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  • Day 421

    Ein Berg in 36 Ansichten

    December 4, 2023 in Japan ⋅ ☀️ 7 °C

    Die letzte Woche auf dem Weg nach Tokio steht ganz im Zeichen eines Berges. Schon aus über 100 Kilometern, als wir noch an der Küste unterwegs sind, können wir den imposanten, schneebedeckten Gipfel des markantesten Berges Japans - vielleicht sogar der ganzen Welt - weit über allen ihn umgebenden Bergen sehen. Über die nächsten zwei Tage radeln wir durch Küstenstädte und Teeplantagen stets auf den Berg zu und bestaunen die wachsende Silhouette und die sich im Tagesverlauf wandelnden Lichteffekte und Wolkenformationen.

    Doch die Fahrt zum Fuji läuft nicht ganz ohne Hindernisse: Noch am Pazifik gibt Elias' Umwerfer den Geist auf und hängt nach einem blechernen Krachen nur noch traurig an der Kette. Zum Glück sind wir noch in der Großstadt Shizuoka und finden in einem Radladen ein passendes Ersatzteil. Vom Hersteller ist es zwar nicht für dieses Schaltwerk empfohlen und der Mechaniker will uns schon wieder fortschicken, doch nach etwas Überzeugungsarbeit unsererseits baut er es zügig ein und siehe da, natürlich funktioniert es fast perfekt.

    Das ist auch gut so, denn ausgerechnet für diesen Tag haben wir einen Zeltplatz an einem See direkt vor dem Fuji reserviert. Mit etwas Verspätung radeln wir den Anstieg rund um den Berg hinauf. Selbst im Dunkeln vermittelt die Silhouette vor dem sternenbehangenen Himmel einen majestätisch Eindruck.

    Erst am nächsten Tag offenbart sich aber die volle Pracht unseres Zeltplatzes: Der Sonnenaufgang malt goldene Muster auf den Berg und wir spazieren zwischen beraureiften Bäumen um den glatten See, in dem sich der Berg spiegelt.

    Der Fuji hat schon lange eine wichtige kulturelle und spirituelle Bedeutung für Japan. Wir können das gut nachvollziehen: Der symmetrische Kegel mit der weiß gepuderten Kuppe zieht uns schnell in seinen Bann. Aus allen Blickwinkeln machen wir Fotos - jeweils mindestens 36 unterschiedliche Motive. Damit stehen wir in der Tradition der großen japanischen Ukiyo-e-Künstler wie Hokusai und Hiroshige und ihrer berühmten Fuji-Ansichten.

    In diesem Sinne entspannen wir drei Tage (also 36 Stunden) in der Stadt Fujikawaguchiko. Wir lassen es uns mit stapelweise Pfannkuchen und Fujiblick zum Frühstück und Kaffee in der Hängematte noch einmal richtig gut gehen. Natürlich bleibt auch Zeit für ein Sake-Tasting, denn das Fuji-Wasser erfreut sich, ähnlich wie sein Namensvetter aus dem Südpazifik, eines sehr guten Rufes.

    Nach den drei Tagen rasen wir wieder bergab, Richtung Tokio. Auf dieser Straße kämpften die olympischen Rennradfahrer:innen 2021 mit aller Kraft um Gold, Silber und Bronze - für uns geht es dagegen in umgekehrter Richtung mit Rückenwind entspannt bergab. Golden leuchtende Ginkgo-Alleen zieren die Zielgerade und bereiten uns so unsere ganz private Siegerehrung.
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