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  • Day 67

    Medellin

    July 6, 2023 in Colombia ⋅ ☁️ 24 °C

    Die Reise nach Medellin ist ein Abenteuer. Als wir die Karibikküste verlassen wird es gerade Nacht. Wir fahren an unzähligen Häusern, Siedlungen und Dörfern vorbei. Ich kann jeweils für Sekunden in fremde Leben hineinschauen. Die Kolumbianer verbringen viel Zeit sitzend vor ihren Häusern.

    20 Stunden später fahren wir von der grünen Hochebene runter ins Tal wo sich die Millionenstadt Medellin auftut.
    Mit dem Taxi fahre ich ins Quartier Laureles, wo ich erschöpft ins Hotelbett liege und einfach nur froh bin endlich angekommen zu sein. In den ersten Tagen erkunde ich die Stadt, ich besuche die berühmte Comuna 13, die Altstadt, Second Hand Märkte und die Seilbahn, die einen in die ärmeren Barrios oben in den Hängen führt.

    Um mein Spanisch aufzubessern, besuche ich einen zwei wöchigen Sprachkurs im trendigen Viertel El Poblado. Ich nehme jeden Morgen die (überfüllte) Metro durch die halbe Stadt und muss noch 20 Minuten zur Schule hochlaufen. Durch diesen regelmässigen „Arbeitsweg“ tauche ich nochmals tiefer in das Leben der „Paisas“ (so nennen sich die Menschen aus Medellin) ein und komme dem Puls der Stadt näher. Die Schule ist sympathisch und engagiert. In meiner Klasse sind andere Touristen aus: Israel, Amerika, Frankreich, Kanada, Holland und Südafrika. Am Nachmittag gibt es jeweils ein freiwilliges Programm wie Ausflüge, Museumsbesuche, Tanzkurs, Kochen oder Fussball.

    Ich gehe zwei Mal Fussball spielen. Wir fahren mit dem Taxi zu einem riesigen Einkaufszentrum. Im 3.Stock sind vier mittelgrosse Fussballfelder mit Kunstrasen, Tribünen und einer „Sportbar“.
    Es ist 15 Uhr und unglaublich heiss. Nach 10 Minuten spielen bin ich schon so erschöpft, dass ich in’s Tor wechsle. Ich bin mir Sport bei dieser Hitze nicht gewöhnt.
    Das zweite Fussball Angebot findet glücklicherweise am Abend, wo es schon dunkel ist, statt. Meine Manschaft spielt gut, wir haben ein schönes Zusammenspiel und ich schiesse einige Tore. Einmal stosse ich mit einem Gegenspieler zusammen und falle auf den Boden. Es schmerzt im linken Oberschenkel und die Knie bluten (Kunstrasen ist eine ziemlich grobe Angelegenheit, wenn man hinfällt). Ich stehe wieder auf und spiele ohne Sorgen weiter. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiss oder realisiere: ich habe mir gerade den linken Oberschenkelmuskel gezerrt. Diese Verletzung wird mir im Verlauf der Reise noch viele Schmerzen und Sorgen bereiten.

    Medellin ist eine laute, pulsierende und verrückte Stadt. Es gibt viele Menschen die um’s überleben Kämpfen, das Bild des Struggles ist allgegenwärtig. Ich habe mich trotzdem immer wohl und angenommen gefühlt. Die Menschen waren sehr freundlich und offen zu mir. Ich durfte unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebenssituationen kennenlernen. So verbringe ich einmal eine Stunde mit einem Jungen, der in der Strasse lebt und dort von Banditen angeschossen wurde. Sie mussten eine Notoperation machen und ihm am Hals eine Kanüle zum Atmen installieren. Er spricht mich an im Park, fragt für Münz. Ich bin müde und gerade etwas genervt vom vielen angebettelt zu werden. Ich sage ihm, dass ich kein Geld gebe. Frage ihn aber, ob er meinen Jugo fertig trinken wolle. Dankend nimmt er ihn und wir kommen ins Gespräch. Nachdem wir uns etwas ausgetauscht haben fragt er mich, ob ich für sein Business den Startkredit zur Verfügung stellen könne. Ich willige ein und wir laufen zu einem Laden wo er mit meinem Geld zwei Säcke mit Lollipops und anderen Süssigkeiten kauft. Diese verkauft er dann auf der Strasse weiter. Er führt mich durch die Stadt zum „Plaza de la Luz“ und erzählt mir von den Menschen in Medellin und seiner Familie. Dabei wird er sehr traurig. Er kam nach Medellin um Geld zu verdienen und landete in den Drogen. Er vermisst seine Familie sehr, wird aber von dieser nicht mehr akzeptiert, weil er ein „Drogato“ geworden ist.
    Sein T-Shirt ist dreckig (auch vom Schleim seiner Kanüle) und sein Gesicht tätowiert. Ich beschliesse ihm ein neues T-Shirt zu kaufen. Er liest eines aus. Bei einem der unzähligen Baseballcap-Stände zahle ich ihm noch ein Cap. Er entscheidet sich für ein schwarzes mit der Aufschrift BMW. Er strahlt und bedankt sich bei mir mit den Worten: „nun sehe ich wieder anständig aus und kann in meinem Business (Bonbon verkaufen) erfolgreicher sein“. Er begleitet mich noch zur Metrostation, macht für mich die richtige Metro ausfindig und verschwindet danach, so schnell wie er aufgetauch ist, wieder in der Menschenmasse.
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