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  • Day 32

    Nachlese

    November 17, 2019 in Germany ⋅ 🌙 0 °C

    Jetzt bin ich wieder eine Woche zu Hause und schwelge noch in den Erinnerungen an die Reise. Die ersten Tage wieder bei der Arbeit habe ich größtenteils damit verbracht, den Kollegen von meiner Reise zu erzählen. Viele waren wirklich sehr interessiert! Das Erzählen hat mir selbst erlaubt, die Reise nochmals nachzuerleben :)

    Im Nachhinein lese ich nochmal viel über die Inseln, den Bildband, aber auch die Internet-Berichte in der Presse. Dabei stoße ich wieder auf die Presseberichte aus 2004 mit den Prozessen zu Vergewaltigungen von Kindern auf der Insel. Nachdem ich auf Pitcairn war und die Menschen persönlich kennen gelernt habe, berühren mich diese Berichte deutlich mehr!

    Shawn Christian war damals einer der Verurteilten. Zu denken, dass Michele Shawn kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis kennengelernt hat, wirft ein total neues Licht auf das Paar. Wie ist sie mit dieser „Vergangenheit“ umgegangen? Wie lebt Shawn heute mit seiner eigenen Geschichte? Ich selbst habe ihn wirklich als sehr hilfsbereiten und offenen Menschen kennengelernt, eigentlich als jemanden, von dem man denken könnte, er kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Diese Widersprüche machen mich sehr nachdenklich. Dennis, der Postbeamte von Pitcairn, war damals der Einzige, der laut der Berichte echte Reue gezeigt hatte und daher nur milde beatraft wurde.

    Und dann ist da noch die Erzählung einer Fotografin, die vor einiger Zeit 3 Monate auf der Insel verbrachte. Im Gegensatz zu uns, die „hofiert“ wurden, hatte sie es schwer und kam sie sich ziemlich isoliert vor. Die Bevölkerung verhielt sich offenbar sehr abweisend ihr gegenüber. Und sie wurde von David sexuell bedrängt. David, der uns auf der Silver supporter nach Mangareva begleitet hatte. Auch hier wieder Ambivalenz!

    Ja, das Leben auf Pitcairn hat viele Facetten! Und einige sind auch dunkler. Für mich bestätigt sich, dass das Leben in einer so abgeschiedenen kleinen Gemeinschaft eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, die von der Außenwelt nur schwer nach zu vollziehen sind. Nachdem ich auf der Insel war, kann ich irgendwie “verstehen“, dass dem puren Überleben in dieser Isolation alles andere untergeordnet wird. Letztlich müssen alle zusammen halten - gemeinsam überleben oder gemeinsam untergehen - so krass das auch klingt. Man kann sich als einzelner nur ganz schwer abgrenzen - oder eben auswandern. Wie würde ich mich in ähnlicher Lage verhalten?

    Da denke ich wieder an Hanna und ihre Familie. Bestimmt kennt sie ja auch die Gerichtsprozesse von 2004. Jetzt würde ich gern nochmal mit ihr darüber sprechen. Ja, dafür benötigt man einfach mehr Zeit!

    Das Lesen der Presseberichte schmälert zwar keinesfalls die Erlebnisse vor Ort. Es vervollständigt aber das Bild und nimmt etwas von der Verklärung weg, die Pitcairn durch die Hollywood Verfilmungen erhalten hat!
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