfen auf rund 2 Km keine Autos fahren, was die Atmosphäre noch entspannter und einladender macht. Ohne den Verkehr kann man ungestört durch die Straßen schlendern, die von unzähligen Essensständen gesäumt waren. Es ist wirklich beeindruckend, wie viele verschiedene Gerichte hier angeboten werden – von nepalesischen Klassikern bis hin zu internationalen Spezialitäten. Das Motto „Eat in the streets, Enjoy in the streets“ wird hier absolut ausgelebt!

    Der Abend war definitiv das Highlight des Tages. Die Straßen waren von Lichtern erleuchtet, und überall spielen Live-Bands, während die Menschen tanzen und die festliche Stimmung genossen. Es war fast unmöglich, stillzustehen – die Musik hat einen immer wieder mitgerissen. Neben den musikalischen Darbietungen gab es auch Straßenshows, Tanzaufführungen und kleine Kunsthandwerksstände. Was wirklich überhand nimmt ist das Glücksspiel hier. An jedem zweiten Stand kann man sein Geld verwetten. Entweder mit Geschick, indem man mit einem Ball durch ein aufgebautes Tor schießt, Oder mit ein wenig Glück beim Dart. Alles völlig legal und in jedem Alter möglich.

    Das Pokhara Street Festival ist viel mehr als nur ein Event – es ist ein Treffen von Menschen aus aller Welt, die zusammen feiern. Es bringt die lokale Gemeinschaft und Touristen zusammen und zeigt die kulturelle Vielfalt dieser Region. Organisiert wird das Ganze von der Restaurant and Bar Association Pokhara (REBAN), und es ist deutlich zu spüren, wie viel Herzblut dahintersteckt.

    Am Ende des Abends merke ich, dass meine soziale Batterie langsam aufgebraucht ist. Ich lerne jeden Tag Menschen aus aller Welt kennen, die super interessant und sehr herzlich sind. Aber ich beschließe heute, die nächsten Tage allein zu verbringen und noch einige Dinge zu tun, die ich mir vorgenommen habe. Auch das Vakuum zwischen Weihnachten und Silvester geht an mir nicht vorbei. Mir fehlt die heimische Umgebung. Ganz gut also die nächsten Tage ruhiger angehen zu lassen. Zudem möchte ich am 31.12. auch fit sein. Denn das ist der Höhepunkt hier in Pokhara. Dann wieder in Gemeinschaft.
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  • Forensik und Festival

    December 30, 2024 in Nepal ⋅ ⛅ 13 °C

    Gestern und heute habe ich mich ein wenig zurückgezogen und einige dringende Anliegen erledigt. Zum einen brauchte der Guide die Unterlagen für eine längere Wanderung durchs Annapurna-Gebirge, zum anderen habe ich noch einmal alle benötigten Unterschriften für mein Famulaturzeugnis eingeholt.

    Die Arbeit der Forensiker ist wirklich spannend. Was Bina und ich befürchtet haben, ist schneller als gedacht eingetreten: Die forensischen Mitarbeitenden haben nicht nur die Aufgabe, Todesursachen mittels Obduktionen zu klären. Auch die Sicherung von Spuren an Körpern ist ein essenzieller Teil der Arbeit. Dabei handelt es sich oft um Verletzungen nach Schlägereien oder Überfällen auf Personen. Aber auch Opfer häuslicher Gewalt und sexueller Übergriffe kommen vor. Bei sexuellen Übergriffen oder Misshandlungen stehen den Forensikern stets Gynäkologen oder Urologen zur Seite. Ein Kollege berichtete mir, dass gerade während des Streetfestivals die Arbeit zunimmt. Viele Menschen kommen nach Pokhara, viele konsumieren – nicht nur Alkohol , und das Konfliktpotenzial steigt. Wir werden sehen.
    Das Streetfestival ist ein guter Ausgleich nach der Famulatur. Von der forensischen Abteilung bin ich direkt auf dem Weg in die Stadt. Heute findet auch ein Drachenbootrennen statt. 18 Teams aus verschiedenen, überwiegend asiatischen Ländern nehmen daran teil. Die handgeschnitzten Boote wippen auf dem Wasser auf und ab. Die Sportler stechen ihre Paddel ins Wasser und versuchen, als Erste die Ziellinie zu überqueren. Vorne sitzt ein Taktgeber, der in einem konstanten Rhythmus auf eine kleine Trommel schlägt. Hinten steht ein Steuermann. Die chinesischen Teams sind in der Überzahl und gewinnen hier souverän.

    In „The Juicery“ bin ich mittlerweile Stammkunde. Hier arbeite ich stundenweise an meiner Doktorarbeit. Der Kaffee ist gut, und das Essen ist noch besser.

    Abends gibt es dann leckere nepalesische Küche bei Bina und Prakash. Und so vergeht die Zeit. Noch einige Tage Famulatur, und dann beginnt wieder das nächste Abenteuer.
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  • Happy New Year

    December 31, 2024 in Nepal ⋅ 🌙 10 °C

    Es geht los. Der Countdown in ein neues wunderbares Jahr beginnt. Pokhara ist überlaufen von Menschen aus ganz Nepal und der ganzen Welt. Überall ist Musik zu hören. Die Innenstadt ist immernoch für den gesamten Autoverkehr gesperrt. Jetzt ist Zeit zu feiern.
    Bevor ich mich mit Alex und Omar treffe, schaue im im Juicery vorbei. Ein Sänger, der hier öfter Livemusik macht hatte mir bei Instagram geschrieben. Er spielt heute wieder und hat mich eingeladen dazu zu kommen. Bevor ich mich ins Nachtleben stürze, werde ich kurz dort vorbei schauen und ihm einen guten Start ins neue Jahr wünschen.
    Nachdem ich ein wenig gegessen und der Musik gelauscht habe, mache ich mich auf den Weg zu Omar und Alex. Die beiden sind in einem Hostel untergekommen. Von der Hauptstraße aus, verrät nur ein kleines Schild, dass dort ein Hostel ist. Der kleine Gang zwischen zwei Häusern führt in die 3. oder 4. Häuserreihe. Abseits des Trubels der Hauptstraße, auf der hunderte von Menschen flanieren, gibt es hier eine kleine Party. Als ich das Gelände betrete ist es noch recht ruhig. Schwarzlicht und eine Menge leuchtender Farben verraten, dass hier die Party sein wird. Ein DJ spielt entspannte Musik. Wir drei entscheiden einfach hier zu bleiben. Nach und nach füllt sich der Innenhof und die Musik wird stressiger und lauter. Jetzt ist es ein handfester Rave. Und wie ich da so stehe, beobachte ich die Menschen. Touristen und Einheimische gleichermaßen. Es ist noch keine 12 und die ersten Menschen direkt vorne vom DJ scheinen nicht mehr viel von der Umwelt mitzubekommen. Sie bewegen sich runden Beats und scheinen in ihrer eigenen kleinen Welt zu sein. Dazu passen die ganzen Neonfarben. Hier ist definitiv mehr als nur Alkohol im Spiel. Ich bin gespannt was das gibt.
    Gegen 12 entscheiden wir uns an den See zu gehen und schauen uns das Feuerwerk hier vor Ort an. Anschließend geht’s zurück und wir feiern ins neue Jahr.
    Der Heimweg war gruselig. Tatsächlich kommen mir Gruppen junger Männer und Frauen entgegen, die betrunken taumeln und einen immer wieder ansprechen. Da ich sie aber nicht verstehe, versuche ich mich nett aus allem rauszuhalten. Ich bin wirklich schon viele einsame Wege nach Hause gelaufen. Dieser hier war einer der gruseligsten. Gegen 3 bin ich zuhause und völlig fertig. Schon am Vorabend hatte ich leichte Symptome. Wenn ich gewusst hätte was mich die nächsten Tage erwartet, vielleicht hätte ich es ruhiger angehen lassen…

    Happy New Year !
    Wünsche euch alles Glück der Welt und Gesundheit. Natürlich auch immer ne Handbreit Wasser unterm Kiel
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  • Fiebertraum ins neue Jahr

    January 2 in Nepal ⋅ 🌙 12 °C

    Der Morgen am 01.01.25 brachte leider hohes Fieber und andere weitere unschöne Symptome. Die letzten beiden Tage war also Bettruhe angesagt. Jetzt muss ich erstmal fit werden. In knapp 2 Wochen soll es ins Gebirge gehen. Dafür muss ich fit sein. Dafür gibts nochmal ein Archiv Bild.
    Mittlerweile ist das Fieber zurückgegangen. Hoffentlich wird die nächste Nacht ein wenig entspannter und erholsamer.
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  • Goodbye Manipal

    January 3 in Nepal ⋅ ☀️ 20 °C

    Der letzte Tag im Manipal Hospital war kein richtiger Arbeitstag mehr. Ich habe die Zeit genutzt, um mich von den vielen Menschen, die ich über die Zeit hier kennenlernen durfte, zu verabschieden. Außerdem habe ich mein Material und auch meine Arbeitskleidung hier gelassen. Das spart mir zum einen Gepäck, und die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind dankbar für sterile Handschuhe, Einmalhandschuhe sowie FFP2-Masken.

    Das eigentliche Highlight an diesem Tag stand aber noch aus. Bina hatte mich zu Beginn meiner Reise hier in Nepal gebeten, ob ich bei Kopila Nepal einen kleinen Vortrag über das deutsche Gesundheitssystem halten könne. Der Schwerpunkt sollte dabei auf psychischer Gesundheit liegen. Ich habe – wie immer – zugesagt. Nach ein paar Tagen hatte ich Bina noch gefragt, welche Zielgruppe dort sitzen wird und wie lange der Vortrag dauern soll. Mit einem Lächeln sagte sie, dass Psychiaterinnen und Psychotherapeutinnen, mit denen sie kooperiert, anwesend sein werden. Sie planen mich für zwei Stunden ein. Na super … zugesagt ist zugesagt.

    Weil ich aber nicht jede Info recherchieren wollte, habe ich ChatGPT bemüht, mir die Präsentation zu erstellen. Wie immer war darauf Verlass. Ein paar Fakten habe ich noch gegengeprüft, aber die KI arbeitet schon zuverlässig.

    So stand ich um 16 Uhr in einem Konferenzraum im Gebäude von Kopila Nepal und startete mit meinem Vortrag. Zu Beginn war ich noch etwas nervös, vor allem wegen meiner Englischkenntnisse, aber ich kam dann in den Flow und war selbst überrascht, wie entspannt mir das Englisch mittlerweile von der Zunge geht. Dafür, dass es über 10 Jahre her ist, dass ich es zuletzt mal vernünftig gelernt habe … wobei selbst damals nicht wirklich davon gesprochen werden kann, dass ich es gelernt habe. Im Englischunterricht war ich selten anwesend. Wie dem auch sei: Es entstand ein spannender Austausch, und die anwesenden Kolleginnen waren sehr interessiert. Besonders der Teil über unser Rettungswesen in Deutschland sorgte für Staunen.

    „Davon träumt man hier“, sagten sie. So etwas wie eine Leitstelle haben sie noch nie gesehen, und die Bilder aus der Leitstelle Frankfurt hinterließen bleibenden Eindruck. Ich habe generell versucht, mehr frei zu sprechen und viele Bilder sowie Stichpunkte zu verwenden. Für die Kolleginnen, die noch nie im Ausland waren, war es dadurch viel leichter nachzuvollziehen, was sie sich unter unserem Gesundheitssystem vorstellen können.

    Ein Satz wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben:
    „Wenn jemand einen medizinischen Notfall hat, kommt jemand und hilft? In Nepal stirbst du, wenn du nicht irgendwie ins Krankenhaus kommst.“
    In dem Moment war ich sehr demütig. Was kann man darauf wohl antworten. Ich habe die Stille zugelassen und diesen Satz so stehen lassen.
    Das fasst ganz gut zusammen, wie die Versorgung in Nepal ist. Das gilt noch viel mehr für psychische Notfälle. Gerade mal eine Handvoll Psychiaterinnen gibt es in Pokhara (500.000 Einwohner), und Psychotherapeutinnen kann sich kaum jemand leisten.

    Am Ende wird auch klar: Der Fisch stinkt vom Kopf. Die Politik verspricht vieles, setzt aber das Wenigste um. Am Ende scheitert es immer wieder am Geld.

    Nachdem ich mir den Mund trocken geredet habe, mache ich mich auf den Heimweg – Abendessen mit Bina und Prakash. Danach falle ich ins Bett. Ich bin noch geschafft von meiner Fieberepisode, aber so richtig will der Schlaf nicht kommen …

    Die Bilder vom Vortrag bekomme ich die Tage von Bina und reiche sie dann nach.
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