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  • 37 von Olderfjord nach Honningsvåg

    July 26, 2022 in Norway ⋅ ☁️ 13 °C

    Ich bin, wenn man es so sagen darf, im Basislager für den Gipfelsieg angekommen. Noch sind es rund 30 Kilometer bis zum Nordkap. Diese 30 Kilometer werde ich beim nächsten Schönwetter angehen. Ich habe ja genug Zeit und muss nicht bei jedem Wetter ans Nordkap radeln.

    Die letzten Tage haben mich für die vielen verregneten Tage total entschädigt. Da war mir der liebe Gott sehr gewogen. Außer einem leichten Nieseln am Ende zweier Etappen hatte ich immer perfektes Radwetter. Heute sogar den ganzen Tag Sonnenschein, kaum Wind und warme Temperaturen, bis zu 25 Grad. Aber der Reihe nach.

    Um halb acht hat der Wecker geläutet. Ein paar Minuten später sind Daniele und ich aufgestanden. Da ich Frühstück inkludiert hatte, habe ich mich angezogen und bin ins Restaurant. Ich traue meinen Augen nicht. Vor dem Restaurant steht ein alter Traktor mit angehängtem Bauwagen aus der Gegend Böblingen. Ich gehe ins Restaurant und da sitzt er auch schon, der Besitzer. Schaut aus, als ob er direkt von der Arbeit an seinem Bauernhof auf den Traktor gestiegen wäre, den Bauwagen angehängt hat und losgefahren ist, mit blauer Arbeitshose und grünem Arbeitsjanker. Er kommt gerade vom Nordkap und hatte einiges zu erzählen. Über Pannen, wie Achsbruch am Anhänger, abgefahrene Reifen, ungeduldige Wohnmobilfahrer, die nicht überholen konnten, spontane Gespräche mit allen möglichen Leuten, etc. Das Frühstück war sehr unterhaltend. Als er fertig gefrühstückt hatte, stand er auf, stieg auf seinen Traktor, startete und tuckerte davon Richtung Süden.

    Jetzt hieß es aber schnell packen und rein in die Spur. Heute stehen fast 100 Kilometer am Programm, inklusive spannender Tunnelfahrten. Die Strecke führte heute entlang des Porsangerfjords Richtung Norden. Zuerst war die Landschaft wieder sehr breit und offen, aber die Berge rückten immer näher zum Fjord. Bis zwischen Fjord und Felsen kaum mehr die Straße Platz hatte und der 1. Tunnel zu durchfahren war. Gute 4 km lang und eher spartanisch ausgebaut und beleuchtet. Da wird sich auch so schnell nichts ändern, da glich daneben ein neuer Tunnel gebaut wird. Dieser Tunnel hatte den Vorteil, dass die Straße leicht abschüssig war und man daher recht zügig durchfahren konnte. Wenn man durch die Tunnel fährt und man plötzlich den Lärm eines Autos oder Motorrades hört, weiß man im ersten Moment nicht, ob diese von vorne oder hinten kommen. Erst wenn man den Entgegenkommenden sieht oder man überholt wird, weiß man, woher der Lärm kam. Die anderen Verkehrsteilnehmer sind Großteils gegenüber den Radfahrern sehr rücksichtsvoll und es ist eigentlich nicht gefährlich. Trotzdem ist man immer wieder froh, wenn man das Ende des Tunnels sieht und wieder ans Licht kommt.

    Von dort schlängelt sich die Straße zuerst sehr am Fels angelehnt, später wieder in flacheren Landschaften bis zur Einfahrt in den überall beschriebenen, von den Radfahrern nicht sehr beliebten, Unterwassertunnel, den Nordkaptunnel. Unterwegs treffe ich wieder Evelin, die Holländerin von gestern und am Tunnelportal haben sich noch weitere Radfahrer zur letzten Stärkung vor der Durchquerung angesammelt.

    Als erste stechen drei Franzosen in den Tunnel, dann ich, als nächste Evelin und zum Schluss zwei Deutsche. Zuerst geht es in rasanter Fahrt bei einer Neigung von ca. 9 % bis 210 Meter unter Meeresspiegel. Im Tunnel fühlt es sich sehr kalt an und in den Fingern spürt man beim Abwärtsfahren die Kälte besonders. Es ist auch sehr laut, besonders wenn andere Fahrzeuge an dir vorbeifahren. Am untersten Punkt angekommen, geht es ein paar Hundert Meter eben, bis die Straße wieder entsprechend ansteigt. Das ist der unangenehmste Teil der Fahrt, denn hier heißt es wirklich in die Pedale treten. Am untersten Punkt ist es plötzlich sehr laut geworden. Man dachte, es kommt von hinten und von vorne ein Riesen-LKW oder Traktor. Falsch gedacht. Dieser Lärm stammt von riesigen Ventilatoren, welche für die Entlüftung des Tunnels sorgen. Davon gibt es mehrere auf der gesamten Länge. Als es wieder bergauf geht, fällt mir ein Schild auf: 3 km nach vorne, 4 km nach hinten. Als endlich das Schild 1km nach vorne, 6 km nach hinten am Tunnelrand auftaucht, stellt sich schön langsam die Vorfreude auf das Ende des Tunnels ein. Dann geht es noch einmal links um eine Kurve und das Tunnelportal ist erreicht. Nach all dem, das ich gelesen habe, habe ich mir die Fahrt schlimmer vorgestellt, aber angenehm ist sie trotzdem nicht. Am Ende des Tunnels haben wir dann so lange gewartet, bis alle heil angekommen sind. Noch eine kleine Stärkung, ein paar Tipps für die Weiterreise und dann fuhr jeder an sein Ziel.

    Kurz vor Honningsvåg muss man noch einmal durch einen 4 km langen Tunnel fahren. Der ist aber schön ausgeleuchtet und ist mit 2 % Steigung auch kein Konditionsproblem. Ich fahre schön langsam nach Honningsvåg, genieße die Sonnenstrahlen und bleibe noch auf einem kleinen Rastplatz stehen. Dort sitzt ein Kärtner Motorradfahrer und wir kommen ins Plaudern. Er ist derzeit alleine unterwegs, da sein Kumpel vor lauter Schauen nicht aufgepasst hat und in den Graben gefahren ist. Obwohl das im nicht besiedelten Gebiet passiert ist, war innerhalb von 15 Minuten der Notarzt und kurz darauf der Hubschrauber am Unfallort. Gottseidank waren „nur“ das Schlüsselbein und ein paar Rippen gebrochen.

    Er ist nocht zum Nordka aufgebrochen, ich bin in meine Unterkunft gefahren. Hier bleibe ich jetzt bis Montag früh, wenn ich mit dem Hurtigrutenschiff die Heimreise antrete.

    Nicht aber ohne vorher noch die letzten Kilometer zum Nordkap zu radeln. Wann ist noch nicht sicher, das ist vor allem vom Wetter abhängig. Wie es derzeit aussieht, werde ich am Donnerstagabend starten, um die Mitternachtssonne am Nordkap zu genießen.

    Morgen ist Regen vorhergesagt, daher werde ich nicht viel unternehmen und eher nur die Sauna im Haus nutzen.

    Jetzt gibt es noch ein Abendessen im Hotel und dann ist Schluss für heute.
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